Auch andere europäische Konzerthäuser haben schwierige Phasen überstanden, woran bei einem Treffen der Chefs in Hamburg erinnert wurde.

Hamburg. Wenn knapp zwei Dutzend Chefs europäischer Konzerthäuser (ausschließlich Männer übrigens) zu einem Klassentreffen der European Concert Hall Organisation (ECHO) anreisen, darf man sich diese Tagung wohl wie die Autoquartett-Runden früher auf dem Schulhof vorstellen: meine Stars, meine Besucherzahlen, meine Programmideen. Da muss es dem Vorsitzenden dieses Klubs besonders am Ego knabbern, dass er zwar viele schöne Konzepte stricken kann, aber die Konzerthalle, als deren Leiter er engagiert wurde, immer noch eine skandalbehangene Baustelle mit unklarem Endpreis ist. Für Christoph Lieben-Seutter, den jetzigen Intendanten der zukünftigen Elbphilharmonie , ist dieser Zustand schmerzhaft, aber normal; einige seiner ECHO-Kollegen, die sich drei Tage lang in Hamburg trafen, haben diese Misere in ihren eigenen Spielstätten durchlitten. Und überstanden.

Das Londoner Barbican beispielsweise wurde in seiner Anfangszeit, den frühen 80ern, vom Amateur-Architekturkritiker Prince Charles noch als "Warze auf dem Gesicht der Stadt" beschimpft. Inzwischen ist das Kulturzentrum mit seinen Museen und Kinosälen ein Publikumsmagnet, das seinen Besuchern weit mehr bietet als klassische Konzerte am Abend. Von diesem Zustand noch weit entfernt ist die neue Philharmonie von Paris, die der Stararchitekt Jean Nouvel für die "Cité de la Musique" entworfen hat, mit der sich Präsident François Mitterrand in der Hauptstadt verewigte. Für die Akustik hat man (wie bei der Elbphilharmonie) Yasuhisa Toyota als Akustiker engagiert, um endlich eine Alternative zur höchstens mittelprächtigen Salle Pleyel zu haben. Die Philharmonie-Bauarbeiten haben begonnen, die Fundamente stehen, der Anfangspreis von 250 Millionen Euro ist allerdings schon überholt. Derzeit liegt er bei 330 Millionen Euro.

Eigentlich - ein gern genommenes Wort in diesen Konzerthaus-Geschichten, die sich so oft ähneln - sollte der spektakuläre Metallstapel, in dem sich ein Konzertsaal mit 2400 Plätzen verbirgt, in diesem Jahr eröffnet werden. Augenblicklich ist die Ansage: September 2014. Also noch vor der Elbphilharmonie mit ihren 2150 Plätzen im Großen Saal. "Wir sind derzeit im Kostenrahmen", betont Hugues de Saint Simon, mit einer kleinen Dosis Stolz in der Stimme. "Unsere Probleme sind momentan eher politischer Natur." Wie allerdings das Projekt sich weiterentwickelt und unter welcher Führung, das ist, kurz vor der Präsidentenwahl Anfang Mai, noch völlig unklar.

+++ Elbphilharmonie: Elbblick aus der Badewanne +++

Die Cité (ein Saal mit 1000 und einer mit 250 Plätzen, dazu ein Museum und eine Bibliothek) wird vom Kulturministerium finanziert, die Salle Pleyel zu 80 Prozent von der Cité und zu 20 Prozent von der Stadt Paris; die Philharmonie jeweils zu 50 Prozent von Ministerium und Stadt. Es wird wohl noch einiges Wasser die Seine hinunterfließen, bis dieses Prestigeprojekt realisiert ist und Normalität.

Weitab von den Trampelpfaden der Klassikstars ist man unterdessen klüger als in Hamburg oder Paris. Seit April 2005 hat die portugiesische Hafenstadt Porto einen futuristischen Konzertsaal, die von Rem Koolhaas entworfene Casa de Música (CdM). Dieses Gebäude, eine teilverglaste Kreuzung aus einem Kubus und einem Stealth-Bomber, entstand aus dem Ehrgeiz, im Dunstkreis des Ehrentitels "Europäische Kulturhauptstadt 2001" einen bleibenden Wert zu schaffen.

Was man dann auch tat - wobei sich aus den anfänglichen 35 Millionen ein Endpreis von 110 Millionen Euro entwickelte und die Eröffnung zwei Jahre später als geplant stattfand. "Alle waren schuld", bringt CdM-Hausherr António Jorge Pacheco die Misere mit gelassenem Fatalismus auf den Punkt. Die ständigen Wechsel bei den politisch Verantwortlichen, irgendwann war es nun mal so. Doch nun sei das Haus als Zeitungsthema von den Politik- auf die Kulturseiten gewandert.

Die CdM, die wie die Elbphilharmonie immer neue Funktionen erhielt, beherbergt einen eher klassisch gestalteten Saal für 1300 Besucher und kleinere, variable Räume. Die Betreiberstiftung finanziert auch die vier Haus-Ensembles, seit der Eröffnung hat sich Porto mit seinem neuen Renommierbau offenbar angefreundet. Die Karten sind günstig - als Spitzenpreis für Ausnahmefälle nennt Pacheco 35 Euro - und der Durchschnittsbesucher sei sowohl jung als auch aufgeschlossen und neugierig. Die Stadt hat gerade einmal rund 300 000 Einwohner, an klassischen Spielstätten herrschte kein Mangel. "Vier Jahre bis zur Eröffnung, das war nicht ideal", sagt er, "aber wir hatten dadurch auch mehr Zeit, um unsere Programmphilosophie zu vermitteln und zu entwickeln. Jetzt sind wir eine Musikstadt. Weil die Leute Musik mögen und in die Konzerte gehen." Seit der Eröffnung seien die Kartenverkaufszahlen kontinuierlich gestiegen.

Angesichts der wirtschaftlichen Probleme Portugals räumt er aber auch ein, dass ein solches Projekt heute und ohne Kulturhauptstadt-Rückenwind keinerlei Chance mehr hätte. Erst recht nicht, wenn sich dabei auch noch der Preis vervielfacht. Aber Pacheco ist selbstbewusst genug, um auch gegen dieses Argument einen Konter zu haben: "Wenn man sich die globale Wirtschaft ansieht, dann sind wir in der Kultur noch viel bessere Manager, als es sie in anderen Bereichen gibt." Und auf sein Konzerthaus bezogen, sagt er: "Das Warten hat sich gelohnt. Was wichtig ist: Es ist da, die Menschen sind stolz darauf und die Stadt ebenso. Das wird hier in Hamburg auch passieren."