Die Schau “Verlorene Moderne“ im Museum für Kunst und Gewerbe zeigt Objekte, die 1937 von den Nazis als “entartet“ entfernt wurden.

Hamburg. Diese Ausstellung kündet von mehr als nur von den ästhetischen Vorstellungen einer Epoche. Die 16 Objekte, die als "Berliner Skulpturenfund" seit Januar 2010 bundesweit für Furore sorgen, haben als Zeugen eines historischen Vorgangs gemeinsame Geschichte erlebt. Sie teilen Entdeckung, Verdammnis als "Entartete Kunst", Ausgeliefertsein im Zweiten Weltkrieg - und schließlich auch ihre spektakuläre Wiederentdeckung.

Unter dem Titel "Verlorene Moderne. Der Berliner Skulpturenfund" sind sie von diesem Sonntag an im Museum für Kunst und Gewerbe (MKG) zu sehen. Mit gutem Grund ist Hamburg erste Station nach der Schau im Neuen Museum Berlin. Fünf der Objekte stammen von hier. Sie sind eng verwoben mit dem Wirken Max Sauerlandts (1880-1934). Seit 1919 Direktor des Museums für Kunst und Gewerbe, nutzte er seine Position, um die expressionistische Kunst zu fördern. "Wir müssen Zeitgenössisches sammeln", sagte er. "Denn nur durch die Präsentationen der Gegenwartskunst im Museum erreichen diese die lebensnotwendige Aktualität, die Voraussetzung lebendiger, geistiger Gesellschaft ist." Was damals verpönt war und heute selbstverständlich ist, das Fördern junger, noch unbekannter Künstler durch Ausstellungen, Ankauf und Vermittlung an andere Privatsammler, zählte Sauerlandt zu den Kernaufgaben seines Amtes.

+++ Verschollene Skulpturen kehren nach Hamburg zurück +++

Doch schon 1933, unmittelbar nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten, wurde der engagierte Museumsmann beurlaubt. 1937 beschlagnahmten die Nazis in der Aktion "Entartete Kunst" insgesamt mehr als 16 000 Werke aus deutschen Museen, mehr als 210 allein aus dem Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe. Darunter die nun wiedergefundenen Skulpturen "Weibliche Büste" (entstanden vor 1931) von Naum Slutzky, eine "Stehende Gewandfigur" (1925) und ein "Stehender weiblicher Akt" von Gustav Heinrich Wolff, eine "Figur" von Richard Haizmann, ein "Kopf" (1925) von Otto Freundlich. Der Berliner Skulpturenfund versammelt weitere Objekte von Otto Baum, Karl Ehlers, Karl Knappe, Mark Moll, Karel Niestrath, Emy Roeder und Edwin Scharff aus anderen Museumshäusern.

2010 waren Grabungshelfer anlässlich der Ausgrabungen vor dem Roten Rathaus in Berlin auf Metall gestoßen. Mithilfe der Forschungsstelle für entartete Kunst wurden die Funde mühsam identifiziert. Der rote Terrakottakopf, Teil der Skulptur "Schwangere" von Emy Roeder, konnte schließlich eindeutig der Aktion "Entartete Kunst" zugeordnet werden.

Die Werke sollten damals Devisen bringend verkauft werden, weshalb einige in den Besitz von Kunsthändlern gelangten. Doch ein Großteil wurde in Berlin eingelagert. Offenbar nutzte das Reichspropagandaministerium hierfür auch die Königstraße 50, den jetzigen Fundort. Das Haus wurde im Spätsommer 1944 bei Bombenangriffen vollkommen zerstört. Die unter Schutt begrabenen Skulpturen lagen teilweise unter dicken Aschepaketen. Der Brand hat sicherlich auch Leinwände, Grafiken und Holzskulpturen für immer ausgelöscht.

Eine Million Besucher haben die Ausstellung im Neuen Museum auf der Berliner Museumsinsel gesehen. Nach dem Aufenthalt in Hamburg wird sie weitere Stationen im In- und Ausland bereisen. Mit dieser einmaligen Schau schließt sich nicht nur auf eindrucksvolle Weise der Kreis für die Fundstücke. Es ist, als erführen auch die damals verfemten Künstler eine späte angemessene Würdigung.

"Verlorene Moderne" Eröffnung So 22.4., 12.00, Ausstellung bis 23.9., Museum für Kunst und Gewerbe (Hbf.), Steintorplatz, Di-So 11.00-18.00, Do 11.00-21.00; www.mkg-hamburg.de

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