Die Autorin Jasmin Ramadan ist das erste Mal auf der Buchmesse. Das Abendblatt hat die Hamburger Newcomerin einen Tag lang begleitet.

Leipzig. Am Morgen, an dem die Leipziger Messehallen erstmals für die diesjährige Buchschau ihre Pforten öffnen, wird Jasmin Ramadan zunächst der Zutritt verwehrt. Sie hat ihr Ticket vergessen. Also zahlt sie 13 Euro Eintritt. Hätte sie ihr Buch aus der Tasche holen sollen mit dem Hinweis, sie sei ja wohl Autorin und folglich sowieso zugangsberechtigt? Soll Leute geben, die so etwas gnadenlos durchziehen, weil sie sich für wichtig halten.

Jasmin Ramadan, 38, wohnhaft in Ottensen, sagt: "Ich bin nicht zickig, sondern freundlich zu den Menschen." Sie sagt das leichthin, und man hat keinen Grund, daran zu zweifeln. Freundlichkeit ist eine Tugend, Freundlichkeit ist, in der Buchbranche, eine Kostbarkeit. Hier geht es viel um Eitelkeiten und Egos, und wer erst zwei Bücher veröffentlicht hat, die Achtungserfolge waren, aber keine Bestseller, der ist vielleicht noch im Stande der Unschuld: keine Ansprüche, kein Neid. Ramadan, Tochter einer Deutschen und eines Ägypters, ist zum ersten Mal auf der Leipziger Buchmesse. Ihr aktuelles Buch heißt "Das Schwein unter den Fischen" und ist ein amüsanter Unterhaltungsroman. Ramadan will auf der Messe das tun, was alle Autoren auf der Messe tun: Werbung für ihr Buch machen. Und obwohl sie vor zwei Jahren, als ihr Debütroman "Soul Kitchen" erschien, im Fahrwasser des Fatih-Akin-Films durchaus bekannt wurde, ist sie: eine Newcomerin.

Also quetscht sich die zierliche Frau durch die Menschenmassen in den Gängen der fünf Hallen. Sie ist ja nur eine von geschätzt 160 000 Besuchern, die bis einschließlich morgen in Leipzig erwartet werden. "Viele Schüler hier", sagt Jasmin Ramadan und geht seelenruhig weiter, sie ist keineswegs genervt. Eher neugierig. Ihr Terminplan ist nicht so voll wie der eines Literaturstars - sollte es solche denn wirklich geben. Ramadan hat ein paar Interviews und abends zwei Lesungen.

Aber jetzt befindet sie sich erst mal im Auge des Sturms. Auch wenn die Leipziger deutlich kleiner als die Frankfurter Buchmesse ist und im Vergleich geradezu als gemütlich gilt, ist das Gewese in den von Regalen und Büchern zugestellten Betonklötzen ziemlich überwältigend. Viele schleppen in Tragetaschen, die das Konterfei von Fernsehkritiker Denis Scheck ziert, Broschüren mit sich herum, und andere essen hastig im Laufen.

Das ist ungesund, gefällt Frau Ramadan aber: "Ich fühle mich hier gerade wie auf dem Dom." Was an dem Geruch nach Currywurst und nach Crêpe liegt, der hartnäckig in der Luft hängt. Ramadan ist, sagen wir es so: kulinarisch nicht uninteressiert. Zumindest schließt man das aus der Lektüre von "Das Schwein unter den Fischen", wo eine Imbissbude und ihr unentwegt Mettbrötchen spachtelnder Betreiber eine wichtige Rolle spielen.

+++Selbstfindung im Schatten der Imbissbude+++

Die Imbissbude, sagt Ramadan, "ist für mich etwas typisch Deutsches". Dazu könnte man jetzt viel sagen; die mehr oder weniger typisch "deutsch" aufgewachsene Hamburgerin sagt auch ein paar deutliche Worte zu Sarrazin, dann kommt das Gespräch aber schnell wieder auf die Literatur: Man kann hier ja nicht anders. In den heiligen Hallen des Buches schwirren die ungedruckten Worte; sie sind ungeschliffener als die gedruckten, die steif an den Stellwänden kleben. "Hast du das gelesen von Blumenbar", fragt jemand, der an einem Tresen lehnt.

