Seit seiner Mohammed-Karikatur lebt der Zeichner Kurt Westergaard unter Polizeischutz. Nun wurde er mit dem M100-Medienpreis geehrt.

Potsdam. Sanssouci heißt so viel wie sorgenfrei. Doch zu der Veranstaltung, die gestern Abend im Potsdamer Schloss dieses Namens stattfand, passte der Begriff nicht so recht. Dort wurde der dänische Mohammed-Karikaturist Kurt Westergaard geehrt, der wegen seiner Zeichnungen seit fünf Jahren unter Polizeischutz leben muss. Für seine Unbeugsamkeit erhielt der 75-Jährige den Medienpreis M100, der von 100 einflussreichen Chefredakteuren und Meinungsmachern aus ganz Europa verliehen wird. Zu den bisherigen Preisträgern gehören der einstige Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) und die kolumbianische Politikerin Ingrid Betancourt.

Westergaards Laudator war der rot-grüne Präsidentschaftskandidat Joachim Gauck. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hielt eine Rede über die Pressefreiheit, die auch zentrales Thema des M100 Sanssouci Colloquiums war, das unmittelbar vor der Preisverleihung stattfand. Für Merkel ist Pressefreiheit "eines der Wesensmerkmale einer freiheitlichen Demokratie". In Erinnerung an die deutsch-deutsche Wiedervereinigung vor 20 Jahren fügte sie hinzu: "Wir wissen noch, was Unfreiheit bedeutet, und sollten deshalb nie vergessen, wie wertvoll Freiheit ist."

Auch Westergaard weiß, wie es ist, wenn man seine Freiheit verliert. Die Veröffentlichung seiner Karikatur sowie der von Kollegen im September 2005 in der dänischen Tageszeitung "Jyllands-Posten" löste in der islamischen Welt heftigen Protest aus. Es kam zu militanten Drohungen und Gewalt, Dutzende Menschen starben. Dänemark schloss wegen der gewalttätigen Proteste einige seiner Botschaften. Auch gegen Einrichtungen anderer europäischer Staaten gab es Gewaltakte.

Auf Westergaard und Kollegen ist seitdem ein Kopfgeld von insgesamt elf Millionen Dollar ausgesetzt. Das Leben des früheren Lehrers ist rastlos geworden. Immer wieder muss er umziehen. Der dänische Polizeigeheimdienst PET ist stets an seiner Seite. Anfang des Jahres entging er nur knapp einem Mordanschlag: Als er ausnahmsweise in seinem Haus war, bedrohte ihn ein Mann, der Verbindungen zum Terrornetzwerk al-Qaida haben soll, mit einer Axt.

Die Feierstunde für Westergaard fand daher unter massiven Sicherheitsvorkehrungen statt. Ein Hubschrauber kreiste über dem Schloss, Spürhunde suchten in der Orangerie und dem Park nach Bomben.

Merkel und Gauck ehren Mut eines Mohammed-Karikaturisten

Der Karikaturist lässt sich jedoch nicht beirren: "Ich habe nur gemäß der satirischen Tradition der Dänen gearbeitet", sagte er der Tageszeitung "Die Welt". "Die dänische Satire schont niemanden. Nicht die Königin, den Premier, den Bischof, Jesus. Und auch nicht Mohammed. Ich habe versucht, Muslimen zu erklären, wenn wir sie satirisch behandeln, eben wie dänische Politiker und die anderen genannten Gesellschaftsgruppen, dass das doch gut sei, dass es gerade bedeute, dass sie integriert seien, ein gleichwertiger Teil der dänischen Gesellschaft." Doch viele Muslime könnten oder wollten das nicht verstehen: "Sie wollen eine Entschuldigung. Sie haben kein tieferes Gefühl für Demokratie und Freiheit. Sogar als ich in Amerika in Princeton und Yale sprach, erlebte ich dort die gleichen Reaktionen unter den muslimischen Studenten. Sie dachten genauso wie die meisten konservativen Imame in Dänemark. Und auch die gebildeten Studenten wollten einzig eine Entschuldigung von mir." Es gebe zwar auch Muslime, die ihn verstünden, doch sie würden nicht öffentlich wahrgenommen, "denn sie schreiben keine Leserbriefe".

Im November sollen seine Memoiren erscheinen - mit der umstrittenen Mohammed-Zeichnung auf dem Buchdeckel. Mutig sei er nicht, sagt er, aber zu starrköpfig, um sich zu beugen. Für die Jury des M100-Medienpreises ist Westergaard ein "Symbol der Presse- und Meinungsfreiheit".

Wie gefährlich Zeichner leben, die den Propheten Mohammed karikieren, zeigt auch der Fall des Schweden Lars Vilks. Er wurde im vergangenen Mai zweimal innerhalb einer Woche angegriffen. Der 64-Jährige hatte 2007 eine Zeichnung des Propheten Mohammed als Hund veröffentlicht.

Der Islam-Wissenschaftler Sebastian Elsässer von der Freien Universität Berlin sieht in der Auszeichnung Westergaards in Anwesenheit hochrangiger Politiker wie der Bundeskanzlerin allerdings eine Begegnung mit unkalkulierbaren Folgen: "Es könnte bei Muslimen Unmut auslösen, wenn dieser Auftritt als öffentliche Unterstützung für islamfeindliche Äußerungen gewertet wird."