Über seine erste Männerkollektion jubelten US-Magazine, Modezar Wolfgang Joop sei seiner Zeit um zehn Jahre voraus.

Die erste Joop-Schau, eine Herbstkollektion, fand 1982 in dem italienischen Townhouse Oberkassel I in Düsseldorf statt und brachte gleich vier Millionen Mark Umsatz.

Die zweite Show war in der Düsseldorfer Oper. Ganz großer Bahnhof. Eine andere Zeit, eine andere Inszenierung. Es gab keine Topmodels, die kamen ja erst durch Gianni Versace Ende der Achtziger. Damals waren es noch Runway-Models, die choreografisch im Gleichschritt gingen. Kann man sich heute nicht mehr vorstellen.

Es war trotz des Erfolges - Wolfgang kassierte Preise wie das Goldene Spinnrad für seine Kollektion, die die Firma Erle ZF in Ellerau bei Hamburg herstellte - eine Quälerei, weil die Lieferungen und die Produktion schwierig waren. Nicht einmal das rechtzeitige Bestellen der Stoffe klappte reibungslos. Bis der Herr Frommen kam und sagte: "Das wird nichts. Gründen wir die Fashion GmbH mit den Holys zusammen." Herbert Frommen hatte Wolfgang durch Jil Sander kennengelernt.

Ich hatte den Erfolg gesehen, den er mit dem Jil-Sander-Parfüm gebracht hatte, durch das Jil ja zur großen Marke wurde, und ich dachte, ach, Mensch, das ist der Mann mit dem Geldsack.

Der Werbeexperte war seit Anfang der Sechzigerjahre in der Kosmetikbranche tätig. 1968 engagierte Lancaster ihn, um das Deutschland-Geschäft aufzubauen. Was er erfolgreich tat. Mit Jil Sander zum Beispiel, die er über den legendären Hamburger Industriedesigner Peter Schmidt kennengelernt hatte, hatte Herbert Frommen kolossalen Erfolg. Und sie mit ihm. Wie auch Aigner, Bogner, Davidoff. Cool Water ist bis heute ein Bestseller. Über Parfüms wurde und wird ein Designername bekannt, die Verbreitung über die Anzeigenkampagnen der großen Kosmetikfirmen bietet eine ganz andere Plattform. Sie saßen im Hamburger Hotel Vierjahreszeiten und Frommen versprach die große Lösung, das große Geld, die Befreiung. Mit dem könnte er sich zusammentun, dachte Wolfgang. Philipp Buse würde schon aufpassen. Buse war Anwalt und Freund.

Der Buse war so links und der Frommen so rechts, bekennender Kapitalist. Da kann ich mich ja in der Mitte aufhalten, dachte ich. Frommen sagte, er mache kleine Firmen groß, und bot ein gemeinsames Geschäft an: 20 Prozent für mich, 80 Prozent für sich. Mir war es egal, was bedeutete der Name denn schon, ich wollte in den Parfüm-Olymp. Und alles, was Buse dazu und zu Frommen sagte, war: "Ihre wirtschaftliche Gier imponiert mir." Erst dachten wir noch, das gibt Ärger, aber man verstand sich prächtig. Der Deal wurde gemacht.

Etwa zur gleichen Zeit verkauften die Holy-Brüder das Männermode-Lifestyle-Unternehmen Hugo Boss für die berauschende Summe von 560 Millionen Mark und wollten einen ähnlichen Erfolg nachstellen, investieren und sprachen auch mit Frommen. Joop klang wie Boss. Auch vier Buchstaben. Buse erklärte Frommen: "Wenn ihr Zugriff auf Joops Modetalent haben wollt, werden die Karten neu gemischt." So war es. Die alten Verträge wurden aufgelöst, mit den neuen bekamen Frommen und sein Partner 50 Prozent an der gemeinsamen Vermarktungsfirma, der Joop GmbH, Wolfgang vierzig Prozent, Buse zehn. Und mit den Holys wurde Joop-Fashion gegründet, jede Seite 50 Prozent.

Aber dann kam es regelmäßig zu diesen Geizanfällen. Immer hieß es, gib du mal Geld, nee, gib du mal Geld. Das Stimmenverhältnis war ja pari. Also wurde kaum investiert. Die Produktion fand bei Windsor statt, das auch den Holys gehörte. In Ellerau hatte ich mir einen Namen als Prêt-à-porter-Designer gemacht, nun verlor ich mein Asset, meine Technik. Entwicklung interessierte nicht, man hatte das fertige Produkt vor Augen, aber nicht, wie man dahin kommt.

In der Windsor-Produktion verstanden sie Wolfgang nicht. Die Qualitäten stimmten nicht, die Auslieferung klappte nicht, Lizenzvermarktung hieß das Zauberwort, Wolfgangs Atelier wurde geschlossen. Der Verkauf und die Produktion bestimmten, wo es langgeht. Wolfgang war genervt und enttäuscht, verlor schnell die Lust, die Lizenz ging von Windsor zu Jobis. Es entstand also eine Joop!-Kollektion made by Jobis in Bielefeld. Zu allen Joop!-Produkten gab es immer eine Parallelfirma, die die Lizenz dafür hatte, und Wolfgang ging von Firma zu Firma, gab dort seine Beratungen ab, und denen konnten die Firmen folgen. Oder eben nicht. Zu den Spitzenzeiten waren es 18, ein Lifestyle-Kosmos. Angestrahlt vom Scheinwerfer Wolfgang.

