Zehn Euro Gage - am Abend: Hamburgs Jazz-Szene diskutierte im Rathaus auf Einladung der SPD über die schwierige Situation der Musiker.

Hamburg. In Berlin ist alles besser. Jedenfalls für Jazzmusiker. Der Schlagzeuger Björn Lücker legte den Finger bei einem Vergleich der Jazz-Szenen von Hamburg und Berlin gleich in eine ganze Reihe von offenen Wunden. Die Lebendigkeit der Szene in der Hauptstadt sei größer, ebenso die Akzeptanz beim Publikum. Internationale Jazzstars kämen in die Stadt und integrierten sich in die Szene wie der international geachtete Gitarrist Kurt Rosenwinkel, der momentan in Berlin lehrt. Die Musiker dort könnten sich einen Namen weit über die Stadt hinaus machen und seien in der Lage, von ihrer Kunst zu leben. In Hamburg dagegen fehle es an differenzierter Förderung und an Keimzellen für innovative Musik.

Lücker war Gast bei einem runden Tisch mit dem Thema Jazz, zu dem die SPD-Fraktion ins Rathaus geladen hatte. Zu diesem Treffen waren mehr Leute gekommen als zu vielen Konzerten in der Hansestadt: Musiker, Klubbetreiber, Veranstalter, Vertreter des NDR und der Hochschule für Musik und Theater. Mit dieser Initiative möchte die SPD zusammen mit der hiesigen Szene den Jazz aus seinem Nischendasein herausholen und erreichen, dass mehr Geld in die Förderung von Jazz-Projekten fließt. Gegenwärtig sind es 70 000 Euro im Jahr.

Philipp Steen, einer der herausragenden jungen Musiker der Hansestadt, monierte, dass gerade in kleinen, nicht etablierten Spielstätten die Polizei immer wieder Konzerte abbrechen würde, weil Nachbarn sich über Lärmbelästigung beschweren würden. "Hier werden wichtige Keimzellen zerstört", sagte der Bassist.

Engagierte Projekte wie die Reihen in der Ottenser Christianskiche, im Hafenbahnhof oder die von dem Saxofonist Gabriel Coburger initiierte Dienstags-Session in der Bar 227 würden nicht gefördert. Die Free-Jazz-Reihe "Echolot" in der Alfred-Schnittke-Akademie musste nach einem halben Jahr aufgeben.

Steen forderte auch finanzielle Unterstützung für größere Klubs wie das Birdland in Eimsbüttel und das Harburger Stellwerk, damit wenigstens dort vernünftige Gagen gezahlt werden können. Auch das wäre natürlich ein Anreiz, um Hamburg für Musiker aus anderen Städten oder Ländern als Spielort interessant zu machen.

Heiko Langanke, der in Harburg das Stellwerk betreibt, beschrieb sehr anschaulich die Selbstausbeutung von Musikern, die oftmals für zehn Euro Gage spielen würden. Am Abend, wohlgemerkt, nicht pro Stunde. "Niemand kann von so geringen Gagen leben", ergänzte Schlagzeuger Björn Lücker. "Es gibt eigentlich eine Menge großartige Musiker in dieser Stadt, doch irgendwann geht auch ihnen die Energie verloren, weil diese Profis andere Jobs annehmen müssen, um überleben zu können. Sie scheiden dann als kreativer Bestandteil einer künstlerischen Szene aus."

Systematische Hilfe für Musiker, die mit Jazz einen Beruf ausüben, forderte auch Stefan Gerdes. Der NDR-Jazzredakteur wies noch auf einen anderen Missstand hin: "Weil es an Geld für Werbung und Marketing fehlt, erfahren Jazz-Interessierte nichts von den spannenden Konzerten, die stattfinden." Dass ein Publikum für diese Musik vorhanden sei, zeigten die positiven Besucherzahlen des gerade zu Ende gegangenen ersten Hamburger Elbjazz-Festivals.

Wenig ermunternde Töne kamen auch von Buggy Braune, Pianist und Professor an der Hochschule für Musik und Theater. Von den etwa 1000 Studenten an der Hamburger Musikhochschule belegen nur 32 das Fach Jazz, prozentual gesehen rangiert Hamburg damit auf dem letzten Platz aller deutschen Musikhochschulen. "Den Studenten fehlen Reibeflächen und Perspektiven. Viele verlassen bereits nach kurzer Zeit wieder die Hochschule und wandern nach Berlin, München oder Köln ab", so Braune. Durch Unterstützung der Langner-Stiftung, die in Zukunft Professuren für Gesang und Perkussion bezahlt, soll die Anzahl der Studierenden auf 40 erhöht werden.

Die SPD-Abgeordneten hatten eine Menge an kritischen Punkten zu notieren, aber es kamen aus den Reihen der Betroffenen auch eine Reihe konkreter Vorschläge zur Verbesserung der Situation. Das Thema Jazz geht jetzt zur weiteren Beratung in den Kulturausschuss. Angesichts leerer Kassen ist die Erwartung der Jazz-Szene an große Zuwendungen allerdings nicht sonderlich hoch. Insofern wird der Abstand zu Berlin nicht so schnell aufzuholen sein.