Autor Georg Klein gewinnt den Leipziger Buchpreis, Helene Hegemann will Juristin werden, und der Messe-Chef läuft gegen eine Laterne.

Leipzig. Georg Klein heißt der Gewinner des diesjährigen Leipziger Buchpreises. Sein erst kürzlich erschienener "Roman unserer Kindheit" wurde von der siebenköpfigen Jury als wichtigster Frühjahrstitel in der Kategorie Belletristik ausgezeichnet. Der 56-jährige gebürtige Augsburger, der in Ostfriesland lebt, veröffentlichte vor zwölf Jahren seinen ersten Roman, "Libidissi", eine futuristische Schauergeschichte. Rowohlt-Verleger Alexander Fest hatte Klein, der lange für die Schublade geschrieben hatte, damals entdeckt. In seinem Element sei Georg Klein immer dann, wenn es um die subtile Entfaltung unheimlicher Vorgänge geht, hieß es gelegentlich über Klein. Und auch sein neuer Roman begibt sich wieder hinab in die Finsternis, diesmal in die Finsternis der Kindheit.

Am Vormittag hatten sich alle Nominierten - Anne Weber, Jan Faktor, Helene Hegemann und Lutz Seiler - sehr brav und mitteilsam dem Publikum vorgestellt. Hegemann, der der Vorwurf des Plagiats gemacht wird und deren Roman "Axolotl Roadkill" auch Wochen nach Erscheinen noch immer in den Zeitungen präsent ist, hatte überraschenderweise angekündigt, sie wolle nun Jura studieren.

Recht forsch hatte sich Georg Klein dargestellt und damit einige Zuhörer verwirrt. Kleins Prosa gilt als fabulierlustig, anspruchsvoll und nicht immer leicht zu konsumieren. Seine Fangemeinde ist bisher überschaubar. Insgeheim galt bei vielen wohl Lutz Seiler als Favorit.

Doch als Klein dann den Preis erhielt, bedankte er sich fast wie ein Oscar-Preisträger. "Ich danke den Romanlesern, der Jury, meiner Frau, meinen beiden Söhnen, dem Verlag und dem Verleger, meiner Lektorin und dem Einsatz des gesamten Verlags, ohne den das Buch nicht erschienen wäre", sagte er und dankte auch jenen, "die als Figuren in den Roman eingegangen sind, aber nicht mehr unter den Lebenden weilen. Es bedarf für den Roman auch der Gunst der Toten." Na also.

Der Preis für das beste Sachbuch wurde zuvor Ulrich Raulff für sein Werk "Kreis ohne Meister. Stefan Georges Nachleben" verliehen, der Übersetzerpreis ging an Ulrich Blumenbach, der sechs Jahre an David Foster Wallace' "Unendlicher Spaß" gearbeitet hatte. Alle ersten Preise sind mit 15 000 Euro dotiert. Die Jury, hieß es, habe 10 000 Seiten der nominierten Texte gelesen. 760 Bücher standen insgesamt zur Auswahl.

Buchmessendirektor Oliver Zille hatte ein wenig lädiert die mit Spannung erwartete Veranstaltung eröffnet. Sein Gesicht war gezeichnet. Beim Aussteigen aus dem Auto war er direkt gegen einen Laternenpfahl gelaufen. Pech, wenn man sich einmal im Jahr der großen Öffentlichkeit präsentiert und dann mehr auf sein Gesicht als auf sein Programm angesprochen wird. Aber auch lustig. In Leipzig betrachtet man ja das Buchgeschäft ein wenig gemütlicher als anderswo. Die Preise der Leipziger Messe wurden zum sechsten Mal vergeben, und wie immer fand die Verleihung am ersten Messetag statt.

Kleins Roman spielt mitten in der alten Bundesrepublik und handelt von einer Kindheit in einer süddeutschen Kleinstadt in den frühen 60er-Jahren. Er zeigt ein Aufwachsen zwischen amerikanischen Kasernen und einer Neubausiedlung. Gerade erst wechseln die Fotos von schwarz-weiß auf Farbe, und die Kinder können noch hemmungslos herumtoben, statt unter mütterlicher Dauerbeobachtung zu stehen. Aber diese Kindheit ist durchwuchert von Gespenstern der Vergangenheit, von Schrecken und Blut. Schon auf der ersten der 447 Seiten heißt es: "Es blutet und blutet". Verletzt hat sich der ältere Bruder des Erzählers. Es ist kein Sommeridyll, das Klein detailreich gestaltet, es gibt unheimliche Männer ohne Gesicht oder taubstumm, Kriegsinvaliden, und ein Kind aus der Siedlung wird getötet.

Ein Kritiker bezeichnete das Geschehen als "braunrote Brühe aus Staub, Blut und Gebein" als "schwülen Sommernachtstraum". Magie und Mythos spielte schon immer eine Rolle in Kleins Werken. Ebenso Grusel, Grausamkeit und jede Menge Metaphern. Vieles kann man in diesem Buch lesen, den Abenteuerroman, den Krimi, eine Liebesgeschichte oder auch Dämonen und Monstergeschichten. In jedem Falle wirke er "sinnlich ansteckend", so Jurymitglied Ina Hartwig in ihrer Laudatio, die das Buch "irre schön" findet.

Was wollen wir mehr? Weitere, andere sinnlich ansteckende Bücher finden. Die Messe ist ein guter Ort dafür.