Jede Firma machte, was sie am besten konnte, und dann konnte man noch ein paar Prozente obendrauf legen, weil mein Name draufstand. Ich hatte aber quasi nur noch beratende Funktion. Und die wurde angenommen - je nachdem, ob es gerade passte oder nicht. Im Grunde habe ich meine eigenen Entwürfe nicht wiedererkannt.

Immer mehr Lizenzbedürftige kamen, wollten sich an den Zug, den Namen dranhängen. Dabei war alles, was Wolfgang eigentlich wollte, Raum für seine Kreativität. Doch die, hieß es immer: kostet Geld. Lass man. Haben wir gestrichen. Sei doch zufrieden. Und Wolfgang machte mit. Weil er so harmoniebedürftig ist. Und es gutes Geld gab. Und er denken konnte: Morgen wird's besser ...

Ich hätte da einen echten Partner an meiner Seite gebraucht, aber damals fühlte ich mich von allen alleingelassen. Mein Anliegen galt nichts. Es war so ähnlich, als ob der Maler die Pinsel zerbricht und sagt, wir machen jetzt nur noch Kunstdrucke. Eine Marke vertrasht wie eine Person: Wenn sie jedem gefallen will, wird sie beliebig. Und wenn sie beliebig werden soll, verliert sie den Charakter.

Die erste Männerkollektion 1985 war ein ganz großer Erfolg in New York. Die Magazine überschlugen sich. "Seiner Zeit zehn Jahre voraus!", jubelte eine der bescheideneren Hymnen. Joop! wurde ein ungeheurer kommerzieller Erfolg. Allein die Jeans machten auf Anhieb 100 Millionen Mark. Und die Parfüms! Die Namenmacher und Umsatzbringer. Die Flaschen gestaltete Peter Schmidt, den Duft Wolfgang, das Geschäft Frommen. "Joop pour femme" war das Erste und gleich die Nummer eins auf dem deutschen Markt. Michael Förster, damals Praktikant bei Lancaster und auch Duftkompositeur von Cool Water, setzte Wolfgangs "Libretto" um: Kindheit, Sanssouci, Jasmin, Rosen, Puder, der Parfümduft, der in den alten Schlosstapeten hängt. Für die Werbekampagne flog Wolfgang nach New York. Herb Ritts machte die Aufnahmen, einen ganzen Tag, viel Styling, viel Posing. Am Ende schoss er noch ein paar Bilder ganz ungekünstelt. Das waren die Bilder der Kampagne. Sie schlug ein wie das Parfüm selbst.

Beim Staatsbesuch von Königin Elizabeth II. wurde er in Potsdam zum Mokka gebeten. Als er sich vorstellte, sagte die Queen: "Nicht nötig. Ich kenne Ihr Bild aus der Londoner U-Bahn." Das hat ihn beeindruckt. Dass die Queen offenbar U-Bahn fährt.

Joop! Das war die Zeit der großen Karrieremöglichkeiten in der Mode. Allein das ganz große Ding war zum Scheitern verurteilt. Das Dreamteam Frommen/Joop bereitete sich Albträume. Es kam zum Krach. Es wurde sich auf breiter Front getrennt. Auch von Illusionen. Nicht nur die Marke Joop! wurde vom Ausrufezeichen bedrängt, der Mensch zunehmend. Das Leben in Hamburg mit Haus und Vermögen war arriviert, doch gerade das hielt ihn am Abend nicht zu Haus. Er zog mit Freunden und Freundinnen oder auch mal mit "Killer-Kalle" um die Häuser, man saß bei Cuneo, im Bologna und viele "einen Absacker noch lang" in der Brücke, erfand die Welt und die Modeszene neu. Nane Mundt, die Werbefachfrau, gute Freundin, immer dabei, erzählt von einer aufgekratzten, im guten Sinn verrückten Zeit, Wolfgang im Zentrum der Clique. Immer brodelnd. Bis morgens um drei haben sie im Gala am Mittelweg gesessen, um acht sind sie wieder raus zum Arbeiten. Wenn Wolfgang sich nicht immer öfter nach New York verzog oder nach Monte Carlo, wo aus steuerlichen Gründen eine Wohnung abgewohnt werden musste. Bloß nicht dem eigenen Ich begegnen.

Als er meinte, das "Joop! Living!" nicht mehr ertragen zu können, und auch selbst unerträglich sein konnte, stand schließlich Peter Littmann als neuer Partner bereit. Littmann hatte sich als Sanierer bei Hugo Boss Meriten verdient und 1997 den Vorstandsvorsitz der Hamburger Wünsche AG übernommen. Aus dem Mischkonzern mit Schwerpunkt Futtermittel sollte ein Lifestyle-Unternehmen werden, im Februar 1998 übernahm Wünsche für 150 Millionen Mark 95 Prozent an der Joop GmbH. Wolfgang behielt fünf Prozent und einen Vertrag als Chefdesigner. Der letzte Versuch der Assimilation an ein Leben, das ihm im Grunde fremd war. Aber auch Littmann und Joop waren kein Dreamteam. Im Oktober 1999 verließ Littmann die Wünsche AG, im Juli 2001 verkaufte Wolfgang die letzten fünf Prozent an die Hamburger (die im Dezember des Jahres insolvent waren) und verabschiedete sich auch als Designer. Das Ausrufezeichen war zum Fragezeichen geworden.

Mit dem Verrat, der auf dem Planeten Mode herrscht, muss man rechnen, aber nicht beleidigt sein. Dann schon eher erhobenen Hauptes als Mittäter dabei .

Lesen Sie morgen: Heimkehr nach Potsdam - und die Geburt eines Wunderkindes.