Der israelische Autor David Grossman erhält den bedeutenden Friedenspreis des Deutschen Buchhandel für seine Werke über den Nahen Osten.

Hamburg. Unter den vielen großen Schriftstellern, die Israel hat, ragen David Grossman und Amos Oz heraus. So weit, dass man beiden seit Jahren zutraut und wünscht, mit dem Nobelpreis ausgezeichnet zu werden. Einen bedeutenden Literaturpreis hat David Grossmann jetzt gewonnen: den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.

Man kann sich keinen geeigneteren Preisträger vorstellen, denn Grossman setzt sich seit Jahrzehnten auch in seinem in mehr als 30 Sprachen übersetzten Werk mit dem israelisch-palästinensischen Konflikt auseinander und für eine friedliche Lösung im Nahen Osten ein. Und das, obwohl er das größte vorstellbare persönliche Opfer gebracht hat. Sein Sohn Uri starb 20-jährig in den letzten Stunden des Libanon-Krieges 2006, als er versuchte, Soldaten eines getroffenen Panzers zu retten.

In der Begründung der Preisvergabe an Grossman heißt es unter anderem: "In seinen Romanen, Essays und Erzählungen versucht er, nicht nur die eigene, sondern immer auch die Haltung der jeweils Andersdenkenden zu verstehen und zu beschreiben. David Grossman gibt dem schwierigen Zusammenleben eine literarische Stimme, die in der Welt gehört wird." Erst im vergangenen Jahr erschien auf Deutsch Grossmans großartiger Roman "Eine Frau flieht vor einer Nachricht". Darin beschreibt der Autor, wie in Israel das Schicksal der Menschen unauflöslich mit Politik verbunden ist. Eine Frau geht auf Reisen, als ihr Sohn sich freiwillig zum Militär meldet. Sie möchte unauffindbar sein, für den Fall, dass ihr die Nachricht seines Todes überbracht werden sollte.

"Stichwort: Liebe" heißt ein anderer, herausragender Roman Grossmans, der sich mit dem modernen Israel ebenso befasst wie mit den nie verschwundenen Nachwirkungen des Holocaust. Es ist die Geschichte eines Jungen und seines Großvaters, der den Nazis entkommen konnte. "Ich bin in Jerusalem geboren und aufgewachsen, in einem Stadtteil und in einer Familie, wo die Menschen nicht einmal in der Lage waren, das Wort 'Deutschland' auch nur auszusprechen, und auch nicht den Begriff ,Shoah'", hat Grossman einmal zur Eröffnung eines Berliner Literaturfestivals gesagt. "Meine Generation, die Anfang der Fünfzigerjahre in Israel Geborenen, war von dichtem Schweigen umgeben. Nur in der Nacht schrien in unserem Viertel Menschen aus ihren Albträumen. Betraten wir ein Zimmer, in dem Erwachsene saßen und vom Krieg redeten, brachen die Gespräche unverzüglich ab. Doch hier und da schnappten wir Teile eines Satzes auf: 'Zum letzten Mal sah ich ihn in der Himmelstraße in Treblinka' - 'Sie hat in der ersten Selektion beide Kinder verloren ...' Vielleicht empfanden wir damals mehr als alles andere den Verlust des Glaubens an den Menschen, an seine Güte."

Grossmans Romane "Das Lächeln des Lammes" (1983), "Der Kindheitserfinder" (2003), seine Kinder- und Jugendbücher ("Zickzackkind", "Joram und der Zauberhut") machten ihn international bekannt. Den Durchbruch schaffte er mit den Reportagen "Der gelbe Wind" (1987).

Es folgten literarische Erzählbände, die viel beachteten Essay-Sammlungen "Diesen Krieg kann keiner gewinnen. Chronik eines angekündigten Friedens" (2003) und "Die Kraft zur Korrektur" (2008). Im Roman "Das Gedächtnis der Haut" (2005) geht es um Entfremdung und Eifersucht. Grossman beschreibt die Körperlichkeit und Sinnlichkeit, Begehren und Fremdheit mit Sätzen, die man in der Literatur kaum kennt. Auch "Sei du mir das Messer" (1999) ist ein Liebesroman, den man atemlos liest. Fast alle Werke David Grossmanns sind eigentlich auch Liebes- oder Familienromane. Der Autor findet stets eine ausgeklügelte und sinnliche Sprache für das Intime.

Künstlerisches Werk und pazifistisches Engagement sind bei Grossman nicht zu trennen. Für beide wurde er vielfach ausgezeichnet.