Heute beginnt die Leipziger Buchmesse. In Deutschland wird mehr gelesen denn je. 400 Millionen Bücher wurden 2009 gekauft.

Hamburg. Der Neuanfang der Leipziger Buchmesse liegt 20 Jahre zurück, damals befestigte man die begehrten West-Bücher an Angelschnüren, damit sie nicht verschwanden. Zu DDR-Zeiten waren sie Ausstellungsstücke, die eifrige Leser gleich am Messestand lasen oder gar abschrieben. Heute besteht kein Mangel an Büchern, und wohl auch nicht an Lesern.

Denn in Deutschland wird mehr denn je gelesen. Auch wenn viel Zeit und Geld für Computer und Fernseher aufgebracht werden - die Deutschen haben 2009 noch mehr Bücher gekauft als 2008. Im Schnitt erwarb jeder Kunde elf Bücher und gab dafür rund 110 Euro aus, Schulbücher und Fachliteratur nicht mitgerechnet. 2009 gingen rund 400 Millionen Bücher über den realen oder den virtuellen Ladentisch im Internet, zwei Prozent mehr als 2008.

Gleichzeitig stieg auch die Zahl der Buchkäufer um zwei Prozent auf 36 Millionen. Knapp vier Milliarden Euro gaben Leser für Bücher aus, rund drei Prozent mehr als 2008.

Virtueller Heilsbringer der Branche sollen die elektronischen Lesegeräte sein - ganz besonders das iPad von Apple (s. rechts). Dass der Verkauf von eBooks sich in den USA 2009 im Vergleich zu 2008 verdreifacht haben soll, klingt gut - relativiert sich aber, wenn man weiß, dass es nur drei Prozent Marktanteil sind. In Deutschland soll er sich derzeit noch unterhalb von einem Prozent bewegen. Eine GfK-Studie von Ende 2008 prophezeit im Laufe der nächsten Jahre immerhin vier bis acht Prozent.

Dennoch läuten manche schon ein hektisches Rennen um Marktanteile ein. Michael Fuchs, Chef der Buchhandelskette Thalia, hat digitale Eigenproduktionen angekündigt. "Die Entwicklung auf Verlagsseite ist noch deutlich zu langsam."

Es gibt aber auch abwartende Gegenstimmen wie die von Peter Kraus vom Cleff, Kaufmännischer Geschäftsführer beim Rowohlt Verlag: "Die ökonomische Relevanz steht im krassen Gegensatz zur medialen Hysterie." Andererseits ist auch sein Verlag schon jetzt im Markt vertreten: Zehn Prozent der Bücher im Katalog sind als Download erhältlich.

Für Claudia Paul, Sprecherin vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels, ist das eBook "ein weiteres Trägermedium", das das Prinzip Buch vorantreibt. Ihr Kommentar zu den Verkaufszahlen: "Das Hörbuch hat sich auch hochgearbeitet."

Über den e-Erfolg werden auch die jungen Leser entscheiden, die "digital natives", die ein Leben ohne Internet nicht kennen. Die Generation der10- bis 19-Jährigen ist lesefreudig. Dazu trugen etwa "Harry Potter" oder das Liebeschaos der jugendlichen Bella und des Vampirs Edward in der "Bis(s)"-Reihe bei. Gemessen an allen Buchkäufern entfielen in den vergangenen fünf Jahren konstant vier Prozent der gekauften Menge auf diese Altersgruppe. Bei den 20- bis 29-Jährigen waren es elf Prozent. Die 30- bis 39-Jährigen hingegen geben zunehmend ihr Geld für Computerspiele oder Filme aus. Gehörten vor fünf Jahren noch 20 Prozent dieser Gruppe zu den Buchkäufern, waren es 2009 nur noch 16 Prozent. Fast ein Viertel aller gekauften Bücher wird verschenkt.

Die Leipziger Buchmesse, die morgen eröffnet wird und bis zum Sonntag läuft, trifft viele Interessen. "Wir sind von der Krise nicht so betroffen", sagt Buchmesse-Direktor Oliver Zille. Rund 2100 Aussteller aus 38 Ländern sind dabei, etwa so viele wie 2009.

Leipzig ist primär eine Entdeckermesse für junge deutschsprachige und mittel-, ost- und südosteuropäische Literatur. Nicht nur aus Tradition, sondern wegen des Geschäfts, wie Zille betont: "Der deutschsprachige Markt ist der größte Übersetzungsmarkt der Welt. Für Autoren aus diesen Ländern ist es wichtig, in Deutschland erfolgreich zu sein, um auch in Großbritannien, Frankreich oder Spanien anzukommen."

1500 haupt- und nebenberufliche Schriftsteller werden erwartet. Die Literaturnobelpreisträger Herta Müller und Günter Grass zählen dazu, auch Martin Walser und Axel Hacke sowie Jungautoren des Leipziger Literaturinstituts.

Eine Tendenz für den Belletristik-Markt des Frühjahrs: Bei vielen Autoren scheint es wieder um Paare zu gehen. Philip Roth, Arno Geiger, Anne Weber, Hans Joachim Schädlich oder Ulrike Draesner etwa beschreiben mehr oder weniger gelungene Paarbeziehungen. Aber was außer der Liebe beschäftigt alle Autoren dieser Welt? Der Tod ist das zweite große Thema. Hierzu hat Julian Barnes ein wunderbares Buch geschrieben. Und Philip Roth kann man ebenfalls dazuzählen. Am besten, Sie lesen selbst.