Gemeinschaftsaktion von Abendblatt und Steinwayhaus: Junge Pianisten spielten auf dem Flügel des legendären Pianisten Vladimir Horowitz.

Hamburg. Einer hat es dem Idol fast gleichgetan: 1926 wurde ein junger Pianist als Einspringer für das Klavierkonzert von Tschaikowsky gefragt; es blieb ihm noch Zeit für ein Glas Milch und eine Rasur. Am Dienstagnachmittag erschien der 14-jährige Niklas Strauß verspätet zu seinem Auftritt, leicht verschwitzt im roten Polohemd. Setzte sich ans Klavier und spielte Frédéric Chopins Fantasie-Impromptu seelenruhig, souverän gestaltet und mit feinem Gespür für Zeit.

Der da einst seine Weltkarriere als Einspringer begann, in Hamburg übrigens, war der legendäre Pianist Vladimir Horowitz. Und es war Horowitz' Flügel, ein Steinway, an dem Niklas seinen Auftritt absolviert hat. Das Instrument, mit dem Horowitz durch die Welt gereist ist, war - wie berichtet - gerade zu Besuch im Steinway-Haus. Das Abendblatt und das Steinway-Haus hatten junge Pianisten eingeladen, bei einem von Abendblatt-Redakteur Tom R. Schulz moderierten Konzert auf dem Flügel zu spielen.

"Ich habe mich auf gut Glück beworben", erzählt Niklas, "aber dann nicht mehr in meine E-Mails geschaut." So entging ihm die Zusage. Erst nach einer telefonischen Nachfrage kurz vor Konzertbeginn holte der Vater den nichts ahnenden Sohn aus dem Bus. Die Klavierstunde musste ausfallen.

Vom Gymnasiasten bis zum gestandenen Konzertpianisten war alles vertreten unter den Teilnehmern, und so wurde dieser Nachmittag zu einem inspirierenden Werkstattkonzert. "Es ist eine schöne Gelegenheit. Horowitz war ein guter Klavierspieler", befand der elfjährige Sven Hummel, und Michael Lau (16) war "ziemlich aufgeregt": "Ich habe oft gehört, dass es sehr schwer sein soll, darauf zu spielen." Hubert Rutkowski wiederum, 28 Jahre alt, der an der Hamburger Musikhochschule bei Evgeni Koroliov ein Aufbaustudium absolviert, sah es als Experiment: "Der Flügel ist berühmt für seinen sanften und singenden gesanglichen Klang. Ich will herausfinden, wie viel Klang der Flügel und wie viel Horowitz gemacht hat."

Natürlich klang das Instrument bei den sieben Spielern jedes Mal anders. Ju Hwa Kim (25), Studentin am Konservatorium, variierte die Farben, fand bei zwei Debussy-"Images" zu gefassten Tönen und sagte hinterher strahlend: "Es klingt sehr klar und sauber." Ihr Kommilitone Mark Bessler (21) spielte die "Schwarze Messe" von Alexander Skrjabin, die auch Horowitz auf dem Flügel gespielt hat: "Der Anschlag ist so leichtgängig, man kann fantastisch leise spielen! Aber beim Forte kommt der Ton überraschend früh. Da muss man federn." Es ist sehr ungewöhnlich, dass eine Tastatur dem Spieler so wenig Widerstand entgegensetzt. Damit kamen die Beteiligten unterschiedlich zurecht. Manches klang, als plumpsten die Finger umstandslos bis auf den Grund.

Von technischen Schwierigkeiten ließ sich Annika Treutler, 19 Jahre junge, vielfach preisgekrönte Studentin an der Rostocker Musikhochschule, nichts anmerken. Chopins berühmtes Scherzo in b-Moll, das auch Horowitz auf diesem Flügel gespielt hat, nahm sie mit der Spontaneität und Nachdenklichkeit freier Rede und nutzte die dynamische Bandbreite des Instruments: "Ich habe beim Spielen wirklich an Horowitz gedacht! Es ist schön, wenn er einem beim Spielen zuguckt." Das tat er als lebensgroßes Porträtfoto, milde lächelnd, gleich neben der Tastatur.

Viele empfanden Ehrfurcht beim Spielen - nicht so Hubert Rutkowski. Der versenkte sich nuancenreich in vier Mazurken op. 68 von Chopin und fand: "Es war einfach ein fremdes Instrument für mich." Und auf die Frage, was er denn nun herausgefunden habe: "Beide sind gleich wichtig! Das Klavier ist sehr gut, aber Horowitz war auch ein hervorragender Spieler. Der hätte auch aus einem schlechteren Klavier viel hervorgezaubert."