Der Schauspieler Peter Bongartz spielt in der Uraufführung “Über Wasser, nach China“ von Michael Batz einen Hamburger Reeder.

Kammerspiele. Er ist nicht der Typ Mann, der fremdgeht. Darauf würde seine weibliche Fangemeinde Stein und Bein schwören. Der Schauspieler Peter Bongartz ist diese unwiderstehliche Mischung aus seriösem Frauenversteher und viril väterlichem Freund. Jetzt können die Damen ihren Fernsehschwarm aus der "Julia"-Serie mit Christiane Hörbiger von einer neuen Seite kennenlernen: Er spielt den ehemaligen Reeder und Eigner Arnold Bahnssen in der hanseatischen Komödie "Über Wasser, nach China" von Michael Batz. Peter Lichtefeld führt Regie bei der Uraufführung mit Marita Marschall, Elena Meißner und Oscar Ortega Sánchez.

Michael Batz hat das Stück nach dem klassischen Muster vom Aufstieg und Untergang eines Patriarchen geschrieben: Reeder Bahnssen hat einst seine junge chinesische Geliebte an einen Funktionär abgetreten, damit seine Schiffe die Handelslinie nach China befahren konnten. "Er ist noch ein alter Typus von Unternehmer, der mit den Schiffen groß geworden ist", beschreibt Autor Michael Batz den zentralen Charakter in seinem komödiantischen Kammerspiel . Der alte, verdiente Mann, den der Senat im Gegenzug für eine Millionenspende ehren will, ist mit wachsendem Gedächtnisverlust konfrontiert. Und mit einer Tochter, die die Geschäfte in die Hand nehmen und in Krisenzeiten der Schifffahrt die schlingernde Firma nach ihren Methoden sanieren will.

"Bahnssen gehört zu den Leuten, die davon überzeugt sind, sie wüssten, wie es im Leben läuft", sagt Bongartz. "Er hat diese Selbstüberschätzung von sehr erfolgreichen Männern an der Spitze, die nichts neben sich gelten lassen können und gegen jeden kämpfen." Sogar mit dem von der Tochter bestellten Gedächtnistrainer, dessen Gedächtnis auch zu wünschen übrig lässt, trägt der alte Herr seine Scharmützel aus, geht mal wieder in der Elbe schwimmen. "Er fühlt sich einfach sicher, glaubt jede Strömung zu kennen, befindet sich ja in eigenen Gewässern."

Zu derartiger Chuzpe neigt der begeisterte Sportler Bongartz nicht. Noch heute erkennt man im Schauspieler, Jahrgang 1942, den feschen, flotten Tennisspieler von früher. Er war einige Jahre an verschiedenen Stadttheatern engagiert, spielte in Göttingen und gehörte zwei Jahre zum Ensemble des Schauspiels Köln, wo er auch heute noch in der Nähe lebt. Bongartz hatte jedoch einen Horror davor, einmal zu einem Darstellungsbeamten zu werden. "Für die Kunst muss man frei sein und brennen."

Bis heute hat er sich an sein Credo gehalten. Er lebt mit seiner langjährigen Partnerin, einer Anwältin, zusammen, ist aber nicht mit ihr verheiratet. Er trägt keine Verantwortung für Kinder, will nicht für Besitz oder Luxus arbeiten müssen. "Ich fahre meinen alten VW Käfer und besitze weder Computer noch Mobiltelefon. Wer immer erreichbar ist, lässt sich zum Sklaven machen." Seine Freiheit geht dem Schauspieler und Menschen Bongartz über alles.

Er hat an der Berliner Volksbühne und in den Kammerspielen Düsseldorf gastiert, konzentrierte sich jedoch auf seine Fernseh- und Filmkarriere. "Da wollte ich eigentlich immer hin", sagt er.

Den Durchbruch schaffte der präsente Charakterschauspieler mit der distinguierten Ausstrahlung 1982 als Vater des kleinen jüdischen Mädchens Janina in der von Franz Peter Wirth inszenierten Serie "Ein Stück Himmel". "Ich habe aber auch jede Menge Mörder in Krimis gespielt", sagt er, grinst ironisch und behauptet sich damit gegen das Image des grau melierten, markanten Gentlemans. Auch ein guter Grund für ihn, Theater zu spielen. "Ich suche mir die Rollen aus, die ich spielen möchte, habe Kontakt zum Publikum und kann auch das Klischee von mir im Fernsehen brechen." Es macht ihm Spaß, den untreuen Gilles in Eric-Emmanuel Schmitts "Kleine Eheverbrechen" mit Antje Weißgerber zu spielen.

Oder mit Partnerin Susanne Schäfer die Hochs und Tiefs bei einem One-Night-Stand im Thriller "Achterbahn" auszuprobieren.

Der Reeder Bahnssen bedeutet für den Schauspieler eine andere Herausforderung. "Ich will ihn nicht eins zu eins spielen,", betont Bongartz. "Also nicht zeigen, wie ein Reeder ist, sondern wie er sein könnte, mit einer gewissen Überhöhung und mit schwarzem Humor. Aber doch nicht als Karikatur, so dass die Zuschauer noch Anteil an der Figur nehmen können." Es geht ihm um die heikle Balance, in der Verrücktheit auch die Wahrheit dieses Mannes sichtbar werden zu lassen. "Aber nicht mit dem erhobenen Zeigefinger, ich bin ja kein Oberlehrer."

Auch wenn die Figur Bahnssens etwas an König Lear erinnern mag, der sein Reich nicht abgeben will, hält Peter Bongartz das Stück ganz klar für eine Komödie - mit ernsten Untertönen. Das bestätigt Autor Batz: "In Hamburg ist es unmöglich, eine Tragödie zu schreiben."

Über Wasser, nach China: 5.9., 19.00, Kammerspiele (U Hallerstraße), Hartungstraße 9-11, die Premiere ist ausverkauft, Karten für die Vorstellungen bis zum 16.10. von 17,- bis 35,-, Telefon: 0800-41 33 440; www.hamburger-kammerspiele.de