Ein Französischer Filmemacher hat die Tonbandaufnahmen über die Psychoanalyse des Stars rekonstruiert.

Sie waren ein ungewöhnliches Paar: Marilyn Monroe, die Blondine mit den weltberühmten Kurven, die die Nase voll hatte von doofen Blondinenrollen. Ralph Greenson, der verständnisvolle Psychoanalytiker und Freudianer, der es sich zum Ziel gesetzt hatte, seine Patientin von ihrer großen Lebenstraurigkeit zu befreien. 30 Monate sollte die gemeinsame Zeit andauern, bis zu ihrem tragischen Tod am 5. August 1962.

Das Jahr 1960 hat gerade erst begonnen, als Marilyn Monroe den Telefonhörer zur Hand nimmt und Dr. Ralph Greenson in ihren Bungalow im Beverly Hills Hotel bestellt. Greenson findet eine verzweifelte junge Frau vor, vollgestopft mit Drogen und Medikamenten, angeblich wegen chronischer Schlaflosigkeit. Die Schauspielerin steckt mitten in den Dreharbeiten zu "Machen wir's in Liebe" mit Yves Montand, Regie führt George Cukor. Sie fühlt sich als Schauspielerin nicht ernst genommen, als Mensch sowieso nicht, in ihren Männergeschichten findet sie keinen Trost. "Die Männer schlafen neben Marilyn ein und wachen neben mir auf" - dieser berühmte Ausspruch bringt die Tragik ihrer Affären wohl am besten auf den Punkt, Yves Montand war in dieser Hinsicht nur einer von vielen. Kurz: Der Wahnsinn war über die Monroe hereingebrochen, die Dunkelheit hatte sich über sie gelegt wie eine schwere Decke.

Ihre Psychoanalyse bei Greenson, die immer mehr Zeit beansprucht und sich allmählich zu einer Sucht auswächst, bildet die Grundlage des Dokumentarfilms "Marilyns letzte Sitzung" von Patrick Jeudy, der - im Anschluss an die Komödie "Wie angelt man sich einen Millionär" - im Rahmen eines Arte-Themenabends gezeigt wird. Rekonstruiert sind diese Sitzungen aus Tonbandaufnahmen der Schauspielerin, die diese kurz vor ihrem Tod dem Psychiater übersandte - ein freundschaftlicher Dank, ein letzter Gruß. Es war der damalige Chef der medizinrechtlichen Abteilung der Staatsanwaltschaft, John W. Miner, der eine fast wörtliche Abschrift der Tonbänder erstellte und sie 2005 einem Reporter der "Los Angeles Times" zuspielte. Dieser ließ die Öffentlichkeit teilhaben.

Monroe philosophiert und plappert, sie nimmt kein Blatt vor den Mund, sagt, mit kaum verhehlter Koketterie in der Stimme, Sätze wie: "Ich hatte immer das Gefühl, dass ich eine Fälschung bin" und, mit einem Mal tieftraurig: "Ich will nicht verkauft werden wie ein Aphrodisiakum auf Zelluloid." Für Aufregung sorgte das Transskript der Tonaufnahmen vor allem deshalb, weil die Marilyn auf dem Band so gar nichts Suizidales an sich hatte - und somit den Spekulationen um den Autopsiebefund (Tod durch eine Überdosis von Schlafmitteln) erneut Nahrung verlieh. Um die Todesursache kreist auch Jeunets Film: Er fragt nicht, wer sie umgebracht hat, sondern was : der Sex, das Filmbusiness, die Psychoanalyse - oder alles zusammen?

Es ist eine seelische Selbstentblößung par excellence, die Marilyn Monroe praktiziert. Und natürlich ist es auch eine Selbstdarstellung, die Inszenierung der eigenen Person, wie sie sie ihr Leben lang betrieben hat. Sie redet von ihrer Liebe zu Clark Gable, den sie sich als Vater wünschte. Sie findet warmherzige, leicht mitleidige Worte für ihre Ex-Ehemänner, Baseballstar Joe DiMaggio und Dramatiker Arthur Miller. Sie erzählt, dass sie am glücklichsten war in Korea, 1954, als sie vor Tausenden von GI's der US-Armee auftrat und sang und dabei ein Kleid trug, in dem sie mehr nackt als angezogen aussah.

Der Film ist üppig unterlegt mit Bildern und Filmausschnitten, die längst kollektive Erinnerung sind: Marilyn Monroe, der im verflixten siebten Jahr auf dem Lüftungsschacht der weiße Rock hochfliegt und die als Sugar Kane in Billy Wilders "Manche mögen's heiß" (1959) ihre wohl beste Rolle spielte. Marilyn Monroe, die Diva, die lasziv "Happy Birthday, Mr. President" haucht. Auch weniger bekannte Fotografien der jungen brünetten Norma Jean Baker sind zu sehen, auf denen das Leben noch nicht seine Spuren hinterlassen hat und man noch nichts ahnt vom späteren Ausverkauf der Seele.

Dokumentation: Marilyns letzte Sitzung. So, 21.50 Uhr Arte