Chansonnier Tim Fischer gibt sich ständig ein neues Image und lässt sich schwer festlegen – heute feiert er in Hamburg seinen 39. Geburtstag.

St.-Pauli-Theater. Zum Image von Tim Fischer gehört es, sich weder äußerlich noch inhaltlich auf ein bestimmtes Bild festlegen zu lassen. Er war der androgyne Knabe mit dem Leander-Damenbass, kokettierte lasziv als "Rinnsteinprinzessin" mit der Federboa. Er balancierte im hautengen Catsuit auf Pumps und wechselte ziemlich abrupt von schrillem Glamour zu eleganter Dezenz im Maßanzug. Doch egal in welchem Outfit der Sänger auftritt, welcher Diva er sich singend anverwandelt, das Chamäleon der Chansonkunst bleibt unverwechselbar Tim Fischer und sich treu im Mut, immer wieder etwas Neues zu wagen.

Der heutige Abend verspricht etwas Besonderes zu werden: Tim Fischer präsentiert nicht nur mit Gerhard Woyda und Rainer Bielfeldt am Klavier die Hamburg-Premiere seines neuen Programms "Satiriker sind keine Lyriker", sondern feiert auch den 39. Geburtstag. Fischer, der nun flott auf die Vierzig zugeht, ist sichtlich gereift. Er hat sich vom Delmenhorster "Baby Boy" - wie eines der frühen Programme hieß - zum verheirateten Mann (seine Liebe ist Kubaner) und facettenreichen Bühnenstar gemausert. Fischer stand für Werner Schroeter (mit Isabelle Huppert) und Leander Haußmann ("Herr Lehmann") vor der Kamera, ging mit Udo Lindenberg auf Tour und begeisterte in Georg Kreislers Musical "Adam Schaf hat Angst" im Berliner Ensemble und Schmidt-Theater.

Die Begegnung mit Georg Kreisler, dem satirischen Autor und Altmeister des Klavierkabaretts, markierte künstlerisch einen Wendepunkt in Fischers Karriere. Er hatte schon früh dessen Chansons mit dem zynischen Biss und galligen Humor im Repertoire, doch die persönliche Begegnung bescherte beiden Ausnahmekünstlern gemeinsame Arbeit und Aufmerksamkeit: Denn Kreisler inszenierte nicht nur die Hamburger "Adam Schaf"-Aufführung, er schrieb für Fischer zwei Jahre vor seinem Tod 2011 das Programm "Gnadenlose Abrechnung". Zwei verwandte Seelen hatten sich getroffen und inspiriert. "Er hat etwas sehr Junges und ich etwas sehr Altes", erklärte Fischer einmal das gemeinsame Verstehen über den großen Altersunterschied hinweg.

Der Abend wurde zum Triumph für den Senior wie für den Junior, der sich in Auftritt und Ton von ungewohnter Seite zeigte. So gedankenscharf und pur, ohne Pailletten-Chi-Chi, war Fischer bis dato noch nicht zu erleben gewesen. In seiner spitzbübischen Eleganz und fiebrigen Nervigkeit erinnerte er an den jungen Anthony Perkins, bestach jedoch vor allem durch Artikulationsschärfe, Musikalität und distanzierte Spottlust. Vom Freund und Lehrer Kreisler hat Fischer gelernt, auf der Bühne "das Schwere leicht, das Hässliche schön, das Unmögliche möglich und das Surreale real" werden zu lassen, wie er in seinem Nachruf schrieb.

Nun hat er in Gerhard Woyda einen weiteren Doyen der Satiriker-Zunft gefunden. Der beinahe 87-jährige Gründer des Renitenz-Theaters in Stuttgart gehörte zu den frühen Mentoren von Fischer und ließ ihn als "Zarah ohne Kleid" auftreten, als er noch so gut wie unbekannt und ein Geheimtipp in Hamburgs schwuler Subkultur war.

Dem seligen Kreisler ähnlich, ist der Komponist und Verseschmied als kluger Kopf und wacher Beobachter jung und kritisch geblieben: "Gerhard Woyda behandelt auf wunderbare Weise aktuelle Themen und vertont sie nostalgisch", schwärmt Fischer über seinen Satire-Nestor, der ihm das Programm auf den Leib geschrieben hat - hier kann er sein musikalisches wie schauspielerisches Talent ausspielen.

Allen Fans, die ihren "Glitter-Tim" lieben, sei jedoch versichert: Er bleibt an keinem Image lange kleben, gibt sich demnächst wieder einen unerwarteten Dreh. Sicherlich hat er den knallroten Diven-Lippenstift griffbereit im Spiegelschrank liegen, um ihn für eine glamouröse Kriegsbemalung zu zücken. Darin bleibt sich der frischgebackene Satiriker im feinen Zwirn treu.

Tim Fischer singt Gerhard Woyda: "Satiriker sind keine Lyriker" Mo 12.3. und Mo 19.3., jeweils 20.00, St.-Pauli-Theater (S Reeperbahn), Spielbudenplatz 29/30, Karten zu 16,80 bis 31,- unter T. 47 11 06 66; www.st-pauli-theater.de