Beim Philharmoniker-Saisonstart dirigierte Simone Young Werke von Berg und Mahler. Ein Treffen von Expressivität und Bodenständigkeit.

Hamburg. Nur zur Beruhigung: Dass gestern auf dem ersten Konzertmeisterstuhl der Philharmoniker Roland Greutter vom NDR saß und beim Auftaktkonzert der Saison die allererste Geige spielte, hat nichts mit den abstrusen Fusionsfantasien zu tun, die gerade durch die Chefetagen Hamburger Politik wabern. Eine ganz normale Aushilfe unter Orchesterkollegen, mehr steckt nicht dahinter. Die Philharmoniker haben auch nach wie vor ihre Chefin Simone Young, und damit ihr eigenes Klang- und Programmprofil.

In dieser Spielzeit wird beides vor allem von der Auseinandersetzung mit dem Sinfoniker Gustav Mahler bestimmt. Die Erste im ersten Konzert, und davor, wohl auch als diskrete Fluchtblockade für zwölftonscheuere Besucher, das Berg-Violinkonzert. Eine Kombination mit schlüssigen inneren Verbindungen zwischen Ähnlichgesinnten: Der erste Moderne der Spätromantik trifft auf den Lyrischsten der frühen Moderne. Aber auch eine Verbindung nicht ohne kleine, feine Tücken, wenn man die Unterschiede eher unklar voneinander abgrenzen mag.

Mit Isabelle Faust hatte Young eine Gastsolistin neben sich, die ihren Part weniger analytisch anlegte, als es ihm guttat; sie konnte oft der trügerischen Süße, die sich hinter der kühlen, hellen Klarheit der Strukturen verbirgt, nicht widerstehen. Durchdachte Expressivität und schicksalsergebene Erschütterung kamen hier auf keinen ganz gemeinsamen Nenner, auch weil Young den Orchesterapparat zu wenig ausdifferenzierte und das diffizile Stimmengeflecht im oft nur angenehmen Ungefähren beließ. Der Flageolett-Ausklang der Solovioline erstarb nicht in himmlischer Höhe, er endete lediglich.

Herzensangelegenheiten von Mahler und Berg

Beim Mahler hingegen setzte Young mit Nachdruck auf das Bodenständige und Plastische, auf die Wucht und die pralle Saftigkeit der Partitur, auf Natur-Imitate und Oha-Effekte.

Dass sie das "Bruder Jakob"-Thema zu Beginn des dritten Satzes nicht wie gewohnt solistisch, sondern von allen Bässen spielen ließ, hätte in dieses Viel-hilft-viel-Schema gepasst, war aber durch die neue kritische Gesamtausgabe der Ersten legitimiert. Ansonsten trabte das Tutti sehr plakativ durch das Wald-und-Wiesen-Idyll, mit dem Mahler sich auf die noch kommenden Abgründe späterer Meisterwerke einstimmte. Dass einzelne Einsätze dabei immer wieder mal aus dem Tritt gerieten und auch der Schluss leicht rumpelte, tat der euphorischen Stimmung des Publikums danach keinen Abbruch.

Das Konzert wird heute, 20 Uhr, in der Laeiszhalle wiederholt. Einführung 19.15 Uhr im Kleinen Saal. Karten unter T. 358 68