Die Verführung durch Geld - das ist das aktuelle Thema in Dieter Wedels neuem Fernsehfilm “Gier“. Im Interview spricht der Hamburger auch über Hochstapler.

Hamburg. Im Eingangsbereich von Dieter Wedels Haus hängen gerahmte Plakate seiner Fernseherfolge: "Der Schattenmann" und "Der große Bellheim". Im Wohnzimmer liegt weißer Teppichboden. "Lassen Sie die Schuhe ruhig an, das sieht sauberer aus, als es ist", sagt Wedels Lebensgefährtin Uschi Wolters. Wedel - schwarze Hose, schwarzes Hemd, schwarze Schuhe - lässt sich aufs Sofa fallen und schimpft erst mal eine Runde. Auf Politiker im Allgemeinen und die Politik in den Sendeanstalten im Besonderen. Es gibt wohl niemanden, der so schön schimpfen kann wie Wedel, mit Wut und Bauch und Witz in den Worten.

Abendblatt: Herr Wedel, ein Sprichwort sagt: Bei Geld hört die Freundschaft auf. Richtig?

Dieter Wedel: Das kann man beobachten, ja. Ich hatte heute eine Schauspielerin hier sitzen, die sich gerade scheiden lässt. Ich erinnere mich noch gut daran, wie begeistert sie von ihrem Mann gesprochen hat, als sie geheiratet und Kinder bekommen hat. Und heute erzählte sie mir, wie er sie unter Druck setzt, weil sie mehr verdient als er, und wie er Geld aus ihr herauspresst. Wenn nur annähernd stimmt, was sie erzählt, kriegt man schon Entsetzen vor seinen Mitmenschen.

Abendblatt: Haben Sie das persönlich schon erlebt?

Wedel: Nein, Gott sei Dank nicht. Ich habe mich nie über Geld definiert. Ich habe nie Erfolg mit der Höhe meines Kontostands gleichgesetzt. Dann hätte ich vielleicht jetzt ein bisschen mehr. Geld empfinde ich als notwendig, um angenehm leben zu können, vor allem aber nicht gezwungen zu sein, etwas in diesem Beruf zu machen, nur um den Lebensunterhalt zu sichern. Ich kann mir auch erlauben, Nein zu sagen.

Abendblatt: Sie haben gesagt, dass wir alle gierig sind. Meinten Sie: gierig nach Reichtum oder auch nach Anerkennung?

Wedel: Es ist sicherlich nicht nur die Gier nach Geld, die Menschen antreibt, sondern auch die Gier nach Liebe, nach einem erfüllteren Leben, nach Anerkennung, dem Bedürfnis, einer auserwählten Gruppe anzugehören. Wie Jünger. Nicht zufällig wirkt Ulrich Tukur im Film wie eine Art Sektenguru. Ich glaube, dass Hochstapler, Vermögensverwalter und auch der kleine Bankberater am Schalter sich häufig nicht anders verhalten als Heilsversprecher. Den Menschen schmeichelt das Gefühl, einer auserwählten Gruppe anzugehören, dem Magier nahe zu sein, und schon gehen sie Verführern auf den Leim.

Abendblatt: Kann man das vergleichen mit der Atmosphäre am Set?

Wedel: Wenn die Schauspieler sich um den Regisseur scharen und ihm aufmerksam zuhören, dann heißt das ja noch nicht, dass sie ihm auf den Leim gehen. Natürlich versuche ich, sie zu motivieren und sie zu ermutigen, in ihrem Spiel etwas zu riskieren und immer mehr von sich preiszugeben. Ich kann natürlich nicht versprechen, dass wir einen guten Film machen, ich kann nur vorgeben zu wissen, wo es langgeht. Aber so genau weiß das wohl keiner. Ich glaube, das wussten auch nicht Billy Wilder und nicht Hitchcock. Wir müssen uns auf das Risiko einlassen, uns in ein unbekanntes Gelände vorzutasten. Wenn wir immer nur da hingehen, wo wir schon waren, werden wir nichts Überraschendes mehr herstellen.

Abendblatt: Ursprünglich wollten Sie ja Schauspieler werden.

Wedel: An der Schauspielschule in Berlin, die ich neben meinem Studium an der Uni besucht habe, konnte ich meinen Mitschülern manchmal ganz gut helfen, wenn sie mit einer Rolle nicht zurande kamen. Aber wenn ich selber spielen und Gefühle zeigen soll, dann geniere ich mich und mache zu. Ich musste damals immer die Rollen der Liebhaber übernehmen, das war mir furchtbar peinlich. Auch heute fällt es mir noch schwer, vor anderen Gefühle zu zeigen. Es fällt mir leichter, in der Öffentlichkeit meinen Hund zu küssen als meine Frau. Das Maß an Exhibitionismus, das nun mal zur Schauspielerei gehört, fehlt mir. In der Öffentlichkeit habe ich auch ein Problem mit zu viel Nähe, ich mag es nicht, wenn andere mir zu sehr auf die Pelle rücken.

Abendblatt: Sie sind auch der Einzige in dieser Branche, der von allen gesiezt wird, oder?

