Die Konzerte sind schlecht besucht, außerdem fehlt es an Auftrittsmöglichkeiten und finanzieller Unterstützung. Das Genre stagniert.

Hamburg. An den Wänden seines Büros hängen Tourplakate von Sonny Rollins, Wayne Shorter und Herbie Hancock, auf seinem Schreibtisch stapeln sich Jazz-CDs, aus den Boxen tönt das Quartett des jungen Hamburger Saxofonisten Sebastian Gille . "Es gibt wahnsinnig viel guten Jazz von jungen Musikern", sagt Karsten Jahnke, "bloß veranstalten kann man sie nicht, weil nicht genug Publikum kommt." Jahnke muss es wissen, denn seit Jahrzehnten gehört er zu den wichtigen Konzertveranstaltern Deutschlands, und er ist einer der wenigen, die überhaupt noch Jazzkonzerte veranstalten. Meistens mit mäßigem Erfolg. Selbst Weltstars wie Rollins und Shorter spielen nicht vor ausverkauften Sälen, Jahnkes Reihe "Jazz Today", bei der er jeweils zwei junge Bands auf Tournee schickte, schrieb nicht ein einziges Mal schwarze Zahlen. "Das Publikum war bei allen sieben Tourneen begeistert, doch es kamen nicht genug Zuhörer."

Der Jazz ist in der Krise. Davon kann auch Gabriel Coburger ein Lied singen. Seit 1986 gehört der Saxofonist zur hiesigen Szene. Er hat in New York gelebt und musiziert, genießt einen erstklassigen Ruf als Instrumentalist und Bandleader, war erster Träger des Hamburger Jazzpreises. Seine Klasse als Musiker steht in krassem Missverhältnis zu seiner ökonomischen Situation. "Ich komme einigermaßen zurecht, aber es gibt immer mehr erstklassig ausgebildete Musiker, die für den Hut spielen", sagt er. Jeden Dienstag veranstaltet Coburger in der kleinen Bar 227 an der Max-Bauer-Allee Jazzkonzerte. Manchmal spielen die Bands vor zehn Zuhörern. "Wenn sie alle wegen der Musik kommen, macht es dennoch Spaß", sagt Coburger. Sein Idealismus und sein Glauben an die Kraft der Musik treiben ihn an, die sogenannte "Fat Jazz"-Reihe fortzuführen.

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Erklärungsversuche, warum der moderne Jazz wesentlich weniger Relevanz besitzt als noch in den 70er- und 80er-Jahren mit seinen großen Festivals, gibt es viele: Das Genre stagniert und hat sich seit den Grenzüberschreitungen afroamerikanischer Free-Jazz-Musiker in den 60er-Jahren nicht weiterentwickelt; es fehlt an Unterstützung einschlägiger Klubs und damit an Auftrittsmöglichkeiten; Radiosender haben den Jazz aus den Tages- in die späten Abendprogramme verbannt; der Coolness-Faktor des Jazz hat sich verflüchtigt; Jazz genießt kaum mediale Aufmerksamkeit; die Konzerte fangen zu spät an. Es scheint die Summe dieser Gründe zu sein, warum immer weniger Menschen Jazzkonzerte besuchen, Untersuchungen darüber gibt es nicht.

Die Situation in Hamburg ist ein gutes Beispiel für die schwierigen Bedingungen dieses immer mehr zur Nischenmusik verkommenen Genres. Nachdem das Stellwerk in Harburg als reiner Jazzklub aufgegeben hat, bleiben nur noch das Birdland in Eimsbüttel für modernen Jazz und der Cotton Club für Oldtime-Jazz. "Hamburg war eigentlich immer eine schlechte Stadt für Jazz", sagt Coburger, "obwohl die Stadt voll mit guten Solisten ist." Die sind in der Regel bei der NDR-Bigband angestellt, verdienen ihr Geld in den Bands von Ina Müller, Roger Cicero und anderen Stars des Pop-Entertainments, jobben beim "König der Löwen" oder überleben, in dem sie Unterricht geben. Obwohl es mit Elbjazz und Überjazz wieder zwei bemerkenswerte Festivals gibt, kann sich eine breite Szene kaum entwickeln, denn zwei Leuchtturm-Projekte schaffen keine ausreichende Basis.

In den Haushalt 2011/2012 hat die regierende SPD-Fraktion immerhin hineingeschrieben, dass "Jazz unbedingt zum Profil einer zukünftigen Musikstadt Hamburg gehört." Das Jazzbüro Hamburg wird als zentrale Anlaufstelle für Jazzmusiker gestärkt und der Etat von 49 000 auf 64 000 Euro erhöht, ebenso werden Jazzprogrammschienen, Konzertreihen und die Förderung der Jazzfestivals unterstützt.

130 000 Euro sind unter dem Titel "Musik/Jazzförderung" im Haushaltsplan festgeschrieben. Das ist weniger, als die Kulturbehörde im Jahr 2011 ausgegeben hat. Aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP geht hervor, dass im vergangenen Jahr zwölf Anträge an die Kulturbehörde positiv beschieden und insgesamt 157 157 Euro für Jazz zur Verfügung gestellt wurden. "Das ist dennoch eine Verbesserung, weil dieses Geld konkret in den Haushalt eingestellt ist", sagte Bürgerschaftsmitglied Andy Grote (SPD).

Eine Stadt wie Dortmund gibt im Vergleich 200 000 Euro als institutionelle Förderung für den Jazz aus, wie aus einem Zehn-Städte-Vergleich des Magazins "Jazzthing" hervorgeht. In der Rangliste der bewerteten Städte landet Hamburg auf Platz sieben. Die Spitzenpositionen belegen Berlin, Köln und Mannheim. Negativ schlagen bei den Bewertungskriterien für Hamburg vor allem die Arbeitsmöglichkeiten und die Ausbildung zu Buche. Der Studiengang Jazz an der Hochschule für Musik und Theater ist mit 27 Studienplätzen der kleinste in ganz Deutschland und lebt zum Teil von privaten Stiftungsprofessuren der Langner-Stiftung.

Doch auch eine großzügig ausgestattete Hochschule bietet keine Garantie, um später als Profi-Jazzer sein Geld zu verdienen. "Die Hochschulen sind voll, und die Abgänger landen oft als Musiklehrer, wenn sie Glück haben", hat Peter Brötzmann, legendärer Free-Jazz-Saxofonist, gerade in einem Interview mit dem "Jazzpodium" gesagt. Für Brötzmann ist das Wichtigste die Basisarbeit mit Klubs, in denen junge Musiker sich ausprobieren können.

Karsten Jahnke geht noch weiter: Er fordert Jazz-Erziehung bereits in der Schule: "Die Förderung greift allein nicht. Der Jazz braucht ein junges Publikum. Mit einem verbesserten Musikunterricht kann man langfristig vielleicht dafür sorgen, dass wieder mehr Zuschauer zu den Konzerten kommen."