Tim Fischer gastierte an seinem Geburtstag mit seinem neuen Programm im St.-Pauli-Theater. Die nächste Vorstellung ist am 19. März.

Hamburg. St.-Pauli-Theater, Montagabend: Tim Fischer , der hier mit seinem neuen Kabarettprogramm "Satiriker sind keine Lyriker" gastiert, tritt auf - und wird vom Publikum volltönend mit "Happy birthday to you" begrüßt. Da muss der Sänger sichtlich schlucken vor Rührung.

Tim Fischer hat in Hamburg seit Jahren ein treues Publikum. Die kommen sogar, wenn er Ausflüge in entlegeneres Repertoire ankündigt. Wie jetzt mit dem Abend, den Gerhard Woyda, der inzwischen 87 Jahre alte Gründer des Stuttgarter Renitenztheaters, für ihn geschrieben und komponiert hat. Woyda ist kein Sprachkünstler und von Sehnsüchten durchglühter Poet wie der kürzlich gestorbene Georg Kreisler, Woydas Arbeiten sind Handwerk und kabarettistisches Tagesgeschäft, kraftvoll formuliert, zugespitzt, aber nach fünf, sechs Liedern nicht mehr besonders überraschend. Zwei, drei Strophen, ein eingängiger Refrain. Die Themen seiner bösen Miniaturen sind die der Fernsehnachrichten und Tageszeitungen dieser Tage: Atomkraft, Kindesmissbrauch, die Kopftücher der Musliminnen, die Hosenanzüge der Angela Merkel, Berlusconi, die Obszönität von Reichtum, die seltsamen Spielarten der Liebe, Guantánamo, Finanzkrise.

Tim Fischer ist es zu danken, dass die Figuren, die sich da so ihre Gedanken machen, scharf unterschieden gezeichnet und auf der Bühne lebendig werden. Er ist gieriger Investmentbanker, ist das vom Vater missbrauchte Kind, ist der Selbstmörder, der sehnsuchtsvoll seine Pistole besingt. Der erfahrene Chansonnier zeichnet das alles punktgenau mit sparsamen Gesten.

Musikalisch bewegt sich Woyda in anspruchsvolleren Sphären. Seine manchmal höchst vertrackt zu spielende Musik (am Flügel: der Komponist abwechselnd mit Rainer Bielfeldt) lebt aus Jazzklängen, spielt mit collagierten Tanzrhythmen, knüpft hörbar an die verfremdenden und aufrüttelnden Töne eines Hanns Eisler und eines Kurt Weill an. Das gibt seinen Liedern Kraft und ist wunderbar auf die Chansonstimme von Tim Fischer zugeschnitten, die ihre großen Stärken im authentischen, ungekünstelten Vortrag hat.

Bei seinen leider seltenen Ausflügen in die Abteilung tieferer Sinn und Unsinn entwickelt Gerhard Woyda poetische Qualitäten, die packen und berühren können. "Ich liebe menschenleere Straßen" tut das als melancholischer Seufzer, "Ich konnte dir nur eine Rose schenken" als hübsch altmodisches Liebeslied, "Wanderer zwischen den Welten" als Loblied auf ein Leben zwischen festgefügten Erwartungen. Großartige Pointen zündet der Song "Ich hasse Blumen", der genial den finalen Blumenstrauß zerpflückt sowie alle floral übertünchten Gesten und Sprachlosigkeiten gleich mit. Wie schade, dass ausgerechnet dieser Titel auf der CD zum Programm fehlt.

Nächste Vorstellung: "Tim Fischer - Satiriker sind keine Lyriker". Mo, 19.3., 20.00, St.-Pauli-Theater