Die gewaltige Wagner-Tetralogie unter Simone Young liegt nun vollständig auf CD vor - und auch das war ein gewaltiges Unterfangen.

Hamburg. Richard Wagners gewaltiger Opernzyklus "Der Ring des Nibelungen" , zwischen März 2008 und Oktober 2010 an der Hamburgischen Staatsoper geschmiedet von Simone Young und Regisseur Claus Guth, liegt inzwischen als Live-Mitschnitt auf vier CD-Boxen vor. Auch das war ein gewaltiges Unterfangen - die Bedürfnisse der Opernbühne zusammenzubringen mit denen einer stimmigen Tonaufnahme.

Für Aufnahme und Nachbearbeitung des Materials sorgte der NDR, der alle Premieren auch live auf NDR Kultur übertrug. In Abstimmung mit Morten Mikkelsen, dem technischen Produktionsleiter der Staatsoper, ließ NDR-Tonmeister Dirk Lüdemann im Orchestergraben und am Bühnenrand Mikrofone aufbauen und stattete die Sänger mit Mikroports aus, um den Klang auf 64 getrennten Kanälen aufzuzeichnen.

Bei jedem der vier Ring-Teile wurden Generalprobe, Premiere und eine weitere Vorstellung mitgeschnitten. In diesem Tonmaterial markierte Dirigentin Simone Young die besten Passagen, die dann zu einer Fassung zusammengefügt wurden. So wurde vieles korrigiert, was den Höreindruck bei den Aufführungen trübte: Patzer einzelner Instrumente, Intonationsschwächen, die Balance zwischen Stimmen und Orchester, ausgefallene Mikroports wie das von Christian Franz im "Siegfried", punktuelle Sänger-Schwächen. Der krankheitsbedingte Ausfall von Falk Struckmann als Wotan in der "Walküre"-Premiere wurde durch eine dritte Aufnahme kompensiert, in der Struckmann wieder bei Kräften war. Nur für die "Götterdämmerung"-CD mussten alle einmal nachsitzen - für einige Korrekturen, die das Live-Material nicht hergab. Das Ergebnis der Nachbearbeitung könnte man als optimierte Live-Aufnahme bezeichnen; sie ist natürlich weniger perfekt als eine reine Studioaufnahme, aber entschieden besser als die Premierenübertragung im Radio.

+++ Ohr-Ring +++

Die Philharmoniker spielen fein strukturiert und transparent, an manchen Stellen fast kammermusikalisch intim, was die aus Bayreuth gewohnte Klangwolke zugunsten tiefer Einblicke in Wagners Instrumentationskunst auflöst. Young musiziert kein forciertes Drama, sie blickt sehr nach innen.

Der Text ist fast immer gut verständlich - bei Wagner ein Muss. Die Mitglieder des Hamburger Ensembles singen fast durchweg auf hohem Niveau. Schwarzböse der Alberich von Wolfgang Koch, auch der Hagen von John Tomlinson, hinreißend Peter Galliards Mime im "Siegfried", viel packender noch als sein Loge im "Rheingold". Bewegend Deborah Humbles Erda, stimmlich überzeugend Falk Struckmanns Wotan und in der "Walküre" Stuart Skelton (Siegmund), Yvonne Naef (Sieglinde) und Mikhail Petrenko (Hunding).

Schwachstellen sind ausgerechnet die beiden ganz großen Rollen, der Siegfried von Christian Franz und die Brünnhilde von Deborah Polaski. Franz singt zuweilen extrem expressiv, was bei manchmal schleifenden Tonsprüngen gewöhnungsbedüftig ist, und er kann seine Strahlkraft nicht über die lange Strecke der "Götterdämmerung" retten. Deborah Polaski stützt sich auf lange Wagner-Erfahrung, singt aber doch hörbar angestrengt in den Höhen, mit zuweilen extensivem Tremolo. Da hinterlässt Catherine Foster, die wachgeküsste Brünnhilde im letzten "Siegfried"-Akt, den deutlich besseren Eindruck. Ihre besten Momente haben Franz und Polaski in den stimmlich eher zurückgenommenen Passagen, da können sie berühren und überzeugen.

Die Hamburger "Ring"-Aufnahme ist eine gut hörbare, solide Dokumentation dessen, was die Hamburgische Staatsoper unter Simone Young in ihren besten Momenten leisten kann.

Richard Wagner: "Das Rheingold", "Die Walküre", "Siegfried", "Götterdämmerung". Simone Young, Philharmoniker Hamburg, Oehms Classics. Nächste "Ring"-Vorstellungen an der Staatsoper: "Die Walküre", Sonntag, 4.3. 16.00 Uhr. "Siegfried", Mittwoch, 7.3., 16.00 Uhr. "Götterdämmerung", Sonntag, 11.3., 16.00 Uhr