Mit einer Kooperation zwischen Falckenberg und den Deichtorhallen könnte Hamburg in Sachen Gegenwartskunst gewaltig punkten.

Hamburg. Es könnte ein großartiges Projekt werden, aber passt es in die Zeit der Kürzungen und Sparzwänge, die unmittelbar bevorsteht? Harald Falckenberg will seine hochkarätige Gegenwartskunst-Sammlung mit den Deichtorhallen verbinden und ist sich darin mit Deichtorhallen-Intendant Dirk Luckow einig. Einen entsprechenden Vertrag haben Falckenberg, Luckow und die damalige Kultursenatorin Karin von Welck am 16. August unterzeichnet. Das Ganze hat nur einen Schönheitsfehler: In Kraft tritt die Vereinbarung nur, wenn Senat und Bürgerschaft zustimmen. Im Abendblatt-Gespräch geben sich Harald Falckenberg und Dirk Luckow optimistisch.

Abendblatt:

Herr Falckenberg, Herr Luckow, sind Sie heute schon gehüpft? Bis Sonntag steht Ihnen Forsythes "White Bouncy Castle" dafür noch zur Verfügung. Oder ist Ihnen angesichts der Perspektiven für die Kunststadt Hamburg nicht zum Hüpfen zumute?

Dirk Luckow:

Die Hüpfburg ist ja schon Symbol einer Fallgeschichte geworden. Aber so sehe ich das natürlich nicht. Ganz im Gegenteil, ich knüpfe große Hoffnungen an die Verbindung der Sammlung Falckenberg an die Deichtorhallen. Hamburg wächst, und die Verbindung der City mit der HafenCity und weiter bis nach Wilhelmsburg und Harburg wird immer wichtiger. Das verschafft den Deichtorhallen als kulturellen Bezugspunkt eine ganz neue Bedeutung. Also wäre mir schon zum Hüpfen zumute.

Ex-Kultursenatorin Karin von Welck hat zwar mit Ihnen eine Vereinbarung getroffen, doch diese steht unter Finanzierungsvorbehalt. Glauben Sie, dass Sie tatsächlich die dafür erforderlichen zusätzlichen Mittel von jährlich 570 000 Euro trotz der bevorstehenden Sparrunde bewilligt bekommen?

Harald Falckenberg:

Hier geht es nicht um persönliche Interessen, sondern um den Nutzen für die Stadt Hamburg. Ich bin sicher, dass meine Sammlung die Strahlkraft der Deichtorhallen erhöhen wird und diese mit dem "Sprung über die Elbe" sogar deutlich aufwerten kann. Da muss man sehen, ob die 0,25 Prozent des Kulturhaushaltes, den dieser Betrag ausmacht, für ein solches Projekt gerechtfertig sind. Als Unternehmer weiß ich, dass man auch in Zeiten des Sparens noch in der Lage sein muss, Akzente zu setzen. Außerdem wäre eine positive Entscheidung auch das Signal eines Neuanfangs nach all den Diskussionen der letzten Monate. Aber entscheiden müssen der Senat und die Bürgerschaft.

Hat es schon Gespräche mit Kultursenator Stuth darüber gegeben?

Falckenberg:

Ja, aber verständlicherweise will er den Senatsberatungen über den Haushalt nicht vorgreifen. Er hat dabei deutlich gemacht, dass er das Projekt für eine sehr gute Idee hält.

Luckow:

Nicht zufällig halten so viele Menschen die Verbindung von Deichtorhallen und Falckenberg für eine ideale Konstruktion. Das hat damit zu tun, dass es dadurch möglich wird, eine fantastische, international beachtete Sammlung weiter an Hamburg zu binden. Mit verhältnismäßig geringen Mitteln bietet sich hier die Chance, Hamburgs Kunstprofil weiter zum Strahlen zu bringen. Das ist umso wichtiger, weil wir ja auch in diesem Bereich mit Berlin und anderen Städten im Wettbewerb stehen.

Falckenberg:

Ich bin der Meinung, dass F. C. Gundlach mit dem Haus der Photographie den Deichtorhallen zu einer sehr positiven Entwicklung verholfen hat. Wenn es jetzt möglich wird, hier eine zweite Sammlung zu etablieren, kann diese Entwicklung noch deutlich verstärkt werden. Deshalb macht mir das Beispiel Gundlach Mut.

Herr Stuth hat sich als "Anwalt für die Kultur" bezeichnet. Welche Erwartungen verknüpfen Sie mit ihm?

Falckenberg:

Ich bin immer der Meinung, dass man Menschen an ihren Handlungen messen soll. Ich will keine Vorschusslorbeeren verteilen, habe aber in dem Gespräch einen sehr positiven Eindruck gewonnen.

Karin von Welck hat zuletzt noch versucht, Kunsthallen-Chef Hubertus Gaßner loszuwerden und Kunsthalle und Deichtorhallen unter einer gemeinsamen Leitung zu vereinen und Sie, Herr Luckow, als Direktor vorgesehen. Hätten Sie unter den gegebenen Umständen dafür zu Verfügung gestanden.

Luckow

Ich würde Hubertus Gaßner niemals in den Rücken fallen und habe mich in dieser ganzen Diskussion sehr zurückgehalten. Hier geht es um organisatorische und um politische Fragen, die sich ganz sicher nicht übers Knie brechen lassen.

