Ein Kommentar von Joachim Mischke

Unter prestigeverwöhnten Bühnenkünstlern an Staatstheatern wie denen, von denen Hamburg drei hat, gibt es kaum ein schlimmeres Schimpfwort als "Stadttheater". Das müffelt nach Provinz und Gestümper.

Doch an diesem Wochenende gab's das genaue Gegenteil zu bestaunen. Nachdem der große, stolze Theaterdampfer Thalia seine Zelt-Revue "Vor uns die Sintflut" von Schorsch Kamerun mit einem Ausmaß an Sinnfreiheit versenken ließ, für den der Begriff des Fremdschämens noch zu harmlos ist, zeigte das tapfere, viel kleinere Theater Lübeck mit einer beeindruckenden "Götterdämmerung" das Ende eines Wagner-"Rings", der das Prinzip Stadttheater am besten demonstrierte.

Ein Haus glänzte, das mit viel guter Arbeit in drei Jahren seine Auslastung von 60 auf 84 Prozent erhöhen konnte. Das sich drei Preiserhöhungen und zwei Schließtage wöchentlich verordnen musste und über dem dennoch ein Damoklesschwert schwebt, weil Politiker ja viel lieber rechnen als nachdenken. Ein Haus, das Wagner- und Mann-Zyklen stemmt und für dessen Generalmusikdirektor es einen Beifall gab, der wohl nicht nur der musikalischen Leistung galt, sondern einer Haltung. Dafür braucht man keine großen Namen. Aber großeIdeen. In Lübecks Stadttheater hat man sie. Den Hamburger Staatstheatern, die neuerdings so gern auf Laien setzen, sollte das zu denken geben.