Das privat finanzierte Gutachten sieht eine rosige Zukunft der Hochschule für Musik und Theater. Doch die Realität sieht ganz anders aus.

Hamburg. Es war einmal ein rechtschaffener Gärtner, dem überließ sein König ein Gewächshaus zum Bewirtschaften. Bau alles an, was ich brauchen kann, befahl der König, und das war dem Gärtner recht, denn er liebte alle Pflanzen gleichermaßen. So zog und züchtete er weiter, was seine Vorgänger bereits angelegt hatten. Da kam eine große Knappheit über das Reich. Spar an Wasser, an Dünger und an Erde, befahl der König. Aber ernte mindestens so viel wie vorher! Derweil ließ der König am großen Fluss der Stadt ein Pflanzenhaus errichten, prächtiger, teurer und strahlkräftiger als alle anderen im Reich.

Ein paar Adlige in der Nachbarschaft sahen den Gärtner in seinen Beeten werkeln, und sie sahen auch, dass er sich ganz schön abstrampelte. Sollen wir helfen?, riefen sie über den Zaun. Was brauchst du? Die Nachbarn taten dem Gärtner etwas Gutes und schenkten ihm ein kostspieliges Gutachten, in dem genau drinstand, wie er das ihm übertragene Terrain nach seinen eigenen Ideen noch besser bewirtschaften könnte.

An dieser Stelle verlassen wir das Märchen und stoßen uns den Kopf an der harten Wirklichkeit. Unser Gewächshaus ist natürlich kein anderes als die Hochschule für Musik und Theater, und sie steckt in einem großen Dilemma: Auf den Gelegenheitsbesucher macht sie den Eindruck eines blühenden Kulturbiotops. Innen aber liegt einiges massiv im Argen.

Die Hochschule sieht es als ihre Aufgabe an, "künstlerische Exzellenz in gesellschaftlicher Verantwortung" zu schaffen. Dazu gehört, dass sie der Stadt Hamburg auf ihrem Weg zur Musikmetropole Profil geben will. "Es geht eine regelrechte Yes-we-can!-Bewegung durchs Haus", sagt ihr Präsident Elmar Lampson. Er nennt die Berufung namhafter Musiker wie Anna Vinnitskaya, Tanja Becker-Bender oder Arto Noras als Lehrkräfte. Er verweist auf den Preisregen, mit dem Studenten und Absolventen seiner Hochschule bedacht werden, auf die Mendelssohn Summer School sowie vielfältige Kontakte zu renommierten Musikhochschulen im Ausland.

Stolz zeigt er die dicke Informationsbroschüre, mit der die Hochschule jetzt erstmals auf das umfangreiche Veranstaltungsprogramm aufmerksam macht, das sie intern und an anderen Orten Hamburgs auf die Beine stellt. "Wir haben das Potenzial, zur Alsterphilharmonie zu werden", sagt der Präsident.

Doch wie soll das gehen, wenn die wenigsten Fächer von Vollzeit-Professoren unterrichtet werden und die Raumknappheit so groß ist, dass allein etwa 200 000 Euro pro Jahr für extern angemietete Übe- und Unterrichtsräume den Etat belasten? Vor diesem Hintergrund entwickelte eine professionelle Unternehmensberatung im Auftrag der Dr.-Langner-Stiftung und des "Freundeskreises Hamburger Unternehmer" in Kooperation mit der Hochschule eine Studie, die "Strategische Weiterentwicklung und Zukunftsausrichtung der HfMT / Gesamtkonzept" heißt. Sie kostete 150 000 Euro, den Löwenanteil bezahlte der Freundeskreis, zu dem Nachbarn der Hochschule wie Erck Rickmers, Claus-Peter Offen, Hermann Friedrich Bruhn und Frank Otto gehören sowie die Förderer und Mäzene Michael O. Grau und Ernst A. Langner. Die Studie kleckert nicht, sie klotzt. Ihr Ziel: die Musikhochschule unter die Top Ten ihrer Art zu katapultieren. Weltweit. Als wichtigstes Element einer Neugliederung nennt sie die Einrichtung eines vierten Dekanats - in Anspielung auf die Hausnummer Harvestehuder Weg 12 "Studiendekanat zwölf" genannt. "Das neue Dekanat fügt alle veranstalterischen und interdisziplinären Aktivitäten zusammen. Es soll die Strahlkraft der Hochschule steigern", sagt Lampson.

