Im 21. Jahr alles auf Anfang: In seiner ersten Saison bringt der Leiter Nils Landgren das Festival JazzBaltica nach Timmendorfer Strand.

Timmendorfer Strand. Im 21. Jahr alles auf Anfang: Das Festival JazzBaltica, bislang scheinbar unauflöslich mit dem Namen Rainer Haarmann und dem in zutiefst ländlicher Umgebung gelegenen Landeskulturzentrum Salzau verbunden, zieht unter der Regie des neuen künstlerischen Leiters Nils Landgren in diesem Sommer vom Acker an den Strand, auf das Gelände der Evers-Werft im Ortsteil Niendorf von Timmendorfer Strand. Eine erste Ortsbesichtigung gestern im Anschluss an die Vorstellung des Programms führte in eine derzeit noch mit Sportbooten möblierte Halle, 25 mal 50 Meter groß und im Giebel 14,5 Meter hoch, die sich ab 29. Juni drei Tage lang in den Hauptspielort des Festivals verwandeln soll.

Dass Ort und Inhalt prima zusammenpassen, dafür verbürgt sich Nils Landgren: "Der Jazz ist doch auch so: roh und ein Riesengebäude." In einer benachbarten ehemaligen Tennishalle, die, altem Salzau-Sprachgebrauch folgend, von Landgren "kleine Scheune" genannt wurde, der Werft aber ebenfalls als Bootsparkplatz dient, sind auf der "Night Stage" spätabendliche Konzerte geplant, umsonst und drinnen. Umsonst und draußen spielen das finnische Folk-Jazz-Duo Lepistö & Lehti und der ebenfalls finnische Pianist Iiro Rantala, "@ the beach" - im Freien und am Wasser.

Alles auf Anfang lautet auch Nils Landgrens programmatische Leitlinie. Wie einst vom damaligen Ministerpräsidenten Björn Engholm erträumt (und von Rainer Haarmann ins Leben gebracht), gibt das Festival nun wieder in erster Linie dem Jazz der Ostsee-Anrainerstaaten eine Bühne. Musiker aus Polen wie der Trompeter Tomasz Stanko oder der Geiger Adam Baldych kommen mit ihren Bands, die Finnen sind auch mit dem UMO Jazz Orchestra vertreten, der schwedische Trompeter Goran Kajfes, der mit der Band Oddjob bekannt wurde, präsentiert sein Subtropic Arkestra, und die dänische Percussion-Meisterin Marilyn Mazur bringt ihr neues All-Star-Quartett nach Niendorf.

+++ Nils Landgren ist neuer Leiter von JazzBaltica +++

Jazz made in Germany erfreut sich in diesem Jahr besonderer Berücksichtigung: Die NDR Bigband gastiert gleich doppelt (mit Stefano Bollani und Geir Lysne sowie mit dem Wolfgang Schlüter Quartett), der Bassist Dieter Ilg spielt sein Verdi-Projekt "Otello", und Festival-Einladungen an die Pianistin Clara Haverkamp und die Altsaxofonistin Nicole Johänngten belegen den fortgesetzten Willen zur Nachwuchs-Förderung. Weil der Generationenvertrag im Jazz immer ganz selbstverständlich funktioniert hat, holt Landgren den legendären Klarinettisten Rolf Kühn, 82, der 1949 seinen ersten West-Auftritt in Timmendorfer Strand hatte, 63 Jahre später an den Ostsee-Ferienort zurück: zu einer vielversprechenden Begegnung mit dem französischen Klarinettisten Louis Sclavis. Das diesmal ohne Leiter agierende JazzBaltica-Ensemble hat Landgren auf vielen Positionen umbesetzt. Neun der 14 Musiker sind Frauen, darunter die Hamburger Gitarristin Sandra Hempel.

Lag Salzau nahe Kiel, so liegt Niendorf nahe Lübeck. Manche fürchten, dass die Abkehr von der Landeshauptstadt Publikumseinbußen bringen könnte. Andererseits ist der neue Spielort für Hamburger Jazzliebhaber bequem auch als Tagesausflug zu erreichen - kaum eine Autostunde entfernt, und die Bahn hält auch in der Nähe. Kostenfreie Parkplätze für Festival-Besucher stünden bis zum Abwinken bereit, beteuern Vertreter der Gemeinde, die sich langfristig für JazzBaltica engagieren will und 75 000 Euro zum Etat dazugibt.