Wedel: Ich finde das eine sehr schöne Eigenschaft unserer Sprache, dass man zwischen Du und Sie unterscheiden kann. Mit Heinz Hoenig, mit dem ich schon über 20 Filme gedreht habe, duze ich mich, Ulrich Tukur und ich nennen uns beim Vornamen, aber wir siezen uns. Alle anderen sagen "Herr Wedel" oder "Doc". Nach dem "Schattenmann" hat mir Mario Adorf bei einem Abendessen plötzlich das Du angeboten. Und hat gleich gezögert: "Vielleicht ist das ein Fehler, es hat doch mit dem 'Sie' bisher so gut geklappt." Immerhin hatten wir sehr erfolgreich beim ,,Großen Bellheim" und beim ,,Schattenmann" miteinander gearbeitet. Nach einem sehr anregenden Drehtag mit Dieter Pfaff, an dem er mir zu Beginn gleich erzählt hatte, wie er die Rolle spielen wolle, und dann ganz überrascht war, als ich ihm andere Möglichkeiten vorschlug, meinte er: "Du darfst Dieter zu mir sagen." Das ging für mich ungewohnt schnell, aber immerhin konnte ich mir seinen Vornamen gut merken.

Abendblatt: Herr Wedel, stimmt es eigentlich, dass Sie so jähzornig sind, wie viele sagen?

Wedel: Ich bin furchtbar jähzornig. Der Jähzorn kann mich fortschwemmen. Das habe ich zum ersten Mal mit 14 Jahren gemerkt. Da waren meine Klassenkameraden bei mir zu Besuch und wollten mit meiner elektrischen Eisenbahn spielen, während ich ein Stück proben wollte. Ich habe die angebrüllt. Aber obwohl die größer, stärker und in der Überzahl waren, haben sie mir sofort gehorcht. Da habe ich gedacht: Das hat Wirkung. Inzwischen versuche ich meinen Jähzorn zu kontrollieren und nur da einzusetzen, wo es nützlich ist.

Abendblatt: Wie machen Sie das?

Wedel: Im letzten Teil von "Gier" gibt es eine Szene, in der alle zusammen in ein wunderbares Lokal gehen, sehr heitere Stimmung. Während des Drehs machte ein Schauspieler eine Bemerkung, über die ich mich geärgert habe. Aber ich dachte: Halt den Mund, mach die Stimmung nicht kaputt! Später kippt die Szene, eine Frau geht mit dem Eispickel auf ihren Ehemann los. Kurz davor habe ich einen Anlass gesucht, um auf die Bemerkung zurückzukommen, und habe getobt. Ich habe noch viel beleidigter getan, als ich tatsächlich war, und habe eine eisige Stimmung verbreitet, das spürt man ganz deutlich in der Szene.

Abendblatt: Die Schauspieler nehmen solche Attacken nicht übel?

Wedel: Sie hassen mich natürlich in dem Moment, sie möchten mich umbringen, vor allem die Frauen. Die fühlen sich dann verraten, weil ich doch eben noch so nett zu ihnen war. Ich erinnere mich an Leslie Malton im "Bellheim". Die hatte sich mehrfach im Text verhaspelt und sagte: "Na ja, es ist ja auch die 15. Drehstunde." Da habe ich losgetobt. Ein "Stern"-Team war damals dabei und hat danach geschrieben, es sei, als würden Blitze eingeschlagen. Es ist hinterher eine der besten Szenen des Films geworden. Bei den Preisen, die Leslie Malton für ihre Rolle bekam, ist diese Szene immer wieder gezeigt worden. Wir tragen halt bei unserer Arbeit unsere Seele zu Markte. Alle sind unglaublich angespannt, die Nerven liegen blank.

Abendblatt: Sind gute Regisseure auch gute Menschenkenner?

Wedel: Ich weiß nicht, ob ich ein guter Menschenkenner bin. Ich versuche auch bei Gesprächen, die Menschen genau zu beobachten. Manchmal benutze ich auch eine Bemerkung, die ich zufällig bei einem Gespräch aufschnappe, nachher im Drehbuch. Noch mal Leslie Malton: Während des "Bellheim"-Drehs flirteten ein paar Teammitglieder während des Abendessens mit ihr. Irgendwann sagte sie mit unendlicher Verlorenheit in der Stimme: "Ach, wenn ich erst mal 40 bin, guckt doch keiner mehr von euch nach mir." Da lag so viel Lebensangst drin, und ich dachte nur: "Wow, was für ein Satz." Der wäre mir nie eingefallen. Ich habe noch in derselben Nacht eine Szene dazugeschrieben, in der dieser Satz vorkam. Mich interessiert bei den Recherchen auch, was meine Gesprächspartner verschweigen, wo Ausreden suchen. Menschen zu beobachten, hat mir schon immer Spaß gemacht.

Abendblatt: Erinnern Sie sich eigentlich noch an ihren früheren Bürokollegen Wolfgang Petersen?

Wedel: Wir saßen in einem Büro beim NDR in Wandsbek an zwei Schreibtischen uns gegenüber. Bei unserer ersten Begegnung erklärte mir Petersen gleich: Ich komme von der neu gegründeten Filmhochschule, will Spielfilme machen und werde mal nach Hollywood gehen. Und ich habe gesagt: Ich komme von der Uni und mich interessiert dieses neue Medium Fernsehen. Ich möchte mit meinen Geschichten zu den Leuten nach Hause kommen, wenn sie ganz bei sich sind, die Pantoffeln an den Füßen und das Bier auf dem Couchtisch - dann möchte ich denen ganz privat was erzählen.