Auch wenn er ungeschminkt ist: In Shanghai ist Zhang Jun bekannt wie ein bunter Hund. Er gilt als exzellenter Darsteller und Bewahrer des Kunqu.

Hamburg. "Hi, I'm Jeffrey", sagt der zierliche Mann mit dem halb rasierten Schädel. Über den Ohren stehen die Haare stoppelkurz, in der Mitte wächst ein Pferdeschwanz, zusammengehalten von einem gelben Haargummi. Den Rest der Konversation bestreitet Jeffrey lieber auf Chinesisch, denn eigentlich heißt er Zhang Jun, und Englisch kann er nicht so gut. Auf den Namen Jeffrey hat ihn seine Frau Jasmine getauft, aber sie ist nicht nach Hamburg mitgekommen. Dafür übersetzt Xiao, Flötenstudentin aus Nordchina und im ersten Semester ihres Studiums an der Musikhochschule. Zhang Jun ist einer der wichtigsten Mitwirkenden bei den "Shanghai-Festtagen", die die Hamburger Symphoniker in diesen Tagen veranstalten. Der Darsteller der Kunqu-Oper, von der außer Insidern hier noch niemand etwas gehört hat, ist 36 Jahre alt und zu Hause ein Star.

Die Winterjacke behält Jeffrey-Zhang bei unserem Gespräch an, denn es ist kalt im Brahmsfoyer der Laeiszhalle. Sein Kostüm ist noch auf dem Weg von China nach Hamburg, und mal eben schminken für den Zeitungsfotografen ist ganz unmöglich. Die Maske anzulegen dauert ungefähr zwei Stunden. Für die Bühne zurechtgemacht sieht Zhang dann aus wie auf dem Foto links: bildschön und exotisch.

Kunqu-Oper - gesprochen Kün-Dschü - gibt es seit etwa 600 Jahren. Die Pekingoper dagegen ist erst 200 Jahre alt. Kunqu kommt aus dem Süden Chinas, und weil man dort feiner und stiller ist als im Norden, erzählt Zhang, ist die Kunqu-Oper auch nicht so ein prächtig lärmendes Ereignis wie die Pekingoper. Das Stück des Shakespeare-Zeitgenossen Tang Xianzu, das Zhang am Sonntag in der Laeiszhalle aufführen wird, heißt "Der Päonien-Pavillon". Es besteht eigentlich aus 55 Szenen, jede Einzelne füllte einen Abend, was eine Aufführungsdauer von knapp zwei Monaten ergibt. Dagegen ist Wagners "Ring" das reinste Bonsaibäumchen des Musiktheaters. Zhang hat das Stück auf 90 Minuten einer geträumten Liebesgeschichte zwischen einem Mann und einer Frau (Zhane Ran) eingekürzt. Es gibt kein Bühnenbild, die Schauspieler müssen alles mit ihren Gesten gestalten: den Himmel, die Erde, die Sonne, eine Blume und haben es also buchstäblich in der Hand, ob das Publikum der Geschichte folgen kann. Fünf Instrumentalisten begleiten das Geschehen, wobei die Bambusflöte als Unisono-Begleiterin der Gesänge die Hauptrolle spielt.

In China gebe es derzeit etwa 500 Kunqu-Schauspieler und sieben Kunqu-Orchester, sagt Zhang. Trotz oder wegen ihrer antiken Stoffe sei diese Spielart besonders bei jungen und besser ausgebildeten Zuschauern sehr beliebt. Er selbst hält seit zehn Jahren regelmäßig Vorträge über Kunqu an den Hochschulen Chinas und sorgt so auch abseits der Bühne für die Verbreitung seiner Kunst, deren musikalische Wurzeln in der Volksmusik um die Zeit der Ming-Dynastie liegen. Das Gesamtrepertoire schätzt Zhang auf 2000 Opern. Die Großvatergeneration kannte noch 600 davon, die der Väter nur noch 300. Er selbst studierte während seiner zehnjährigen Ausbildung zum Kunqu-Schauspieler noch 150 Opern ein.

Während der Kulturrevolution war Kunqu selbstverständlich Teufelswerk. Aber der Pekingoper ging es kaum besser. Acht durften im Jahrzehnt des Schreckens und des Terrors zwischen 1966 und 1976 aufgeführt werden, und alle verherrlichten nur einen: den Großen Vorsitzenden Mao Tse-tung.

Sonntag, 19 Uhr, Laeiszhalle, Karten unter Telefon: 44 02 98 und an der Abendkasse