Rund 10.000 Zuschauer haben das Harbour Front Literaturfestival schon besucht. Georg Kreisler und das Titanic-Festkomitee begeisterten die Zuschauer.

Hamburg. Begeisterter Empfang im Schmidt-Theater für eine Legende, einen Großmeister der deutschen Sprache: Georg Kreisler, Kabarettist, Sprachkünstler, Träumer und Opernkomponist, las - inzwischen 87 Jahre alt - aus seinem neuen Buch "Letzte Lieder". Eine Stunde lang lauschten rund 300 Zuhörer dem unverkennbar wienerisch gefärbten Klang seiner aus mehr als 300 Kabarettsongs bekannten Aussprache.

Kreisler zieht eine Bilanz seines Lebens, atemberaubend bissig, bitterböse, hart in der Sache, zart im Herbeiwünschen von Lebensglück, und dabei zum Lachen komisch. Noch immer wundert er sich über die Skurrilität des Normalen, sieht Gemeinheiten und Fußangeln, wo andere "Alltag" sagen, rettet die Kunst vor den Regisseuren und findet Verse, wo andere die Flucht suchen. Und lässt seine Zuhörer mit der Professionalität von mehr als 65 Bühnenjahren genussvoll von einer Pointe in die nächste tappen. Großer Applaus und ein gewaltiges Gedränge am Signiertisch waren der Lohn.

"Willkommen in Harburg - das liegt in der Nähe von Pinneberg!" Mit diesen ironischen Worten empfing das "30 Jahre Titanic-Festkomitee" die Zuschauer am vergangenen Montagabend im St.-Pauli-Theater. Mitbegründer Pit Knorr sowie die Ex-"Titanic"-Chefredakteure Hans Zippert und Oliver Maria Schmitt erzählten von kreisförmig geschriebenen Leitartikeln, forderten das Publikum auf, das Schanzenfest nachzuspielen - ohne Aggressionen - und klärten über den Beitrag des endgültigen Satiremagazins zur Völkerverständigung auf. Wunderbar komisch: Oliver Maria Schmitt entlarvte in der ausgelaufenen Reihe "Wir beleidigen kleine wehrlose Nachbarländer" den holländischen Bürger als Zentaurengeschöpf: halb Mensch - halb Fahrrad.

Bislang haben schon rund 10.000 Zuschauer das Harbour Front Festival besucht. Auch heute Abend ist wieder für Unterhaltung gesorgt: Benedict Wells liest um 21 Uhr auf der "Cap San Diego". Benedict Wells, von Hause aus Münchner, machte nach dem Abitur erst einmal alles richtig. Er zog nach Berlin. Mit 19 gibt es nichts Besseres! Man ist weit weg in einer aufregenden Stadt. Dort allerdings, nimmt man den Erzähler in Wells' neuem Roman "Spinner" als Maßstab, hat man erst mal nichts zu lachen. Der Held der Geschichte heißt Jesper. Er wäre gern Dichter und Frauenheld. Das klappt, wie es immer so ist in einem Porträt des Künstlers als junger Mann, zunächst nicht. Jesper mäandert durch Berlin, isst zu wenig und trinkt zu viel. Das Chaos in seinem Leben wird immer größer. "Becks letzte Sommer" hieß der Überraschungserfolg des 25 Jahre alten Benedict Wells vor zwei Jahren. Ein Stück über die Midlife-Crisis. Jetzt erzählt er vom Jungsein - einfühlsam, glaubwürdig und amüsant. Das Harbour Front Literaturfestival endet am 19. September.