Mit “Wohltäter“ zeigt Michael Frayn zwei Ehepaare in der Krise, die erkennen, dass das Leben von Anderen nicht leichter ist, als das eigene.

Hamburg. Lebenspläne zu realisieren ist ähnlich schwierig, wie ein Haus zu bauen. Die Entwürfe, Vorstellungen und Träume scheitern "immer an irgendwem, irgendwo und irgendwie", bringt es der Architekt David in Michael Frayns "Wohltäter" auf den Punkt. In der Komödie mit ernsten Untertönen wollen zwei eng befreundete Ehepaare für sich und die anderen immer nur das Beste - und scheitern dabei tragikomisch. Tröstlich dabei: Sie entdecken neue Wege für sich, auch wenn es zuweilen so erscheint, also ob sie sich nur im Kreise drehten.

Der Filmemacher Kai Wessel ("Hilde") inszenierte an den Kammerspielen die Momentaufnahmen von Krise und Veränderung im Berufs- und Ehe-Alltag klar, präzise und unterhaltsam mit einem fabelhaften, in den Typen passend und kontrastreich besetzten Schauspielerquartett. Es gab viel Beifall für seine Glanzleistung, vielleicht auch, weil Frayns 1984 uraufgeführtes, in London spielendes Stück durch Elbphilharmonie-Debakel, HafenCity-Projekt und das Gezerre um Abriss oder Sanierung des Gängeviertels ironisch aktuelle Hamburg-Bezüge gewinnt.

David soll ein Slumviertel an der Basuto Road in Süd-London in ein solides Wohngebiet verwandeln. Tonio Arango verleiht seinem eleganten Baumeister künstlerische Züge, zeigt ihn als egozentrischen Idealisten mit dem Kopf immer hoch in den Wolken. Doch Regeln, Umstände und Vorschriften veranlassen ihn schließlich - gegen seine Absicht und Überzeugung - Wolkenkratzer zu planen. Sein Nachbar, der Journalist Colin (schmallippiger Zyniker mit dem dünnen Langhaar alternativer Linker: Bernd Michael Lade) mutiert vom Freund zum Widersacher - und Hausbesetzer. Er verhindert mit Artikeln und einer Kampagne Davids Großprojekt, verschafft dessen Frau außerdem den Job bei einer Stiftung, die sich für Häusersanierung engagiert.

In der Architektenwohnung wird der Küchentisch zur Kampfzone (Ausstattung: Maren Christensen). Mit im Rivalen-Spiel sind auch die beiden Frauen. Die bodenständige, ihren Luftikus von Mann zunächst unterstützende Jane (Julia Jäger) trägt Jacke und Hosen. Sie ist der patente Kumpel für den Gatten und die Nachbarin Sheila, deren Haushalt sie ganz nebenbei noch besorgt. Pheline Roggan ("Soul Kitchen") spielt Colins weinerliches Mäuschen im rosafarbenen Fähnchen mit Blondzopf und Trippelschritt. Aber sie lässt auch deutlich spüren, dass sie nicht so willen- und hilflos ist, wie es scheint.

Frayn konstruierte - ähnlich wie ein Architekt - sein Stück mit den emotional ineinanderverstrickten Charakteren, den verschachtelten Szenen und Wohnungen klug und raffiniert auf mehreren Ebenen. Nur auf einer handelt es von Davids Bauvorhaben. Doch im Mittelpunkt des Spiels wie auch von Kai Wessels Inszenierung stehen die Beziehungen zwischen den vier Personen, ihre verschwiegenen Probleme und unausgelebten Wünsche.

"Ein anderes Leben ist genauso kompliziert wie das eigene", müssen David und Jane einsehen. Sind seine Absichten, den Stadtinteressen zu dienen, so lauter, wie er glaubt oder vorgibt? Geht es dem Karrieristen nicht auch um Anerkennung und Ruhm? Kümmert sich Jane nur altruistisch um die Dauerkrise von Sheila und Colin - obwohl sie den Kerl nicht leiden kann, wie sie später zugibt? Lenkt sie sich mit ihrer von Sheila scheinheilig bewunderten Fürsorge für die anderen von eigenen Konflikten und Zweifeln ab, die sie sich nicht eingestehen will? Sie jedenfalls geht (als Einzige?) aus der Krise gestärkt hervor. Eben eine toughe Frau.

Weder Frayn noch Wessel geben Antworten auf die Fragen. Ihnen dient Davids Bauprojekt als ein so amüsantes wie hintergründiges Exempel für die Unmöglichkeit der totalen Planbarkeit des Lebens: egal ob es sich nun im öffentlichen Raum um ein Riesenunternehmen wie die Elbphilharmonie handelt. Oder um die "kleineren" subjektiven Entwürfe für ein Glück zwischen den eigenen vier Wänden.

Wohltäter bis 6. Juni, Hamburger Kammerspiele, Karten unter Tel. 0800/413 34 40