Ist das lustig? Ein Film über einen reichen Griesgram im Rollstuhl und einen armen Schlucker aus dem Gefängnis, der unfreiwillig dessen Pfleger wird?

Darf der das? Ein Querschnittsgelähmter sitzt im Rollstuhl und bittet seinen Pfleger um etwas Schokolade. Der geht auch auf ihn zu und erweckt den Anschein, als wolle er seinem Patienten, der schon erwartungsfroh den Mund öffnet, etwas abgeben. Aber dann grinst er nur und sagt: "Keine Arme, keine Schokolade."

Mit solch politisch reichlich unkorrektem schwarzen Humor geht der Film "Ziemlich beste Freunde" auf sein Publikum los.

Die Komödie bricht in Frankreich alle Kassenrekorde. Seit Anfang Dezember haben schon 16 Millionen Zuschauer bei unseren Nachbarn diesen Film gesehen, den die Zeitung "Libération" wegen seiner stürmischen Wirkung als "Tsunami" bezeichnet hat. Das ist ein bisschen dick aufgetragen, aber auch wenn der Film kein Natur-, sondern nur ein Kinophänomen ist - woran könnte das liegen?

So geht die (Film-)Geschichte: Philippe (François Cluzet) ist ein wohlhabender adeliger Pariser Architekt. Er hat alles, was er braucht, nur keine Gewalt mehr über seinen Körper. Seit einem Sturz beim Gleitschirmfliegen ist er vom Hals abwärts gelähmt. Wegen seiner permanent schlechten Laune hat er einen hohen Verschleiß an Pflegern. Als er gerade wieder einen neuen sucht, ist auch Driss (Omar Sy) unter den Bewerbern. Der junge Schwarze aus den armen Pariser Vororten, den Banlieues, ist aber eigentlich gar nicht an diesem Job interessiert. Gerade erst aus dem Gefängnis entlassen, braucht er eigentlich nur eine Unterschrift, damit ihm Arbeitslosenunterstützung bezahlt wird. Aber bei dem kurzen Gespräch mit Philippe tritt Driss so unverschämt und unkonventionell auf, dass er dessen Interesse weckt. Am Ende bekommt er die Stelle, die er gar nicht wollte.

+++Das Händchen der Franzosen für Kinokomödien+++

+++ Anschub fürs Leben +++

Aus dieser vertrackten Ausgangssituation holen die beiden komödienerfahrenen Regisseure Eric Toledano und Olivier Nakache eine Menge heraus. Seit einem Monat läuft der Film in den französischen Kinos und macht inzwischen sogar Jagd auf den Titel "erfolgreichster französischer Film aller Zeiten".

Den trägt seit drei Jahren "Willkommen bei den Sch'tis". Diese Komödie sahen 20 Millionen Zuschauer in den Kinos. Zum Vergleich: In Deutschland steht seit 1998 "Titanic" mit 18 Millionen Zuschauern an der Spitze. Die erfolgreichste einheimische Komödie ist immer noch "Der Schuh des Manitu" mit gerade mal knapp elf Millionen Besuchern.

Die zwei Hauptfiguren Philippe und Driss sind ein ungleiches Paar, ein "odd couple", wie es im Buche steht.

Cluzet, den man aus "Kleine wahre Lügen" kennt, spielt den Querschnittsgelähmten würde- und humorvoll ausschließlich mit Mimik und Sprache. Sy, der bereits zum dritten Mal mit dem Regie-Duo Nakache und Toledano zusammenarbeitet, überzeugt in einer ungemein physischen Interpretation seiner Rolle. Sein Driss leidet ganz bestimmt nicht unter einem Helfersyndrom und hat kein Mitleid mit dem Behinderten. Und genau das will dieser. Driss lernt zunächst nur widerwillig, was alles zu seinem Job gehört. Er muss Philippe behutsam in den Rollstuhl setzen, damit er nicht herausfällt, muss ihn duschen und ihm seine orthopädischen Stützstrümpfe überstreifen. Aber er lernt das und macht seine Sache gut. Seit Philippe den verhängnisvollen Unfall hatte, ist er nicht nur körperlich unbeweglich. Auch sein Alltag wird von starrer Routine beherrscht. Und die schüttelt Driss auf temperamentvoll-unwiderstehliche Weise durch. Zum Beispiel weigert er sich, Philippe mit seinem Rollstuhl in den Kastenwagen zu verfrachten, der dafür im Hof steht. Stattdessen interessiert er sich für den daneben geparkten Maserati, der unter einer Plane vor sich hin rostet. Den könne er leider nicht mehr benutzen, bedauert Philippe, er müsse pragmatisch denken. Aber das Motto "geht nicht" gibt's nicht für Driss. Kurz darauf jagen die beiden Geschwindigkeits-Junkies mit dem Coupé durch die Straßen.

