Musikmarathon, Pingtan-Theater, Orchestrales und ein Ausschnitt aus einer Kunqu-Oper in der Laeiszhalle begeisterten das Hamburger Publikum.

Hamburg. Die Stücke trugen zwar so altertümlich-pittoreske Titel wie "Eine Mondnacht auf dem Frühlingsfluss", doch die wenigen Hörer, die sich am Sonnabend zum vierstündigen Musikmarathon der Shanghai-Festtage einfanden, erlebten weit mehr als akustisches Postkarten-Asien. Die sieben Musiker des Chinese Traditional Orchestras erwiesen sich allesamt als herausragende Solisten. Auf ihren alten Instrumenten realisierten sie ein Maß an Virtuosität und einen Reichtum an Ausdrucksmöglichkeiten, wie westliche Hörer dies sonst nur aus erstklassiger Konzertmusik kennen. Nicht nur durch sein Punk-Styling schmiss der Erhu-Spieler Zhao Lei dabei alle Vorstellungen über chinesische Traditionsmusiker über den Haufen. Was Zhao auf den zwei Saiten seiner archaischen Kniegeige zuwege brachte, wäre auch auf einer Stradivari eine großartige Leistung gewesen. Und das "Spirit of Chinese Calligraphy" der Zither-Virtuosin und Komponistin Luo Xiaci vereinte die Feinheit der traditionellen Guzheng-Kunst mit den Wagnissen neuer Musik und den Möglichkeiten einer modernen Konzertharfe.

Am Sonnabend spielten die Hamburger Symphoniker in der Laeiszhalle mit chinesischer Verstärkung Werke der jüngeren klassischen Musik Chinas. Den Auftakt machte Chen Musheng (Jahrgang 1971). Sein "Traum im Päonien Pavillon" verbindet Chinas alte Operntradition mit westlichen Klängen; Chen fordert das Orchester auch als Chor, und der Sänger Zhang Jun steuerte kurze Zitate aus der Kunqu-Oper bei. Ein Werk, das geschickt die Hörgewohnheiten von Ost und West verbindet, während seine Frühlingsfest-Ouvertüre am Ende wenig mehr als ein effektvoller China-Kracher war. Geradezu klischeehaft chinesisch war das Violinkonzert "Butterfly Lovers", das der tiefen romantischen Sehnsucht vieler Chinesen Rechnung trägt. Ungebrochen reproduziert es chinesische Volksmusik hart an der Grenze zum Kitsch. Sensationell der junge Geiger Huang Mengla, der mit einem Paganini-Caprice zeigte, dass er noch ganz andere Schwierigkeiten meistert. Der Abend lohnte dann vor allem wegen Tan Duns "Water Concerto" (2007) - der Komponist ließ es plätschern, quaken, tröpfeln und klatschen; Gongs wurden eingetaucht und veränderten Klang und Tonhöhe. Chinesische Melodiefetzen tauchen hier nur als verwaschene Zitate auf. Tan Dun setzt auf neue, im Konzertsaal nie gehörte Klänge. Ein Spaß fürs Orchester, eine Bereicherung für die Zuhörer.

Tradition pur dann am Sonntagmorgen bei den Pingtan-Geschichten im Teehaus an der Feldbrunnenstraße - eine Mischung aus Singsang und hochexpressiver Sprache. Und ein kleines Juwel für Kenner, dargeboten von Gao Jun und Lu Jinhua.

Die Shanghai-Festtage geben faszinierende Einblicke; der Kraftakt des Kulturaustauschs der Symphoniker mit Shanghai lohnt sich. Noch schöner wäre es, würde China seine Kultur nicht mit zweierlei Maß messen. Der systemkritische Autor Liao Yiwu darf derzeit nicht ausreisen. Wer in Hamburg lädt ihn ein?