Der “Tatort: Hinkebein“ aus Münster nimmt sich wenig Zeit für seinen Kriminalfall. Das kabbelnde Ermittlerduo steht am Sonntag im Vordergrund.

Hamburg. Der ARD-Krimi aus Münster ist der Glutamat-Eintopf unter den "Tatorten": Schmeckt immer gleich, auch wenn die Zutaten geringfügig variieren. Die kalauernden Schlagabtausche der ungleich gesinnten Protagonisten - hier Kommissar Thiel, der reizbare Underdog und Arbeiterklassekumpel mit Kapuzenpulli, dort der intellektuelle Snob Professor Börne - bilden dabei den dominierenden Geschmack, der Kriminalfall ist nicht mehr als das Salz in der Suppe. Kann man mögen, muss man nicht.

Der aktuelle Fall "Hinkebein" (Regie: Manfred Stelzer, Drehbuch: Stefan Cantz und Jan Hinter) wird all jenen Zuschauern gefallen, die nach dem Vorspann bereits darauf warten, dass Thiels Kifferpapi mit dem Taxi vorfährt und seinem Sohn irgendeinen Alt-68er-Spruch reindrückt. Tut er natürlich auch, irgendwann in der zweiten Hälfte des Films. Bis dahin ist eher schleppend eine Mordermittlung in die Gänge gekommen: Eine frühere Kripomitarbeiterin wird halb nackt ermordet aufgefunden, sie hinterlässt eine Tochter, die nicht sonderlich traurig ist über den Verlust. Eine "blöde Schlampe" sei die Mutter gewesen, so das Teeniemädchen, das ohnehin lieber beim Vater (Ole Puppe mit kleinem Proll-Schnäuzer) leben will. Der Typ von der Spurensicherung beschreibt sie als "heißen Feger, sah mehr nach Sitte aus als nach Mordkommission".

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Einzig Rechtsmediziner Börne, der sich die Dauerironiebereitschaft sonst nur schwer aus dem Gesicht wischen kann, wirkt geknickt. Kein Wunder, hat er doch einst einen Sardinienurlaub mit der Frau verbracht - und im Lauf dieses Sommers muss sein Kosename geboren worden sein, der geradezu lächerlich ist für diesen Prototyp des feinen Pinkels: Tiger. Eine Verbindung zwischen der ermordeten Katja Braun (Tanja Schleif) und Börne ist jedenfalls so unvorstellbar wie eine Liaison zwischen Jürgen Trittin und Victoria Beckham.

Brauns Tod weist Parallelen zu einem Fall auf, in dem sie selbst einmal ermittelt hat, auch das Familienumfeld sorgt für einen ganzen Haufen Verdächtiger. Kommissar Thiel, der stoisch seinen Job machen will, wird von einer Delegation russischer Polizeibeamten bei den Ermittlungen begleitet - was diesem Stoffel, anders als dem nach Selbstauskunft "kosmopolitisch geschmeidigen" Börne, natürlich sauer aufstößt; er knorzt noch übler gelaunt vor sich hin als sonst. Stimmt schon, das von Axel Prahl und Jan Josef Liefers gespielte, sich ständig kabbelnde Ermittlerduo hat einen gewissen Reiz, eine unverwechselbare Identität. Aber je mehr feiner austarierte Dialogkriege, desto weniger Handlungsspielraum für die eigentliche Mordermittlung. Es wundert nicht, dass einem beim Stichwort Münster-"Tatort" zuerst eine als Denkanstoß getarnte Beleidigung von Börne einfällt. Und erst nach langem Überlegen ein Fall. (jac)

"Tatort: Hinkebein " , Sonntag, 20.15 Uhr, ARD