Das Thema Tempo bleibt von Bedeutung, denn dem unfreiwilligen Helfer ist der elektrische Rollstuhl von Philippe viel zu lahm. Also lässt er ihn von einem Freund tunen.

Die ansteckende Lebensfreude, die der Film verbreitet, trägt entscheidend zu seinem überraschenden Erfolg bei. "Ziemlich beste Freunde" ist nicht nur ein Buddy-Movie - ein Film, in dem die Freundschaft im Vordergrund steht. Es geht auch nicht nur um den unverkrampften Umgang mit Behinderten und ihren Handicaps. Ganz direkt spricht Driss seinen Freund an, wie es bei ihm mit dem Sex sei. Da laufe nichts mehr, räumt Philippe ein, aber auch an seinen Ohren sei er leicht zu stimulieren. "Das heißt, wenn Sie rote Ohren haben, sind Sie erregt?", wundert sich Driss, der selbst stets ungehemmt auf Frauen zugeht. Philippe antwortet: "Manchmal sind sie morgens, wenn ich aufwache, sogar ein bisschen steif." Driss ist verblüfft: "Alle beide?" Die Komödie hat auch märchenhafte Züge. Der arme reiche Mann braucht den jungen Vorbestraften aus dem Problemstadtteil, um wieder eine Perspektive zu haben. Andererseits findet sich Driss plötzlich in einer Welt wieder, von der er vorher nur träumen konnte. Von Verwandten aus dem Senegal nach Frankreich geholt, war er das von seiner Stiefmutter ungeliebte Kind und wird von ihr auch aus der kleinen Wohnung geworfen, in der er mit vielen Geschwistern lebt. Bei Philippe hat er plötzlich große und noble eigene Räume und ein protziges Bad.

An diesen Szenen setzt aber auch Kritik an. Das Fachblatt "Variety" wirft dem Film einen "Onkel-Tom-Rassismus" vor. Driss, schreibt Jay Weissberg dort, sei nur eine Art tanzender Affe, der ihn an alle alten Stereotypen über Rasse und Klasse erinnere. Ein hartes und zu einseitiges Urteil, das die Weinstein-Brüder auch nicht davon abgehalten hat, sich schon mal die Rechte für ein US-Remake zu sichern.

"Ziemlich beste Freunde" trägt Züge des Pygmalion-Motivs. Nur dass der alte etablierte Tutor hier keine junge Frau an die hohe Kultur heranführt, sondern einen jungen Mann. Dabei geht es nie bierernst zu. Philippe lässt Driss ein Orchester zu seinem Geburtstag ein paar "Greatest Hits" vorspielen. Vieles kennt er nicht, aber eine der Melodien hat er schon mal in der Werbung gehört, eine andere erkennt er als Musik aus der telefonischen Warteschleife beim Pariser Arbeitsamt. Und wenn der Architekt seinen jungen Betreuer zum ersten Mal in eine Oper und eine Kunsthalle mitnimmt, bekommt der etablierte Kunstbetrieb ein paar schöne Seitenhiebe ab. Die Lerneffekte sind durchaus gegenseitig. So bringt Driss' Lieblingsmusik von Earth, Wind and Fire sogar Philippes steife Geburtstagsgäste zum Tanzen.

Im Original heißt der Film "Intouchables". Unberührbar, so die Übersetzung, sind letztlich beide Protagonisten. Der Titel zielt sowohl auf die lähmungsbedingte Gefühllosigkeit Philippes als auch auf den sozialen Außenseiterstatus von Driss. Das mag manchmal unrealistisch wirken, dabei orientiert sich der Film an der Realität.

Vorbild war das Schicksal von Philippe Pozzo die Borgo. Der Ex-Chef der Champagner-Firma Pommery ließ sich von dem Araber Abdel Sellou betreuen und erzählte den Regisseuren: "Wenn ich Abdel nicht begegnet wäre, wäre ich gestorben."

Der soziale Hintergrund spielt eine wichtige Rolle, denn die Freundschaft der Männer überbrückt soziale Gräben vom feinen Stadtteil Saint-Germain-des-Près zu den Banlieues. Staatspräsident Nicolas Sarkozy hatte noch im vergangenen Jahr nach den Unruhen dort ein besonders hartes Durchgreifen gegen Jugendbanden gefordert. Omar Sy kommt selbst aus einem dieser Viertel und empfindet für die dort spielenden Szenen Verantwortung: "Wenn ich schon davon rede, muss ich es ordentlich tun."

Nein, dieser Film hat eine ganz andere Botschaft als Sarkozy: Freundschaft kann die Kluft zwischen Generationen, Hautfarbe und sozialem Status überwinden. Solche Erkenntnisse kommen selten aus der Politik, und wenn doch, meist mit zu viel Pathos. Im Kino wirken sie märchenhaft, aber dem Film billigt man solche Risiken und Nebenwirkungen zu. Und angesichts der unvergleichlich raueren Realität sind solche Geschichten genau das, was wir manchmal hören und sehen wollen.