Die Debatte, wie viel Models auf den Rippen haben sollten, hat zu Konsequenzen geführt: “Normale“ Figuren sind gefragt.

Pierce Brosnan sagt, er liebe "jedes Pfund" an seiner rundlichen Frau. David Beckham mag anscheinend jedes Pfund weniger, denn seine Victoria wird immer dünner. Was als schön empfunden wird, ist eine Frage des Geschmacks. Aber es ist auch eine gesellschaftliche Debatte.

Und die ist jetzt mit aller Wucht wieder entbrannt, seit "Brigitte"-Chefredakteur Andreas Lebert angekündigt hat, vom nächsten Jahr an nur noch mit "normalen" Frauen zu arbeiten. Keine Magermodels mehr, sondern Frauen von der Straße, die tragbare Mode zeigen. Persönlichkeiten statt Kleiderständer. So stellt sich Lebert die Frauenzeitschrift von morgen vor.

Eine absurde Debatte, wie Modezar Karl Lagerfeld umgehend verlauten ließ. "Da sitzen dicke Muttis mit der Chipstüte vorm Fernseher und sagen, dünne Models sind hässlich." Die Welt der schönen Kleider habe "mit Träumen und Illusionen zu tun". Runde Frauen wolle da niemand sehen. Eine drastische Äußerung, aber viele Kollegen geben ihm recht. Auch in Hamburg. "Mode lebt von der Überhöhung. Ich würde keine vollschlanken Models für meine Mode buchen, weil das in kommerzieller Hinsicht nicht funktioniert", sagt die Hamburger Designerin Anna Fuchs. "An großen, schlanken Frauen lassen sich Kleider einfach besser präsentieren. Die kommen einer Modeskizze nahe - übertrieben und plakativ. Niemand lässt sich von einer 1,60 Meter großen Frau mit Kleidergröße 44 die neuesten Modetrends verkaufen. Nicht mal die Frauen, die genau diese Statur haben." Aber genau so will Lebert das Konzept nicht verstanden wissen.

"'Brigitte' wird keinesfalls ein Übergrößen-Magazin werden", sagt er. "Im Gegenteil: Sie wird noch schicker und glamouröser sein. Nur ist der Schönheitsbegriff eines Karl Lagerfeld zu eng, der Schlankheit ohne Rundungen vorschreibt. Ich denke, dass Schönheit viele Gesichter hat." Die Vermutung, dass es sich um Sparmaßnahmen des Verlags handeln könnte, dementiert er. Den Laienmodels wolle er ähnliches Honorar zahlen wie den Profis.

Das Konzept, auf professionelle Models zu verzichten, ist nicht neu. Die Werbung machte es vor. Allen voran die Kosmetikmarke "Dove", die nahezu mollige Frauen für Creme und Duschgel posieren ließ. Und auch Frauenmagazine fotografieren seit Jahren "normale" Frauen, beispielsweise bei Typberatungen und Frisurentrends. "'Bild der Frau' arbeitet mit Modellen, mit denen sich die Leserin auch identifizieren kann", sagt Modechefin Kathrin Wiese. Auch in den Modeproduktionen der Zeitschrift "Für Sie" sind keine Mageren zu finden: "Das war nie so und wird auch nie so sein. Schließlich passen solche Modelle gar nicht zu unserer Zielgruppe", sagt Chefredakteurin Ute Kröger. Allerdings sitzen die Redakteurinnen dieser Zeitschriften auch nicht in der ersten Reihe der wichtigen Fashion-Shows und müssen sich nicht an Designern wie Lagerfeld, Versage und Dolce und Gabbana orientieren. Hier geht es schließlich um tragbare Mode, nicht um High Fashion.

Anders sieht es dagegen im hochkalibrigen Segment wie etwa Vogue und Elle aus, die bei professionellen Agenturen buchen müssen, um die Standardkonfektionen halten zu können. "Solange Designer extrem dünne Models nachfragen, wird es sie auch geben", sagt Claudia Midolo, Chefin der Hamburger Agentur "Modelwerk", die unter anderem Topmodels wie Toni Garrn entdeckt hat. Die Hamburger Schülerin, die für Boss und Calvin Klein läuft, entspricht mit Größe 36 bei 1,78 Meter exakt den gängigen Modelmaßen. "High Fashion sieht nun mal an sehr großen, sehr schlanken Frauen besser aus als an normalen. Eben weil diese extreme Schönheit auffällt", sagt Midolo. Die Diskussion um hungernde Models findet die Agenturchefin übertrieben. Man dürfe nicht vergessen, dass es sich bei Topmodels um eine sehr kleine Gruppe von Menschen handele, die meist von Natur aus groß und schlank sind und eben nicht hungern müssen. "In meinen 15 Jahren als Agenturchefin hatte ich nur ein Mädchen, das magersüchtig war, und das rührte eher von familiären Problemen als vom Modeln."

Dennoch ist nicht von der Hand zu weisen, dass Modemagazine und Castingshows eine besondere Anziehungskraft auf junge Mädchen haben, eben weil sie zum Träumen anregen. Models haben Vorbildfunktion. In einer immer dicker werdenden Gesellschaft, orientieren sie sich an sehr dünnen Idealen. Dünn bedeutet stark zu sein, Kontrolle zu haben, wenn auch nur über seinen Körper.

"Brigitte" trifft mit der Initiative den Nerv der Zeit. "Dabei geht es mir nicht primär um den Kampf gegen Magermodels. Wenngleich ein Unbehagen gegen zu dünne Models besteht. Es geht vielmehr um neue publizistische Formen", sagt Lebert. Dennoch wünscht er sich, dass möglichst viele Magazine mitziehen. "Auch die 'Vogue' würde ich nicht unterschätzen. Schließlich handelt es sich um ein avantgardistisches Konzept."

Gehört Laienmodels also die Zukunft, weg vom Knochenjob hin zum Sahnestück? Die Hamburger Agentur "Elbmodels", die Models ab 30 Jahren vermittelt, ist mit dem Konzept jedenfalls erfolgreich. "Ich unterstütze Leberts Aussage im Kern, weil es auch unserer Linie entspricht, Persönlichkeiten zu präsentieren", sagt Inhaber Knut Schulz. "Nur braucht es dazu mehr Qualitätsmerkmale als Gewicht und Größe. Allein das Argument 'nicht dünn und nicht professionell' reicht nicht aus." Eins seiner Modelle, die 39-jährige Lu Buchholz, ist sehr gefragt. Das Erfolgsrezept der Mutter einer achtjährigen Tochter: Natürlichkeit und Authentizität. Von ihrer Karriere träumen viele Frauen. Bei "Brigitte" sind schon mehr als 3000 Bewerbungen für ein Casting auf der Webseite eingegangen. "Ich würde gern normale hübsche Frauen mit Größe 38 in Frauenzeitschriften sehen", sagt Modelwerk-Chefin Midolo. "Eine Trendwende hin zu gesunden, sportlichen Models mit Persönlichkeit würde ich mir für die Zukunft wünschen."