Das französische Kino beweist immer wieder: Über Beziehungen und das schönste Thema der Welt ist längst nicht alles gesagt.

Was den Deutschen die eigene Vergangenheit - Nationalsozialismus, RAF-Zeit, DDR - ist den Franzosen, ungleich leichter, die Liebe: Teil ihrer (auch klischeegewordenen) Identität. Zumindest im Kino.

Wohl jeder halbwegs renommierte französische Filmemacher hat seine Version über das Verliebtsein in unsteten Zeiten abgeliefert, von den Regisseuren der Nouvelle Vague bis zur Generation der Gegenwart. Herausgekommen sind in vielen Fällen intelligente Filme über die kleinen und großen Wünsche an das Leben, die sich ja selten so erfüllen, wie man es erhofft - was oft (rückblickend) ein großes Glück ist. Übersetzt in Kinostoff heißt das: nicht am Sujet, sondern am Blickwinkel entscheidet sich, ob wir uns im Komödien- oder Tragödiengenre befinden.

Dass das deutsche Kino von den Franzosen in beiderlei Hinsicht lernen kann, beweisen auch zwei Filme, die am Donnerstag im Kino starten: Die slapstickhafte Liebeskomödie "Auf der anderen Seite des Bettes" von Pascale Pouzadoux, die in Frankreich über zwei Millionen Menschen sahen, erzählt von einem ehrgeizigen Leistungsträger-Ehepaar, das in der Alltagsroutine der Ehe gefangen ist.

Vor lauter Multitasking und Familienoptimierungsplänen sind die einstigen Verliebten (gespielt von den Zuschauerlieblingen Dany Boon und Sophie Marceau) an einem Beziehungspunkt angelangt, an dem kein Reden mehr hilft, sondern nur noch radikale Gegenmittel. In diesem Fall ein Rollentausch: Er bügelt künftig, sie krempelt den Firmenvorstand um. Er fährt ihr rosafarbenes Auto, eine Art Barbiemobil, sie bekommt den Blackberry. Wer liebt, muss auch Opfer bringen.

Catherine Corsinis "Die Affäre" hingegen, der Titel legt es nahe, erzählt vom Zerbrechen einer Ehe. Die in Paris lebende britische Schauspielerin Kristin Scott Thomas spielt eine 40-jährige Arztgattin, die sich in einen Bauarbeiter, einen Angestellten ihres Mannes, verliebt und zunehmend die Kontrolle über ihr Leben verliert.

Die Räume und Landschaften im Film sind durchflutet von gleißendem Sonnenlicht, in den Herzen der Figuren sieht es düster aus. Manchmal (und exemplarisch in diesem Fall) ist Liebe nämlich nur eines: tragisch. Gefühle werden größtenteils über Blicke erzählt; jenen Blick etwa, der ein paar Sekunden zu lang auf dem braun gebrannten Oberarm verweilt. Scott Thomas ("Der englische Patient", "So viele Jahre liebe ich dich") legt als Suzanne in ihren Ausdruck so viel Sehnsucht, dass die Grenze zwischen Recht und Unrecht spätestens zu diesem Zeitpunkt verwischt.

"Die Affäre" zeigt, wie machtlos Menschen sein können: ihren eigenen Gefühlen gegenüber, familiären Verpflichtungen und finanziellen Umständen. Hinter dem, was auf dem Papier so profan "unüberbrückbare Differenzen" heißt, steckt ja meistens eine tragische, sehr persönliche Geschichte. Hier endet sie, ohne zu viel zu verraten, nicht gut. "Du hast nicht das Recht, alles kaputt zu machen", sagt Suzannes Mann (Yvan Attal) zu seiner Frau - aber da geht es, wie gesagt, schon lange nicht mehr um Recht und Unrecht. "Das ist das Schöne am französischen Kino", hat Kristin Scott Thomas gesagt, "es zeigt auch die Narben des Lebens."

Oft sind es im französischen Kino die Frauenfiguren, die im Mittelpunkt stehen, von "starken Frauen" spricht man mangels treffender Begriffe gern. François Ozons Erfolgsfilme "Swimmingpool" und "8 Frauen" und zuletzt die charmante Teenagerkomödie "LOL" bleiben auch ihretwegen im Gedächtnis: Charlotte Rampling, Ludivine Sagnier und Sophie Marceau. Im Mai startet das wunderbare Drama "Der Vater meiner Kinder" der jungen Regisseurin Mia Hansen-Love im Kino, das nach dem Selbstmord eines Familienvaters auf die Hinterbliebenen blickt: (Ex-)Ehefrau, Töchter, Arbeitskolleginnen. Näher dran an Frauen und ihren Gefühlen war lange kein Film mehr.

Ihr Sujet tragen die französischen Produktionen, ob Arthouse oder Mainstream, oft schon im Titel: "Ich habe sie geliebt", "Chanson d'amour" oder eben "Die Affäre" - in manchen ist die Liebe selbstzerstörerisch, in anderen abgründig oder einfach nur ein bisschen kitschig. Wie im wahren Leben. Besonders macht "Auf der anderen Seite des Bettes" und "Die Affäre" ihre individuelle Herangehensweise an das älteste Thema der Welt; ihr jeweiliger Versuch, dem Komplex Liebe einen neuen Aspekt abzuringen. Über Eheprobleme und Fremdgehen ist alles gesagt? Mitnichten. Vielleicht muss man mehr französische Filme gucken.

"Die Affäre" läuft im Holi und Koralle-Kino, "Auf der anderen Seite des Bettes" im Blankeneser und UCI Othmarschen.