Dirigent Marc Minkowski verschlankte die Johannes-Passion, Bariton Matthias Goerne und Sopran Mojica Erdmann gefielen mit edlem Klang.

Hamburg. Jahrzehntelang wurde bei Bachs Musik gern mit Musikermassen übertrieben, bis die Kontrapunktik verklumpte. Dass es auch anders gehen kann, sollten an diesem Wochenende zwei Konzerte demonstrieren.

Warum nicht konsequent gegensteuern, dachte sich der für Oha-Effekte bekannte Dirigent Marc Minkowski, und verschlankte die Johannes-Passion: Vier Solisten statt eines vierstimmigen Chores, dazu vier Spitzensolisten vom Alte-Musik-Fach, unterlegt mit seinen kleinen, extra feinen "Musiciens du Louvre Grenoble". Geht prima? Ging nicht ganz, musste man im Großen Saal der Laeiszhalle erleben, in dem die NDR-Reihe "Das Alte Werk" das Experiment ablaufen ließ. Für viel Spannung sorgte Minkowski, der Details und Wirkungen formte und vorantrieb. Die Rechnung ging nicht ganz auf, weil der Klangraum einen Hauch zu groß schien. Und ist ein Chor in diesem Kleinst-Format schon ein Chor - oder soll er noch wie eine gemischte Solisten-Gruppe klingen? Verdienst der Aufführung war es, dass diese Stilfrage gestellt, aber nicht ex cathedra beantwortet wurde.

Im Gegensatz zur dramatischen Dichte der Johannes-Passion standen einen Abend vorher andere Aspekte im Zentrum: Das Konzert in der Hauptkirche St. Katharinen setzte vor allem auf Abwechslung - und vereinte Arien mit konzertanter Violine zu einem bunt gemischten Allerlei, mit Einzelstücken aus verschiedenen Kantaten und der Matthäus-Passion.

Ein kontinuierlicher Spannungsbogen wollte sich da nicht so recht einstellen, auch wenn die Solisten nach kurzer Aufwärmphase sängerische Klasse zeigten: Bariton Matthias Goerne und Sopran Mojica Erdmann gefielen mit edlem Klang und organischer Sprachgestaltung. Heimlicher Haupt-Act war Stargeigerin Hilary Hahn, die zwölf Miniatur-Konzerte zu streichen hatte und dabei blitzsauber und musikalisch, aber auch eine Spur zu nüchtern spielte: Die Vorhalte im "Erbarme Dich" hätten noch expressiver seufzen dürfen. Wie wunderbar rhetorisch man die Musik artikulieren kann, demonstrierte die Continuo-Cellistin des Münchener Kammerorchesters, das unter Alexander Liebreich für manchen Hinhörer sorgte - wie in der entmaterialisiert dahinschwebenden Fassung der berühmten "Air".