Das Bürgerhaus Wilhelmsburg und Familie Weiss laden am 23. und 24. März zum “Elbinsel Gipsy Festival“ ein. Musik, Ausstellungen, Lesungen.

Wilhelmsburg. Das wird ein musikalischer Leckerbissen auf der Elbinsel Wilhelmsburg: Die in Wilhelmsburg ansässige Familie Weiss und das Bürgerhaus Wilhelmsburg laden ein zum "Elbinsel Gipsy Festival": am 23. und 24. März im Bürgerhaus. Zwei Tage lang werden die Sinti mit Musik, Ausstellungen, Lesungen und Informationen ihre Kultur präsentieren.

Katja Scheer vom Bürgerhaus Wilhelmsburg freut sich auf das Festival: "Interkultur zielt auf konkrete Beteiligungsprozesse aller in Wilhelmsburg lebenden Kulturkreise ab. Und Beteiligung heißt bei uns: mitdenken, mitgestalten, mitentscheiden." Dazu pflege das Bürgerhaus "lebendige Netzwerke im Stadtteil". "Wir holen die Schlüsselfiguren an einen Tisch und schaffen Strukturen, in denen die Menschen, die mit ihren diversen kulturellen Hintergründen in Wilhelmsburg leben sich austauschen: diskutieren, feiern, Musik, Theater und Kunst machen. Zusammen kommen, sich eine Meinung bilden und den Stadtteil gestalten", sagt Katja Scheer.

Mit dem "Elbinsel Gipsy Festival" wollen die Veranstalter zwei bedeutenden deutschen Sinti gedenken, die gegen Ende ihres Lebens ihre Lebensgeschichten erzählt und von befreundeten Autoren aufschreiben ließen: Der Berliner Otto Rosenberg und der Bremer Ewald Hanstein. Die beiden Autobiografien "Das Brennglas" und "Meine hundert Leben" dokumentieren auf eindrucksvolle Weise den Lebens- und Leidensweg deutscher Sinti in diesem Jahrhundert. Dafür erhielten beide Männer das Bundesverdienstkreuz.

Am Freitag, 23. März, um 20 Uhr eröffnet das Café Royal Salon Orchester das Festival.

Lag der Schwerpunkt anfänglich auf der Musik des legendären französischen Sinti-Gitarristen Django Reinhardt und dessen ebenso berühmten Quintett de Hot Club de France, dem "Gipsyswing", so wurde das Spektrum bald um ungarische Musik, Wiener Kaffeehaus und eigene Kompositionen erweitert. Ihre erste CD "KESA" wurde benannt nach dem Vorfahren der Familie Weiss, dem unter den Deutschen Sinti einst über alle Maßen geschätzten Geiger Carlos Weiss, genannt Kesa. Als Referenz an das frühere, gefeierte Carlos Weiss Orchester ist die Debüt-CD des Cafe Royal Salon Orchesters auch Zeugnis einer neuen Generation von Sinti-Musikern, die auf der alten, verehrten Tradition ihrer Väter aufbauen, um neue musikalische Wege zu gehen und einen eigenständigen Klang zu kreieren.

Um 22 Uhr spielt Romeo Franz. Er erlangte durch sein Geigenspiel internationalen Ruhm Die leisen Töne entwickelten sich zu seiner Stärke. Die Stammbesetzung, bis auf die Rhythmusgitarre, ist immer noch dieselbe wie zu Anfang seiner Karriere vor 20 Jahren. Mittlerweile spielen sie jedoch auch zahlreiche Eigenkompositionen. "Wir spielen der Musik wegen, die einen wichtigen Teil unseres Lebens darstellt, und der Freundschaft wegen - aus dem gleichen Grund!", sagt Romeo Franz.

Die Gitarrenwerkstatt Gitarrenbau Wichmann/May stellt am Sonnabend, 24. März, ab 15 Uhr ihre Django- Gitarren aus. Zu ihren Kunden zählen erstklassige Gipsy-Gitarristen wie Ismael Reinhardt, Robert Weiss und Kohe Reinhardt; auch der renommierte Gitarrenhändler Norman Ort stellt Gipsy-Gitarren und Zubehör. Um 16 Uhr startet eine Lesung und Diskussion über die aktuelle Situation der Sintis mit Petra Rosenberg und Ralf Lorenzen. Es gibt nur wenige niedergeschriebene Lebensgeschichten der deutschen Sinti. Die Sinti haben über die Jahrhunderte hinweg ihre Romanes-Sprache nur mündlich überliefert. Der deutschen Schriftsprache misstrauten sie, da in ihr meist Gesetze und Verordnungen erlassen wurden, die ihnen das Leben schwer gemacht haben.

"Diese Lesungen sind eine wichtige Ergänzung des musikalischen Programms, da sie einen vertieften Einblick in die Kultur der Roma und Sinti offenbaren und bei der Mehrheitsgesellschaft Verständnis dafür wecken, in welch ungeheurem Maße der Schatten des Völkermordes auf den Opfern und ihren Nachfahren lastet", sagt Kaja Scheer. "Für die Sinti und Roma selbst ist es wichtig, dass ihr Schicksal wahrgenommen wird und Teil der deutschen Erinnerungskultur ist."

Um 18 Uhr geht die Wawau Adler Group auf die Bühne. Wawau Adler hat als Neunjähriger die Gitarre für sich entdeckt. Die ersten Konzerte spielte er mit 13 Jahren. Bis zum 19. Lebensjahr widmete er sich dem Jazz Manouche oder "Gipsy-Swing" in der Tradition von Django Reinhardt - danach wandte er sich auch anderen Jazz- Richtungen zu wie Mainstream, Bebop, Jazzrock und Jazz-House.

Um 20 Uhr performt das Kako Weiss Ensemble. Im letzten Jahr hat der junge Ausnahmusiker erstmals seine Band einem großen Publikum vorgestellt. Um 22 Uhr heißt es Vorhang auf für das Melody Weiss Ensemble. Von einer Minute auf die andere, schafft Melody Weiss es mit ihrer Stimme und Hingabe das Publikum zur absoluten Konzentration zu führen. Melody Weiss entstammt der Musikerfamilie Weiss aus Wilhelmsburg. In der lebendigen Tradition der Manuschmusik aufgewachsen, beginnt sie nun als Sängerin ihren eigenen Weg zu suchen und zu gehen. "Schließt man die Augen, hört und erahnt man Erfahrungen ganzer Jahrzehnte und die Tradition von Jazz, Blues und Soul in ihrem Gesang. Öffnet man die Augen wieder sieht man eine sehr junge Frau vor sich, die - woher auch immer sie es nimmt - all dies in sich trägt", sagen die Veranstalter. "Das Wunderbare in der Musik, die Möglichkeit berührt zu sein und zu berühren - Melody Weiss hat die Gabe, dies zu transportieren."

Karten für das "Elbinsel Gipsy Festival" gibt es im Bürgerhaus Wilhelmsburg (Telefon: 040/75 20 170) oder unter www.buewi.de . Tagestickets kosten jeweils 17 Euro, im Vorverkauf und ermäßigt 15 Euro. Der Eintritt für beide Tage beträgt 30 Euro (25 Euro).