Die besten Medienarbeiten des Jahres 2009 werden ab dem 13. März in den Deichtorhallen gezeigt.

Hamburg. Vielleicht liegt es an der Krise, die ja auch ein Umbruch ist. Jedenfalls haben die Juroren der Lead Awards in diesem Jahr 20 bis 25 Prozent mehr Arbeiten aus den Kategorien Zeitschriften, Anzeigen, Fotografie und Online für den renommierten Medienpreis nominiert als im Vorjahr. Zu sehen sind sie in der südlichen Deichtorhalle in der Ausstellung "VisiualLeader 2010", die heute Abend eröffnet wird. Zusätzliche Stellwände mussten eingezogen werden, um alle Exponate hängen zu können.

Es sind Arbeiten eines starken Medienjahrgangs, die in der Deichtorhalle gezeigt werden. Markus Peichl, der Vorsitzende der Lead Academy, die den Preis verleiht, hat drei große Trends ausgemacht, die - direkt oder indirekt - auf die Krise zurückzuführen sind:

Die Schere zwischen Zeitschriften, die sich Strecken mit hohem kreativen Anspruch leisten und Blättern, die dies nicht können, hat sich weiter geöffnet. Anstelle der Werbung bestimmen nun die Zeitschriften die Bildsprache der Printmedien. Und aus dem Gegeneinander von Print und Online ist ein Miteinander geworden.

"Bei den Nominierungen haben die Blätter von Großverlagen abgeräumt", sagt Peichl. Er nennt Titel wie "Vogue", "AD", "Stern", "Geo", "Spiegel", das "Zeit-" und das "SZ-Magazin". Weniger betuchte Redaktionen könnten in Krisenzeiten der Versuchung nicht widerstehen, sich kaufen zu lassen: "Viel Kreativität geht in Kooperationen mit Werbepartnern, in Advertorials und in bezahlte redaktionelle Inhalte." Einige dieser Blätter wurden von der Jury aus dem Wettbewerb genommen. "Statt auf bezahlte Inhalte zu bestehen, sollten Werbetreibende reguläre Anzeigen schalten", appelliert Peichl. "Sie müssen den freien Journalismus und Fotojournalismus respektieren. Tun sie es nicht, gibt es für ihre Werbung irgendwann keine Plattform mehr." Besonders unter Druck sei der "Mittelbau", also Blätter mit einer Auflage von 60 000 bis 150 000 Exemplaren. Er drohe zu verschwinden.

Ein ähnliches Phänomen beobachtet Peichl bei den prämierten Anzeigen. Hier dominiert zum einen Werbung für Luxusmarken wie Gucci, Chanel und Louis Vuitton, zum anderen Reklame für Billiganbieter wie Discount- oder Baumärkte. "Da ist die Werbung ein Spiegel der Gesellschaft", sagt er. "Es gibt nur noch ganz reich und ganz arm."

In der Anzeigenwerbung herrscht derzeit ein äußerst reduzierter Stil vor. Beispielhaft findet Peichl die Werbung für das iPhone, in der nur das Display des Handys mit seinen Apps zu sehen ist. "Das ist keine Werbung im klassischen Sinn, das ist ein Chart." Übernommen wurde dieser Stil von Titeln wie "brand eins" und "mare", was erstaunlich ist, weil bisher in Print die Werbung die Trends setzte.

Doch sie sieht Peichl in einer Identitätskrise: "Die Werbung weiß nicht mehr, wer sie ist, was sie soll und hat Angst vor der eigenen Courage." Denn klassische Print- und TV-Kampagnen funktionieren nicht mehr. Die Mitglieder einer stark segmentierten Gesellschaft müssen über alle Kanäle, gerade auch über Online-Medien, angesprochen werden.

Stecken aber nicht auch Zeitschriften angesichts des Vormarsches der Online-Medien in einer Identitätskrise? Peichl glaubt das nicht. "Das Geschäftsmodell Zeitschrift wird auch künftig funktionieren", sagt er. "Gute Artikel auf Papier werden immer Leser finden." Und als nach wie vor wichtiges Medium für die Verbreitung anspruchsvoller Fotografie sieht Peichl gerade deutsche Zeitschriften als Kämpfer "für das Schöne, für das Sinnliche und für den besonderen Blick."

Die Zeiten, da sich Print als Gegner von Online verstand, sind laut Markus Peichl ohnehin vorbei. Beide Medien vermischten sich. Er verweist darauf, dass "Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann unlängst für 100 Tage unter die Blogger ging und der ehemalige Spiegel-Online-Chef Mathias Müller von Blumencron nun als Chefredakteur des gedruckten "Spiegel" ein hervorragendes Blatt mache.

Einer der nominierten Online-Kandidaten dürfte die neue Partnerschaft beider Medien weiter vertiefen. Auf der Site Wikileaks können brisante Informationen wie etwa die Feldjäger-Berichte zum Kunduz-Bombardement anonym eingestellt werden. Die ersten Printmedien bedienen sich dort bereits.

Die Ausstellung "VisiualLeader 2010" ist vom 13. März bis zum 11. April in der südlichen Deichtorhalle täglich außer montags von 11 bis 18 Uhr zu sehen.

Die Leser des Abendblatts entscheiden über die Vergabe des Publikumspreises der Lead Awards. Bis zum 24. März wird jeden Tag ein nominiertes Bild an dieser Stelle vorgestellt. Alle zur Wahl stehenden Fotos - darunter auch das Bild von Pep Bonnet - sind ab Sonnabend unter abendblatt.de zu sehen. Dort kann dann auch abgestimmt werden.