Nach Hausbau, Scheidungskrieg und Parteipolitik befasst sich der Hamburger Regisseur Dieter Wedel mit der Wirtschaftskrise.

Hamburg. Inmitten von livrierten Kellern, Gucci-Schönheiten und Kilodosen voller Kaviar macht der aufstrebende Immobilienmakler Andy Schroth (Devid Striesow) die Beobachtung: "Die Reichen sind irgendwie anders." Klar, stellt seine Frau lakonisch fest, "sie haben mehr Geld".

Dieser knappe Dialog und die dazugehörige Gartenpartyszene enthält - der Film ist noch keine zehn Minuten alt - bereits das gesamte Überthema von Dieter Wedels Hochstapler-Komödie "Gier": Der Traum der Zu-kurz-Gekommenen nach einem Stückchen schillernder Wirklichkeit, der gar nicht so weit entfernt scheint. Das Gefühl, ein wertvolleres Leben führen zu können, wenn die finanziellen Sorgen nicht wären. Und die sichere Erkenntnis, dass, wer Geld hat, den Takt vorgibt. Wedel beherrscht die Kunst, in wenigen Szenen das große Ganze zu erzählen. Seine Beobachtungen gehen über bloße Abbildungen hinaus, oft sind sie Miniaturen seiner ausufernden Geschichten, die in den fernsehüblichen 90 Minuten nicht zu fassen sind. Seit seinem Durchbruch mit "Einmal im Leben" (1972) über einen Hausbau, der zum Albtraum gerät, beschäftigt sich der Hamburger Regisseur und Autor mit dem, was uns alle angeht und wohl am schwersten in Unterhaltung zu übertragen ist: dem Leben selbst.

Im ZDF-Sechsteiler "Die Affäre Semmeling" (2002) hat er sich der Parteipolitik gewidmet - und gleichzeitig eine Betrachtung über das Älterwerden mitgeliefert; das Scheidungsdrama "Papa und Mama" (2005) ist eine Reflexion darüber, was eine glückliche Beziehung ausmacht. In all den Filmen ging es unterschwellig immer um eins: Geld. So gesehen ist "Gier" denn auch ein konsequenter Schritt in der wedelschen Karriere - und wird ausgelegt als aktueller Kommentar zur Wirtschaftskrise, der zeigt, dass Spielen und Zocken (und Verlieren) in der Natur des Menschen liegt. "Frei nach wahren Begebenheiten" heißt es im Vorspann.

"Reichtum ist wie Meerwasser: Je mehr man davon trinkt, desto durstiger wird man", sagt der Selfmademan und Anlagespezialist Dieter Glanz (Ulrich Tukur) anfangs breit lachend, als er noch nicht als Betrüger entlarvt ist und seine Anhänger sich an seinen Heilsversprechungen laben wie Fastende an der ersten Mahlzeit. Angelehnt ist die Glanz-Figur an den verurteilten Hochstapler Jürgen Harksen, der vermögende Privatanleger mit Renditeversprechungen von bis zu 1300 Prozent köderte. Wedel hat, wie es seiner Arbeitsweise entspricht, rund zwei Jahre für seinen Zweiteiler recherchiert, mit Betrügern (allen voran Harksen), Bankangestellten und Opfern gesprochen. Für "Die Affäre Semmeling" saß er bei Ministerpräsidenten, Steuerfahndern und Unternehmern. Nahe an der Realität bleiben, dramaturgische Kniffe und Verfremdungen sind unerlässlich, heißt seine Maxime.

Wedels Blick auf die Welt ist ein skeptischer, gleichwohl gerät die filmische Umsetzung überaus spielerisch; der Ton, den er anschlägt, ist voll beißender Ironie. Gerade reiche Menschen, plaudert der joviale Glanz in einer Szene aus, halten einen Scheck immer noch ein wenig fest, bevor sie ihn aus der Hand geben. So, als hätten sie Angst davor, ihn loszulassen. Je reicher, desto geiziger, auch davon erzählt "Gier". Genauso wie davon, wie sehr Geld zum Teil der Persönlichkeit wird. Dieter Wedel sagt uns in seinem Film auch, wie unsere Gesellschaft funktioniert.

Die ARD zeigt "Gier" Mittwoch, 21., und Donnerstag, 22. Januar, um 20.15 Uhr.