Es ist mehr eine Feststellung, weshalb seine Stimme am Ende des Satzes nicht hoch geht. Denn natürlich wissen alle in der Branche, dass der viel bewunderte kleine Berliner Verlag nun vom ungleich größeren Aufbau-Verlag geschluckt wird. Blumenbar - eine sympathische literarische Unternehmung, die gegen die Macht der Zahlen am Ende nichts ausrichten konnte. "Das Schwein unter den Fischen" sollte ursprünglich 2011 bei Blumenbar erscheinen, doch dann gab es ein großes Durcheinander. Anscheinend ging es dem Verlag schon so schlecht, dass an eine Veröffentlichung nicht mehr zu denken war. Ramadan schüttelt sich beim Gedanken daran, und dann sagt sie: "Natürlich will ich reich werden."

Das kommt ihr unvermittelt und umso ehrlicher über die Lippen.

Jasmin Ramadan muss ihre Prosa nicht mehr einem uninteressierten Publikum andienen. Abends hat sie zwei Lesungen; bei der ersten in einem kleinen In-Café kündigt sie der Hamburger Literaturentertainer Sven Amtsberg, dessen Qualitäten als Moderator sich bis nach Leipzig herumgesprochen haben, als die Frau an, "die eigentlich Fatih Akin ist". Ramadan lacht kurz auf, als sie das hört, dann fängt sie an zu lesen. Die Leute lachen, ihr neuer Roman ist gespickt mit Pointen.

Die zünden auch eine halbe Stunde später in der Moritzbastei, wo sich an diesem Abend junge Autoren die Klinke in die Hand geben. Zeit für ein Vorgespräch mit dem Moderator, einem adrett gekleideten Brillenträger, bleibt nicht mehr, und so muss Ramadan spontan sein. Aufgeregt sei sie sowieso nie, sagt sie - weshalb sie nun routiniert die Fragen beantwortet. Dass sie nach 16 Semestern ihr Studium (Germanistik und Philosophie) abbrach und statt der Magisterarbeit ein Manuskript schrieb, das nie erschien, sorgt für Erheiterung. Der Moderator wünscht anschließend viel Spaß mit "Das Schwein unter den Fischen". Eigentlich sagt er: "Das Schwein unnder den Fischen", aber das fällt nur Hamburgern auf.

Auch die zweite Lesung absolviert sie mit Bravour. Danach ist Party, ihr Verlag, Tropen aus Stuttgart, lädt ein. Da sieht man dann alle die, die den Tag über Laudatios hielten, Interviews führten, Interviews gaben oder auf Podien saßen, zwanglos beieinander. Ramadan mittendrin: Beim Feiern sind alle gleich. So richtig zugehörig zum Betrieb fühlt sie sich nicht immer: "Manchmal bin ich eher Beobachterin."

Am nächsten Tag hat sie wieder Interviews, "da muss ich fit sein". Bloß nicht allzu spät ins Bett, sonst leidet das Auftreten. Die Buchmesse ist schließlich kein Kindergeburtstag - weshalb Jasmin Ramadan ganz froh ist, wenn sie ihr Buch wieder einpacken und den Heimweg nach Ottensen antreten kann. Das Buch, auf dem eine schwarzhaarige Frau zu sehen ist, die viele für Jasmin Ramadan halten. "Das Mädchen auf dem Buch ist viel jünger, wahrscheinlich 17", stöhnt Ramadan. Sie hat jetzt Angst, dass alle sie für wahnsinnig narzisstisch halten wegen dieses Covers.

Aber ein bisschen, das gibt sie zu, schmeichelt ihr das Missverständnis auch. Ganz ohne Ego geht es nicht.