Die Protestwelle gegen die Sparbeschlüsse des Senats ist am Freitag vor der Kulturbehörde angerollt. Selbst aus Berlin kommt Kritik.

Hamburg. "Und, was macht ihr so als Nächstes?" fragte die Dame den Polizisten, eben hatte er noch geschmunzelt. "Ich bin im Dienst", sagte er knapp und räusperte sich, die Dame sagte: "Oh, Entschuldigung. Ich dachte, Sie wären verkleidet." Nein, das war der Herr Stroll von der Hamburger Polizei nicht, deshalb schüttelte er wohl auch ein bisschen den Kopf, als er seine Mütze zurechtschob und langsam die Straßenseite wechselte.

Sie hatten es nicht leicht, die Herren Polizisten gestern Vormittag vor der Hamburger Kulturbehörde. Ziemlich ansehnlich war die Menschenmenge, die sich gegen 11 Uhr in der Innenstadt versammelt hatte, und nicht nur die Beamten, nein, auch die Aktivisten waren in Uniform gekommen: weiße Hosen, weißes Käppi, ein richtiger Spielmannszug zog da die Hohen Bleichen entlang, mit Pauke, Akkordeon und Querflöte. Vornan marschierten Heinz Strunk, Rocko Schamoni und Jacques Palminger. "Mit Fistelstimmen werden wir euch bezwingen", sangen sie so laut es eben ging in dieser Kastratentonlage, doch der Rest der Menge stimmte schnell ein.

Etwa 300 Demonstranten waren gekommen, Künstler des Gängeviertels waren darunter, Tänzer, Bürger und Theatermacher. "Wer sich das hier gefallen lässt, lässt sich alles gefallen", rief Palminger ins Megafon. Der mächtige Jubel, der daraufhin die Fassade der Kulturbehörde hochbrandete, dürfte es bis ins Büro von Senator Reinhard Stuth geschafft haben.

Nun ist sie also angerollt, die Welle des Protests gegen die Kürzungen im Kulturbereich, und wie es aussieht, wird sie der Hamburger Kulturbehörde einen ziemlich launigen Herbst bescheren. "Das können und wollen wir nicht akzeptieren", lautete gestern die Antwort des Altonaer Museums auf den Beschluss des Senats, das Haus 2011 zu schließen. Am 3. Oktober findet im Museum deshalb von 10 bis 17 Uhr ein Solidaritätsfest statt. Auch die Hamburger Privattheater reagierten kämpferisch. "Die Kürzungen im Theaterbereich sind eine kulturpolitische Fehlentscheidung, die dringend einer Korrektur bedarf", hieß es in einer Erklärung, der sich alle Häuser anschlossen, von Ohnsorg-Theater bis Opernloft.

In ihren dringlichen Appellen bekamen die Hamburger Kulturschaffenden gestern Schützenhilfe von prominenter Stelle: André Schmitz, Kulturstaatssekretär von Berlin, nannte die Sparbeschlüsse im Kulturbereich "einen großen Schaden für Hamburg". Auch die Bundeshauptstadt habe zunächst geglaubt, die Kultur müsse - wenigstens symbolisch - an der Haushaltskonsolidierung beteiligt werden. "Inzwischen sind wir klüger und investieren wieder in die Kultur. Die Stärken in der Krise zu stärken, zahlt sich am Ende aus. Erst recht in Kulturstädten wie Berlin oder Hamburg", sagte Schmitz, der Ende der 80er-Jahre persönlicher Referent des Kultursenators in Hamburg war. Auch der Deutsche Kulturrat wollte die aktuellen Entwicklungen nicht unkommentiert lassen. "Was in Hamburg passiert, ist nicht nur grob fahrlässig, es ist der systematische Ausverkauf von Teilen der Kultur", sagte Geschäftsführer Olaf Zimmermann. "Kürzungen in dieser Höhe und die Schließung eines Traditionsmuseums kommen einem Kultur-Harakiri gleich."

Dass die Hamburger Kulturschaffenden das ähnlich sehen, machten sie mit einer weiteren Aktion deutlich: Sie legten sich auf die Straße, zwischen Prada-Boutique und Café Flamant, und ließen ihre Körper mit Kreide ummalen. In die Umrisse schrieben sie später "Kunst" oder "Kultur" - als wäre sie vor den Türen der Behörde tödlich verunglückt. Jack Kurfess, Verwaltungsdirektor und nun Interimsintendant des Schauspielhauses, bedankte sich später bei den Demonstranten. Er selbst hatte den Vormittag ja schließlich mit Kultursenator Stuth verbracht, dem er in einem persönlichen Gespräch die gesamte Tragweite des Kürzungsbeschlusses von 1,2 Millionen Euro darlegte. "Wir sind enttäuscht, dass die Kürzungen nicht zurückgenommen worden sind", kommentierte Kurfess das Treffen mit maßvollen Worten, ein offener Brief des Jungen Schauspielhauses wurde deutlicher: "Lieber streitend vergehen!" lautete sein Schlusssatz.

Sie meinen es ernst, die Hamburger Künstler, mit ihren Kampfsagen. Als Jacques Palminger gestern vor der Behörde anhob, eine Erklärung seines Künstler-Trios zu verlesen, da war es still in den Hohen Bleichen. Eine Stille, wie man sie sonst nur aus dem Theater kennt - kurz bevor der Vorhang sich hebt. "Liebe Waffenbrüder und Waffenschwestern", sprach Palminger ins Megafon, "wir haben die Kulturbehörde gestürmt, weil es klare Anzeichen dafür gibt, dass die Kavallerie der politischen Entscheidungsträger mit vollem Schwung in die falsche Richtung galoppiert. Wir sehen hinter den Kürzungsplänen am Schauspielhaus und überall eine Strategie, die uns in höchste Alarmbereitschaft versetzt. Meiner Meinung nach heißt diese Strategie: Das Große verkleinern und dann das Kleine zerstören, funktionierende Strukturen durch punktgenaue Angriffe verunsichern, dann handlungsunfähig machen, dann übernehmen und in den öden, langweiligen, neoliberalen Eventterror eingliedern. Wir sagen hier in aller Deutlichkeit: Das Schauspielhaus darf kein Ahlhaus werden."

Spätestens gestern Abend, als Reinhard Stuth sich auf den Heimweg gemacht hat und die Hohen Bleichen wieder leer waren, muss er sie dann auch gesehen haben: Die symbolischen Leichen vor seiner Haustür.