Die ersten bundesweiten Privattheatertage gingen erfolgreich zu Ende - Publikumspreis für Sönke Wortmanns Inszenierung “Frau Müller muss weg“.

Hamburg. Menschen wollen nichts weniger als den Himmel auf Erden. Ihn hatten sich türkische Immigranten erhofft, als sie vor 50 Jahren mit einem Koffer nach Deutschland kamen. Lukas Langhoff lässt die "Gastarbeiter" bei den Debatten mit ihren Enkeln in seiner Inszenierung "Pauschalreise - Die 1. Generation" auf Wattewolken vor blauem Firmament schweben. Die beiden hinterwäldlerischen Bastler in "Hoimetaberau" hingegen hocken in ihrer dunklen Werkstatt, schrauben und streiten, träumen wie Dädalus und Ikarus davon, sich mit ihrer Erfindung über die Wolken zu erheben. "Das wird nie was", müssen die schwäbischen Himmelsstürmer ernüchtert erkennen.

Die Privattheatertage warteten zum Finale mit exzellenten Gastspielen auf, jedes auf seine Weise gelungen und originär. Die bühnenerfahrenen Amateure aus dem Berliner Ballhaus berührten durch ihre ehrliche und selbstironische Reflexion über die Heimatlosigkeit zwischen zwei Welten und erspielten sich mit "Pauschalreise" den Monica-Bleibtreu-Preis in der Kategorie zeitgenössisches Drama.

Ausgezeichnet wurden auch die ausgekochten Profis vom Grips-Theater in der Inszenierung "Frau Müller muss weg". Dass sie den Publikumspreis gewinnen würden, überrascht nicht. Die Komödie über Eltern, die sich gegen eine Klassenlehrerin verschwören, sich dabei in die Haare geraten und eine Niederlage wegstecken müssen, ist so glänzend geschrieben, dass sie für gute Schauspieler (in Sönke Wortmanns so präziser wie pointierter Inszenierung) ein wahres Fest und ein Selbstgänger ist. Die Vorstellung gehörte zudem zu den bestbesuchten Abenden.

In der Kategorie Komödie hat sich die Jury erstaunlicherweise entschieden, eine Kabarett-Vorstellung auszuzeichnen. Dass "Freaks. Eine Abrechnung" des Ensembles im Düsseldorfer Ko(m)mödchen mit den Fernseh-Fuzzies schauspielerisch gelungene Karikaturen zeichnet, gehört längst zu den Errungenschaften des Kabaretts, das sich glücklicherweise mit komödiantischen Kniffen des Theaters bereichert.

Für eine wirkliche Entdeckung sorgte das Stuttgarter Theater tri-bühne mit Franz Xaver Otts "Hoimetaberau". In Christine Gnanns Regie ziehen Marcus Michalski - als der Jüngere im Duo zweier Einsamer - mit Reinhold Ohngemach alle Register der Komödiantik. Sie mimen, tanzen und werkeln stumm und spielen mit Klängen und Worten in dieser Satire auf kleingeistigen Größen- und Erfinderwahn.

Sich selber fremd und feindselig gegenüber dem Unbekannten suchen die beiden auch nach einer "Heimatbodenmachmaschine": Dann wäre dort Heimat, wo jeder sie haben will. Auch so ein Traum aus dem Wolkenkuckucksheim, in dem Gastarbeiter und Schwaben gemeinsam hocken. Die bissige Kritik in der wunderbar doppelbödigen Aufführung war auch ohne spezielle Dialektkenntnisse zu verstehen. Auch das hätte vielleicht einen Preis verdient.

Himmelwärts strebende Träume der ganz anderen Art verhandelt Shakespeare in seinem "Sommernachtstraum". Die spielfreudig von Regisseur Benno Iflands in Szene gesetzten Liebeswirren brachte der Bremer Shakespeare Company den Monica-Bleibtreu-Preis in der Kategorie (moderner) Klassiker ein. Sie setzte sich gegen "Nathan der Weise" aus Münster und "Othello" aus Köln durch. Letzterer ein Beispiel dafür, dass eine Inszenierung mitunter verliert, wenn sie, geschaffen für eine sehr kleine, plötzlich auf einer großen Bühne funktionieren muss. Vielleicht ließen sich bei einer Fortsetzung des Festivals künftig auch kleinere Spielstätten einbinden.

Die Jury war nicht zu beneiden, denn die Qualität der hier zum Wettbewerb angetretenen Regiearbeiten war insgesamt sehr hoch. Auch Produktionen, die künstlerisch etwas wagten, fanden ein begeistertes Publikum. Ein Publikum, das sich auch von den düsteren Wave-Klängen der Göttinger Inszenierung von Fatih Akins "Gegen die Wand" nicht vertreiben ließ. Sonntag Abend gingen die von Axel Schneider initiierten Privattheatertage mit einer Gala in den Kammerspielen zu Ende. 4000 Zuschauer sahen die zwölf Produktionen. Nicht schlecht für den Anfang. Träume von einer Fortsetzung sind erlaubt.