Der Berlinale-Wettbewerb neigt sich dem Ende – und damit auch das Spekulieren. Nina Hoss in “Barbara“ hat gute Chancen auf eine Bären-Trophäe.

Berlin. Im vergangenen Jahr war der Favorit eindeutig: "Nader und Simin", eine iranische Ehegeschichte, wurde früh als aussichtsreichster Anwärter für den Goldenen Bären gehandelt und gewann ihn am Ende auch. In diesem Jahr ist es ungleich schwerer, Prognosen abzugeben. Zwar sind im Wettbewerb der Berlinale ein paar äußerst renommierte Filmemacher vertreten, die Qualität der Filme ist gut, aber überragend ist sie nicht. Ausreißer nach unten gab es immer, ganz nach oben fehlen sie zwei Tage vor Abschluss dieses Wettbewerbs.

Gespannt sind Kritiker und Publikum vor allem noch auf den ungarischen Beitrag "Just The Wind" von Bence Fliegauf ("Womb"). In seinem Film erzählt er von rassistischen Übergriffen in Ungarn auf die Volksgruppe der Roma, bei denen in den Jahren 2008 und 2009 sechs Menschen starben. Angesichts des Rechtsrucks der ungarischen Regierung könnte die Jury unter Mike Leigh sich für diesen Film entscheiden, um ein Zeichen zu setzen. Keine Seltenheit bei der Berlinale , in der Vergangenheit hat die Jury mit ihren Preisen wiederholt gegen politische Systeme Stellung bezogen.

Weitgehende Einigkeit herrscht darüber, dass Christian Petzolds DDR-Geschichte "Barbara" der bisher beeindruckendste Film des Wettbewerbs ist. Die junge Ärztin Barbara, wieder einmal umwerfend von Petzolds Muse Nina Hoss gespielt, ist von der Berliner Charité in ein Provinzkrankenhaus strafversetzt worden, weil sie einen Ausreiseantrag gestellt hat. Petzold beschreibt den Terror des DDR-Systems mit Hausdurchsuchungen und entwürdigenden Leibesvisitationen durch die Stasi, doch Barbara hat sich einen Panzer zugelegt und erträgt die Drangsalierungen mit scheinbar kühlem Gleichmut. Bereits 2007 hat Nina Hoss für "Yella" einen Silbernen Bären als beste Darstellerin bekommen, auch 2012 gehört sie zu den Favoriten. Und vielleicht entscheidet sich die hochkarätig besetzte Jury (außer Leigh François Ozon, Anton Corbijn, Charlotte Gainsbourg, Jake Gyllenhaal, Barbara Sukowa, Asghar Farhadi und Boualem Sansal) für den deutschen Beitrag, was in der Vergangenheit nicht sehr häufig vorkam. Der letzte deutsche Gewinner war Fatih Akin 2004 mit "Gegen die Wand".

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Der Endspurt im Rennen um den Bären

US-Filme haben es ebenfalls immer schwer in Berlin, deshalb wird es wohl auch für Billy Bob Thorntons Familiengeschichte "Jayne Mansfield's Car" keine Trophäe geben. Trotz herausragender Schauspieler wie Robert Duvall und John Hurt und trotz der Finanzierung mit russischem Geld. Die Hollywood-Studios wollten diesen als Familiensaga getarnten Antikriegsfilm nicht produzieren. Vielleicht hat der philippinische Regisseur Brillante Mendoza mit seinem Geiseldrama "Captive" mehr Chancen, denn zu seinem Ensemble gehört die umwerfende Isabelle Huppert. Und die hat schon mit Ozon gearbeitet. Außenseiterchancen werden auch dem griechischen Beitrag "Meteora" von Spiros Stathoulopoulos eingeräumt, einer stillen Liebesgeschichte zwischen einem Mönch und einer Nonne. In Zeiten des Griechenland-Bashings hätte das natürlich auch Signalwirkung.

So wie "Barbara" als Favorit gilt, so sind die Fachleute sich auch einig, welcher der wirklich beste Film dieser 62. Berlinale ist: Der Politthriller "Shadow Dancer" von James Marsh erzählt von der Ausweglosigkeit des Nordirlandkonflikts - der Film läuft jedoch außer Konkurrenz.

Beobachtungen und Geschichten der Berlinale auf www.abendblatt.de/festival-blog