Vor dem Dockville-Festival vom 13. bis 15. August, startet heute bereits die Ausstellung “Recreation“ mit spannender Freiluftkunst.

Hamburg. Das Ziel von Verwandlungen ist es oftmals, Be- und Verwunderung auszulösen. Die Metamorphose, die das Dockville durchläuft, ist deshalb umso bemerkenswerter, da sie direkt auf mehreren Ebenen stattfindet: Zum einen befindet sich Wilhelmsburg im Umbruch. Und mit dem Viertel auch das Gelände am Reiherstieg. Flächen, die 2007 noch bespielt wurden, sind inzwischen Baugrund. Und deshalb steht dort, wo 2009 noch der Backstage-Bereich zu finden war, vom 13. bis zum 15. August die zweite Bühne für Acts wie Delphic und Duné. Eine anstrengende Transformation.

Zum anderen ist die noch größere Wandlung, dass die Industriebrache nicht nur dank Mobilklos und Imbissständen zur Festival-Landschaft hochgebürstet wird, sondern dass zum vierten Mal ein Kunstparcours entsteht, der das Massenmusikspektakel um wichtige ästhetische und inhaltliche Komponenten bereichert. Und die Konzeption des Kunstprogramms hat ebenfalls eine Entwicklung erfahren - hin zum Professionellen. Die Dockville-Kuratorinnen Dorothee Halbrock, Laura Raber und Maren Pahnke haben mit der Choreografin Lucia Glass, dem "art"-Redakteur Alain Bieber sowie dem Medienkünstler Andreas Otto einen genreübergreifenden Beirat zusammengestellt.

+++ Kunst zwischen Dixie-Klo und Starkstromkabel +++

Dessen Entscheidung fiel auf 15 Installationen von rund 30 Künstlern, die ab dem 8. Juli zusammengearbeitet haben und ihre akustischen, skulpturalen, illuminierten, floralen, aquadynamischen Werke ab heute bis zum 8. August präsentieren. Losgelöst von der Dynamik der Großveranstaltung. Und doch wird die Festivalsituation durch das Motto "Recreation" stets mitgedacht.

Äußerst konkret greift der in Berlin lebende Olaf Nicolai das Konzertthema auf. Neben dem Deutschen Tino Sehgal, der erst auf dem Festival selbst seine Performance inszenieren wird, zählt der Wahl-Berliner zu den renommiertesten Künstlern auf dem Dockville. In seinem Beitrag transkribiert er ein Ölgemälde von Max Bill ins Dreidimensionale. Eine Skulptur, die erstmals außerhalb eines Museums erfahrbar ist und die Jazzdrummer Sven Kacirek heute ganz pragmatisch als Bühne einweiht.

Thomas Judisch, Meisterschüler in Dresden, hingegen reflektiert die Historie von Festivals: Seine Installation "Nur drei Schritte ins Paradies" besteht aus mit Schlamm gefüllten Becken. "Die Arbeit passt wie die Faust aufs Auge, wenn man allein an Woodstock denkt", erklärt Judisch. Der Matsch wird aber nicht bloß überhöht, sondern lädt auch zu einer Art Wellness-Happening ein. Wie praktisch, dass das "Institut für wahre Kunst" sein Werk "Ein kleiner Regen dämpft ein großes Gewitter" direkt nebenan platziert: 37 Duschen, die wie ein Orchester arrangiert sind. Und die mit Elbwasser gespeist werden.

Einen Dreh allgemeiner denken Brad Downey (USA) sowie der Deutschamerikaner Conrad Kürzdorfer. Beide befassen sich damit, wie sich Menschen im öffentlichen Raum bewegen. Und beide wollen gängige Routinen aufbrechen. Downey verstört, indem er zwischen alten Bootshallen, die nun mit DJ-Sets belebt werden, das Pflaster des Weges als Mauer hochklappt. Kürzdorfer installiert an der S-Bahn Wilhelmsburg sowie am Endpunkt des Dockville-Shuttles Bushaltestellen, die von den Besuchern selbst bepflanzt werden sollen. Eine Neudefinition des Urbanen. Und eine schöne Verwandlung.

Vernissage Dockville "Recreation" heute, 18.00 (Finissage: 8.8., 17.00), Festivalgelände (S Wilhelmsburg/Bus 152) Reiherstieg Hauptdeich, Eintritt frei, Führungen tgl. 19.30; www.msdockville.de