Regisseure wie Doris Dörrie und Andreas Dresen schätzen Gabriela Maria Schmeide, die auch auf der Bühne des Thalia-Theaters steht.

Berlin. Es gibt Frauen, die betreten einen Raum, und man weiß sofort: Schauspielerin. Man spürt es an jenem ganz speziellen Blick, der vermeintlich nach innen gerichtet ist, in Wahrheit aber ganz genau registriert, wer herübersieht. Manchmal reicht auch eine leichte Kopfbewegung, ein betont entschuldigendes "Ich bin privat hier, bitte nicht stören"-Wegducken. Wenn Gabriela Maria Schmeide die Tür aufstößt, schützend verhüllt in Winterjacke, Mütze und Fellstiefel, denkt man spontan: Ach, wie nett! Und dann: Wo hab ich die gleich noch gesehen?

"Die Leute glauben immer, sie kennen mich aus dem Yogakursus oder von der Supermarkttheke", sagt die Schauspielerin und lacht. Es gefällt ihr, als "eine aus dem Leben" wahrgenommen zu werden, nicht als "die vom Film". Ungünstig für den Grad der Berühmtheit, gut für das Publikum und Regisseure wie Andreas Dresen, der in Schmeide für seine dokumentarisch anmutenden Alltagsdramen wie "Die Polizistin" und "Halbe Treppe" das ideale Gesicht gefunden hat. Eben weil man ihr abnimmt, dass sie in Jogginghose den Müll rausträgt oder im Discounter einkauft. Beim Weinen läuft ihr auch mal der Rotz aus der Nase, wo andere Schauspielerinnen Kullertränchen verdrücken. "Sie kalkuliert nicht, ist nicht eitel, immer mit beiden Beinen auf der Erde, hat einen hinreißenden Humor. Gabi spielt mit ihrer ganzen Seele", lobt ihr Lieblingsregisseur Dresen sie.

Auf der Berlinale ist Gabriela Maria Schmeide gleich mit zwei Filmen vertreten: Die Hauptrolle in Doris Dörries schriller Kiez-Komödie "Die Friseuse", die am Donnerstag im Kino startet, hat ihr Drehbuchautorin Lala Stieler auf den Leib geschrieben; im Historienfilm "Henri 4" ist sie als Maria di Medici zu sehen. Möglich, dass sich die Sache mit dem Berühmtsein noch während des Festivals ändern wird - obwohl: Die 44-Jährige meidet öffentliche Auftritte, wann immer es geht, um rote Teppiche macht sie einen großen Bogen. Einladungen für Blitzlicht-Galas - Schmeide macht spitze Finger, als würde sie etwas sehr Ekliges, Glibberiges in der Hand halten - ignoriert sie, denn "ich treffe genug Kollegen, dafür brauche ich keine Glitzerverabredungen. Ich bin auch nicht so ein schillerndes Wesen, auf das jeder wartet."

Drei bedeutende Begegnungen gab es zuletzt im Leben von Gabriela Maria Schmeide: mit dem Thalia-Intendanten Joachim Lux, dem Oscar-nominierten Regisseur Michael Haneke und mit einem Fatsuit, einem gepolsterten Ganzkörperkostüm. Das trägt sie in Dörries neuem Film als korpulente Kathi König aus Berlin-Marzahn, die sich gern in knallpinke und froschgrüne Kleidung zwängt und Ohrklipps in Obstform anlegt. Kathi König hat alles im Übermaß: Gewicht, Klappe, Appetit und Tatendrang. Um sich morgens im Bett aufzurichten, braucht sie die Hilfe eines Springseils. Sie sagt Sätze wie: "Bin doch nicht dick, bin nur zu klein für meine Figur." Es ist nicht leicht, eine solche Figur mit Würde zu spielen - Gabriela Maria Schmeide gelingt es, obwohl Doris Dörrie alles dransetzt, die Frau als Leberwurstbrote verschlingende Lachnummer zu inszenieren. "Die Friseuse" reiht sich ein in jene Liste von Filmen, die man einzig aufgrund der Hauptdarstellerin empfehlen kann - das aber ganz unbedingt. Das Premierenpublikum im Friedrichstadtpalast war entzückt.

Michael Haneke überredete die in Bautzen aufgewachsene Schauspielerin in einem mehrstündigen Treffen, eine Rolle in seinem Drama "Das weiße Band" anzunehmen - auch wenn sie noch so klein sei. "Die Rolle ist ein Wurzn', aber ich will dich trotzdem dabeihaben", erklärte er ihr. Im fertigen Film wäre wohl jeder deutsche Schauspieler gern mit von der Partie gewesen wäre. Ein ähnlicher Ritterschlag war das Angebot von Intendant Lux, fest im Thalia-Ensemble zu spielen. Einen Tag Bedenkzeit erbat sie sich, danach war klar: Ich mache das. Eine glückliche Entscheidung? Unbedingt, sagt Schmeide - obwohl der Wechsel vom Schauspielhaus Bremen "ein Riesen-Lebenseinschnitt" gewesen sei. Dort begann sie als junge Frau, spielte noch die Kinderrollen, "und hier kommst du an und bist so alt, wie du bist. Du fängst bei null an, das sägt am Selbstbewusstsein, aber es ist auch eine Chance", sagt sie. "Wenn man sich kleiner fühlt, als man weiß, dass man ist, findet man oft zu neuer Kraft." Die beweist sie in dieser Spielzeit unter anderem in Jette Steckels "Woyzeck"-Inszenierung.

Sie hat eine kleine Wohnung in Hamburg bezogen, am Wochenende fährt sie heim nach Bremen zu Mann und Tochter. Wenn Gabriela Maria Schmeide drehfrei hat, ist sie gern in der Lausitz, wo sie herkommt, sie geht wandern, macht einen Abstecher an die Ostsee, verbringt Zeit mit ihrer Familie. Es gibt Wichtigeres im Leben als Berühmtsein.