Der NDR startet am Mittwoch “Der Tatortreiniger“ mit Bjarne Mädel in der Hauptrolle - die beste Serie im deutschen Fernsehen seit Jahren.

Heiko Schotte steht an der Tür zum Badezimmer. Überall Blut, rote Schlieren auf weißen Kacheln. Es ist das Blut von Herrn Bohlke, der hier in seiner Hamburger Wohnung gewaltsam zuTode gekommen ist. "Ach du Scheiße", sagt Heiko Schotte, Schnauzbartträger, Raucher, HSV-Fan. "Da brauchste ja Gummistiefel für." Es sind seine ersten Sätze in der Serie "Der Tatortreiniger", die heute im NDR startet - und die schlichtweg die beste Serie ist, die das deutsche Fernsehen seit Jahren hervorgebracht hat. Denn "Der Tatortreiniger" ist nicht nur ungemein witzig und dabei ausgesprochen klug: Er wirkt leicht bei aller Tiefe. Oder tief bei aller Leichtigkeit.

Heiko Schotte, genannt Schotty, ist staatlich geprüfte Reinigungskraft und Angestellter der Gebäudereinigung Lausen GmbH. Er beseitigt die letzten Reste des Lebens. Mit Chemikalien, Schrubber und Putzlappen. "Mein Job fängt da an, wo sich andere Leute vor Entsetzen übergeben", sagt er.

Bjarne Mädel: So cool kann Strombergs "Ernie" sein

Der kleine Mann

Das ist sein Standardspruch, wenn er seinen Beruf erklären muss - und er muss es oft. Denn Schotty bleibt nie alleine am Tatort. Immer trifft er auf Angehörige oder Bekannte der kürzlich Verstorbenen. In der ersten Folge zum Beispiel auf Maja (Katharina Marie Schubert). Die will erst vom Ort des Verbrechens flüchten, weil sie Heiko Schotte für den Mörder hält, doch dann bleibt sie. "Ist Herr Bohlke tot?", fragt Maja. "Da geh ich mal von aus, Sie haben das Bad ja selbst gesehen."

Die beiden beginnen zu reden. Heiko Schotte erklärt ihr den Unterschied zwischen "Spusi" und "Spube", zwischen Spurensicherung und Spurenbeseitigung. Als Schotty erfährt, dass Maja eine Prostituierte ist, die Herrn Bohlke regelmäßig besucht hat, will er ihr für 80 Euro näherkommen. Aber dann entwickelt sich zwischen den beiden etwas viel Innigeres: ein Gespräch über die Gemeinsamkeiten und Unterschiede ihrer Berufe. Über Spaß und Ekel. Und über das Leben, über dessen Sinn und Vergänglichkeit. Auf dem Sofa des Ermordeten. Bei Sekt und Salzstangen. "Was Sie machen, ist nicht normal", sagt Schotte. "Und Sie putzen toten Leuten hinterher", antwortet Maja, "ist das vielleicht normal?" Der Verstorbene hat sein Leben lang Krawatten verkauft, an der Wand hängt eine Urkunde über 25 Jahre Betriebszugehörigkeit bei einem Herrenausstatter. "Wie man so was aushält", sagt Schotty, "das weiß ich auch nicht."

"Der Tatortreiniger" lebt vor allem durch die Figur des Heiko Schotte. Gespielt wird er von Bjarne Mädel, vielen in Erinnerung als Ensemblemitglied am Schauspielhaus Hamburg, manchen noch bekannt aus der Fernsehserie "Der kleine Mann", berühmt als Berthold "Ernie" Heisterkamp in vielen Folgen "Stromberg".

Bjarne Mädel gibt den Schotty als einfachen Mann, der stolz ist auf seinen Beruf. Er weiß, was er kann - "und das kann nicht jeder!" -, und er weiß, was er mag: Autos, Frauen, Fußball. Dabei ist er ein faszinierender und vielschichtiger Charakter. Nicht nur wegen all seiner Schrullen (sein Handy-Klingelton ist die "Tatort"-Melodie), sondern vor allem wegen der vielen Gegensätze, die Mädel ihm mitgibt. Schotty ist äußerst selbstbewusst, wirkt aber dabei oftmals unbeholfen. Manchmal fehlen ihm die einfachsten Wörter; dann wieder sagt er mit Leichtigkeit Sätze, die sich anhören wie bekannte Bonmots. "Dreck ist einfach Materie am falschen Platz." Zum Beispiel. Und über allem steht der Witz. "Alkohol ist keine Lösung", sagt Schotty mit ernstem Gesicht, als er Majas Wollmantel von einem Currywurstfleck reinigt. "Alkohol ist eine Löse! Das ist ein Riesenunterschied."

"Der Tatortreiniger" ist ein von seinen Schauspielern getragenes Kammerspiel. Alle Folgen spielen einzig und allein am Tatort - anders etwa als thematisch verwandte Kinofilme wie "Sunshine Cleaning" oder auch der Thriller "The Cleaner", die eine größere Bühne brauchen.

Die Welt von Heiko Schotte ist kleiner. Aber sie ist groß genug, um auf engstem Raum Geschichten zu erzählen über gutes und falsches Leben und über das, was davon übrig bleibt. Geschichten von Schriftstellern, die nicht trauern können. Oder von Psychiatern, die es als Erfolg ihrer Therapie verbuchen, dass sie von einer ansonsten so verschlossenen Patientin ermordet wurden.

Dabei vertraut die Serie auf die Kraft ihrer Dialoge und den Rhythmus ihrer mal schnellen, mal langsamen Erzählweise. Auf die Bilder, die Musik. Dem NDR, dem Studio Hamburg und Regisseur Arne Feldhusen, ebenfalls bei "Stromberg" aktiv, ist damit etwas Großartiges gelungen.

Leider gibt es nur vier Folgen. Schade. Potenzial für viele mehr wäre vorhanden. So ist jede Folge wie ein kleiner Abschied.

"Der Tatortreiniger" heute 22.25 Uhr und am 5.1. 22.30 Uhr, NDR