Erster Internationaler Kammermusikwettbewerb Hamburg: Bei den Streichquartetten sind immerhin fünf von acht weitergekommen, darunter auch das Arcadia String Quartet.

Hamburg. Man kann es fast körperlich spüren - im Forum der Hamburger Musikhochschule liegt ein besonderes Kribbeln in der Luft. Mittwochabend um Viertel vor elf herrscht nervöse Anspannung; die Klimaanlage sirrt leise, aber penetrant. 60 junge Interpreten aus aller Welt warten auf die Ergebnisse der zweiten Runde im Internationalen Kammermusikwettbewerb - und als der Juryvorsitzende Menahem Pressler ans Mikro tritt, hat er keine guten Nachrichten: "Nur drei der acht Klaviertrios haben die erforderliche Punktzahl erreicht und spielen im Finale", sagt der Pianist und Pädagoge, der jahrzehntelang das Beaux Arts Trio geprägt hat. Eine harte Entscheidung - aber sie passt zum hohen Anspruch des Wettbewerbs. Nur das Beste ist gut genug.

Bei den Streichquartetten sind immerhin fünf von acht weitergekommen, darunter auch das Arcadia String Quartet. Die vier Rumänen - alle zwischen 25 und 30 - wirken fast ein bisschen überrascht von ihrem Erfolg: "Wir hatten keine großen Erwartungen. Aber natürlich sind wir glücklich - und auch schon wieder ziemlich aufgeregt vor der dritten Runde", bekennt Geiger Rasvan Dumitru. Gefeiert wird noch lange nicht: "Nein, wir sind müde und fahren schnell nach Hause."

Nach Hause, das bedeutet für die neun Tage des Wettbewerbs: in ein schnuckliges 300-Quadratmeter-Häuschen in Hamburg-Eppendorf. Wie fast alle Teilnehmer sind die Streicher privat untergekommen - und mit Familie Lenzen haben sie offenbar ein Glückslos gezogen: Das Ehepaar mit zwei Kindern strahlt eine herzliche Gastfreundschaft aus. "Wir lieben klassische Musik, und es gibt genug Platz hier, darum haben wir sehr gerne geholfen!", bekräftigt Anja Lenzen am Vormittag nach der Entscheidung. Im zweiten Stock können die Streicher ungestört proben - zwischen Ikea-Regalen, HSV-Fahne und Tischfußballspiel: "Da kickern wir immer in unseren Pausen", erzählt Bratscher Traian Boala und lacht.

Viel freie Zeit bleibt ihnen allerdings nicht: "Wir haben von Hamburg nur die Alster gesehen - aber das war sehr schön!" Den Großteil des Tages verbringen die ebenso sympathischen wie ernsthaften Musiker naturgemäß mit Instrument in der Hand. Schließlich müssen sie ein forderndes Pensum bewältigen: drei verschiedene Programme mit einem Repertoire von Haydn über Beethoven bis zur Moderne. "Damit wollten wir die Messlatte hoch legen", sagt Wettbewerbs-Initiator Niklas Schmidt, der auch eine Weltklasse-Jury zusammengestellt hat: lauter lebende Legenden.

Bei der Beurteilung spielt natürlich die Beherrschung des Handwerks eine wichtige Rolle, aber letztlich, so Valentin Erben (Ex-Alban-Berg-Quartett), gehe es darum, "ein Werk möglichst in seinem ganzen Gehalt zu erfassen", und, wie Menahem Pressler betont, "den Ausdruck der Musik zu treffen".

Das ist dem Arcadia String Quartet etwa in seiner tief anrührenden Interpretation vom ersten Satz aus Schuberts "Rosamunde"-Quartett, aber auch bei Brahms wunderbar gelungen: "Da sind mir die Tränen gekommen", gesteht Anja Lenzen, die einen Wettbewerbsauftritt ihrer Gäste gehört und ein Hauskonzert bekommen hat. Sie und ihr Mann sind längst Fans geworden: "Ihr dürft jederzeit wiederkommen - aber dann müsst ihr mit unseren Jungs auch richtig Fußball spielen!"

Finalrunde: heute und Sonnabend ab 10 Uhr im Rolf-Liebermann-Studio des NDR. Internet: www.icmc-hamburg.de