Ein spektakulärer Skulpturenfund aus Berlin

Der Grabungshelfer ahnte nichts Böses, als er im Januar 2010 vor dem Roten Rathaus in Berlin auf Metall stieß. Tatsächlich hatte er einen der aufsehenerregendsten archäologischen Funde der jüngsten Gegenwart entdeckt. In der Folge gab der Schutt etlicher kriegszerstörter Gebäude weitere expressionistische Skulpturen frei.

Inzwischen ist das Geheimnis der Herkunft gelüftet. Die Funde entstammen dem wohl dunkelsten Kapitel der deutschen Museumsgeschichte, der "Entarteten Kunst". 1937 beschlagnahmten die Nationalsozialisten mehr als 16 000 Kunstwerke der Moderne aus deutschen Museen. Einige von ihnen wurden in der zweifelhaften Wanderausstellung "Entartete Kunst" vorgeführt. "Doch ein großer Teil ist seinerzeit verkauft, verbrannt oder vergraben worden", erzählt Kuratorin Dr. Claudia Banz.

In Berlin stieß sie auf die Schau mit den Skulpturenfunden im Neuen Museum. Wie sich herausstellte, befand sich in dem 1944 bei einem Bombenangriff der Alliierten zerstörten Gebäude an der Königstraße 50 ein bislang unbekanntes Depot des Reichspropagandaministeriums, das die beschlagnahmten Kunstwerke erfasste, verkaufte und lagerte. Von den dereinst wohl Hunderten Objekten sind 16 geborgen. Darunter befinden sich auch Werke, die Max Sauerlandt (1880-1934), zweiter Direktor des Museums für Kunst und Gewerbe von 1919 bis 1933, einst für die Sammlung des MKG zusammengetragen hatte.

Es sind Skulpturen von Otto Freundlich, Richard Haizmann, Naum Slutzky und Gustav Heinrich Wolff. Sauerlandt hatte sich stark für die expressionistische Kunst eingesetzt, sammelte Arbeiten von Malern wie Karl Schmitt-Rottluff, Ernst Nolde oder Ernst Ludwig Kirchner. Künstler, deren Werke heute ein Millionenpublikum begeistern.

In der Folge sah er sich massiven Anfeindungen ausgesetzt. 1933 wurde er zwangsbeurlaubt, erhielt Hausverbot. Später verlor er auch seinen Lehrstuhl an der Hamburger Universität und die kommissarische Leitung der Landeskunstschule. Er starb nur ein Jahr später. "Sein Fokus lag insbesondere auf dem Aspekt der Kunst", so Claudia Banz. "Damit begründete er auch das Selbstverständnis des Hauses als eines für Kunst und Gewerbe." Ab dem 22. April ist hier nun "Der Berliner Skulpturenfund" zu sehen.

Unter den gezeigten Arbeiten befinden sich Bronzen von Otto Baum, Karl Ehlers, Richard Haizmann, Karl Knappe, Marg Moll, Karel Niestrath, Edwin Scharff, Naum Slutzky und Gustav Heinrich Wolff sowie Keramikarbeiten von Otto Freundlich und Emy Roeder. Unter anderem wurde der Kopf von Emy Roeders Arbeit "Die Schwangere" gefunden, die im Juli 1937 Teil der Ausstellung "Entartete Kunst" in München war. Außerdem entdeckten die Archäologen die Skulpturen "Stehendes Mädchen" von Otto Baum. "Tänzerin" von Marg Moll, eine stehende Gewandfigur von Gustav Heinrich Wolff und Teile des "Kopfes" von Otto Freundlich. Auch eine weibliche Büste von Naum Slutzky ist darunter. Sie ist stark korrodiert, aber sonst unversehrt.

Am Fundort, an der Königstraße 50, stand dereinst ein mehrstöckiges Wohngebäude mit Ladengeschäften. 1945 war es bei einem Bombenangriff bis auf die Grundmauern abgebrannt. Allein die im Keller untergebrachten feuerfesten Skulpturen entgingen dem Feuertod. Es wird vermutet, dass bei dem Brand auch Leinwände, Grafiken und Holzskulpturen unwiederbringlich zerstört wurden.

Diese einzigartige Schau bringt nicht nur verschollene Werke der klassischen Moderne zurück ins Gedächtnis, sondern auch die von fast der Vergessenheit anheimgefallenen Künstlerpersönlichkeiten.

Und sie erzählt vom Engagement eines Museumsdirektors.

Der Berliner Skulpturenfund 22.4. bis 23.9., Museum für Kunst und Gewerbe, Steintorplatz, Di-So 11.00-18.00, Do 11.00-21.00