Die Strahlkraft zu steigern ist allerdings schon mal rein physikalisch nicht so einfach, weil die Hochschule sich bei näherer Betrachtung als ein Delta erweist. Ihre einzelnen Bereiche von der künstlerischen Instrumentalausbildung über Musikpädagogik, Musiktherapie, Kirchenmusik, Komposition, Jazz, Kultur- und Medienmanagement bis zur Theaterakademie sind stark verästelt und verzweigt; zu einem Strahl lassen sie sich schwerlich bündeln. Doch eine Spezialisierung auf einzelne Gebiete - etwa eine Sänger- oder eine Jazzhochschule - würde Lampsons Intentionen zuwiderlaufen. Er will eben all seine Pflanzen an der Hochschule zu schönster Blüte bringen: "Ich sehe das als eine wunderbare Ergänzung zum Projekt Elbphilharmonie. Ich rede mich heiß dafür und halte das für eine große Chance für Hamburg. Wir sind erfasst von einer tollen Aufbruchsstimmung; gleichzeitig gehe ich ins neue Semester mit lauter Sondersitzungen über Einsparmaßnahmen. Ich möchte zumindest, dass die Stadt das weiß."

Seit einigen Wochen liegt die Studie in der Behörde für Wissenschaft und Forschung und wartet darauf, dass jemand mal einen Blick in sie hineinwirft. Eine Stellungnahme zum "Sachstand" war bis Redaktionsschluss von der Behörde nicht zu bekommen. Ernst A. Langner, dessen Stiftung sich an der Hochschule seit bald vier Jahren schwerpunktmäßig für eine Stärkung des Jazzbereichs einsetzt, mahnt, eine bessere Förderung gehöre zur "politischen Glaubwürdigkeit des Senats, Hamburg zur Musikstadt zu entwickeln".

650 000 Euro muss Lampson einsparen, das ist die Vorgabe der Wissenschaftsbehörde. "Die Behörde macht nichts falsch", sagt Lampson. "Sie ist die Rechtsaufsicht und achtet darauf, dass wir uns im Rahmen der Strukturvorgaben bewegen, anstatt mit uns an deren Flexibilisierung und Veränderung zu arbeiten." Er fordert die Rücknahme der Einsparverpflichtung, eine Diskussion über die Umsetzung des Zukunftskonzepts, und dass der Neubau der Theaterakademie aus Investitionsmitteln bezahlt wird.

Denn bei aller schönen Zukunftsmusik der Studie: Die Finanzierung der Theaterakademie bereitet Lampson richtig Sorgen. Bis Ende 2011 zahlt die Universität die Miete (460 000 Euro im Jahr) für die Zeisehallen, in denen die Akademie untergebracht ist. Ab 2012 geht die Zahlungsverpflichtung an die Hochschule über, wobei Lampson dafür 240 000 Euro aus dem Universitäts-Etat zur Verfügung übertragen werden. 220 000 Euro kommen also neu auf die Hochschule zu. Irgendwann soll auf dem Gelände des Thalia in der Gaußstraße ein Neubau errichtet werden. Den wollte ursprünglich die Stadt zahlen, nun nimmt sich ein privater Träger der Aufgabe an. "Unsere Finanzstruktur bildet eine veraltete Sicht auf eine Kunsthochschule ab", sagt Elmar Lampson. "94 Prozent des Etats sind für die Lehre bestimmt. Eine Musikhochschule ist aber ein Entwicklungsort für Kunst, nicht nur ein Nice to have . Wir schaffen Innovationswerte, die der Kunstbetrieb dringend braucht." So spricht keiner, der bloß Orchideen züchten will.