Falckenberg:

Eigentlich ist es jetzt die falsche Zeit, zu dieser Frage Stellung zu nehmen. Das sind politische Fragen, die auch politisch entschieden werden müssen. Ich möchte auf gar keinen Fall Spekulationen darüber weiter befördern.

Gesetzt den Fall, Senat und Bürgerschaft genehmigen Mitte September die Mittel, wie würde die Anbindung der Sammlung Falckenberg an die Deichtorhallen konkret aussehen?

Luckow:

Harald Falckenberg hat für die nächste Zeit schon geplant, kennt andererseits die Planungen der Deichtorhallen. Ich denke, dass sich das sehr gut ergänzt. Es gibt zum Beispiel eine Ausstellung, die uns angeboten worden ist, nämlich "Power up - Female Pop Art". Wir können sie aus zeitlichen Gründen bei uns nicht zeigen, das könnte dann aber in den Phoenixhallen in Harburg passieren.

Wer bestimmt künftig das Programm?

Luckow:

Die Deichtorhallen. Das ist, als würden wir eine Museumssammlung übernehmen. Von deren Schwerpunkten gehen wir aus, um ein Programm zu gestalten. Hier können wir sowohl das Profil der Sammlung vertiefen als auch einen Perspektivwechsel vornehmen. Es geht um Ausstellungen, die in Harburg, aber auch in den Deichtorhallen zu sehen sind.

Falckenberg:

Schon in der Vergangenheit habe ich nicht nur meine Sammlung gezeigt, sondern sie immer wieder in einen Dialog mit anderen künstlerischen Positionen gesetzt. Den nächsten Dialog gibt es mit der Retrospektive zu Uwe Lausen, eines sehr rebellischen Künstlers der 1960er-Jahre, die am 22. Oktober eröffnet wird. Mein Wunsch wäre es, dieses System in etwa auch beizubehalten. Doch das ist künftig die Entscheidung von Dirk Luckow.

Mal ehrlich, Herr Falckenberg, jeder weiß, dass sie ein leidenschaftlicher Sammler und Ausstellungsmacher sind. Wollen Sie wirklich ein Stück Gestaltungsfreiheit aus der Hand geben?

Falckenberg:

Ich bin kein leidenschaftlicher Sammler im klassischen Sinne. Ich gehe nicht von den Werken als solchen aus, ich verstehe mich als Chronist einer künstlerischen Entwicklung, die in den letzten 30 Jahren stattgefunden hat und besonders in Hamburg und Berlin angesiedelt ist. Das ist mein Anliegen. Diese Kunst zielt nicht auf Bewunderung, auf das Schöne, Gute und Wahre, sondern auf einen Diskurs. Dieser Standpunkt setzt voraus, dass ich die Zusammenhänge nicht nur aus meinem Blickwinkel beurteile. Deshalb finde ich es gut, dass jetzt Dirk Luckow kommt, und die Dinge von einer ganz anderen Seite aus betrachtet. Wenn man nur der eigenen Leidenschaft frönt, kommt immer nur dasselbe heraus und es wird tödlich langweilig.

Auch die Zukunft der Sammlung Hanne Darboven ist im Moment noch völlig unklar. Die Darboven-Stiftung ist nicht bereit, sich dazu zu äußern. Wissen Sie mehr, Herr Falckenberg?

Falckenberg:

Ich bin vor einigen Wochen in das Kuratorium der Stiftung aufgenommen worden, dem übrigens auch Kultursenator Stuth angehört. Konkret geplant ist, dass wir anlässlich von Hanne Darbovens 70. Geburtstag am 29. April 2011 in den Phoenixhallen einen ständigen Raum für sie einrichten, die ja drei Kilometer von Harburg entfernt in Rönneburg gearbeitet und gelebt hat. Außerdem wird es in den Deichtorhallen zu diesem Geburtstag eine Veranstaltung geben. Es soll später auch eine Retrospektive in den Phoenixhallen stattfinden.

Und was geschieht mit dem Nachlass in Rönneburg?

Falckenberg:

Das Haus ist voll von skurrilen Alltagsgegenständen und Fundstücken. Es ist geplant, viele dieser persönlichen Gegenstände in der Retrospektive zu zeigen. Damit soll die Persönlichkeit Hanne Darbovens verständlicher werden, die in der Spannung zwischen Chaos und Präzision gelebt und gewirkt hat.

Mit dem Nachlass des 1998 verstorbenen Künstlers Dieter Roth, die in zwei Villen in der Abteistraße bewahrt wird, gibt es noch eine weitere hochkarätige Sammlung, die der Öffentlichkeit kaum bekannt ist. Eigentlich könnte Hamburg als Stadt der Gegenwartskunst gewaltig punkten. Warum passiert das nicht?

Luckow:

Wir arbeiten daran, dass sich das ändert. Mit den Verbindungen, die Harald Falckenberg zur Darboven-Stiftung und auch zur Dieter-Roth-Foundation unterhält, können wir hier neue Wege gehen. Falckenberg hat in dieser Stadt in den letzten 15 Jahren ein völlig neues Klima für Gegenwartskunst geschaffen. Darauf lässt sich viel aufbauen. Da kann man auch manches wach küssen, was jetzt nur Insidern bekannt ist, wie eben zum Beispiel die vorzügliche Dieter-Roth-Sammlung.

Herr Falckenberg, wollen Sie nicht doch noch auf William Forsythes Hüpfburg steigen?

Falckenberg:

Gehüpft wird erst, wenn unsere Sache positiv entschieden ist.