Das Mahnmal St. Nikolai dient der Malerin Agnieszka Korejba und dem Bildhauer Ludger Trautmann jetzt als Atelier - unter freiem Himmel.

Hamburg. Mit der Versöhnung zwischen den Menschen und Völkern sei es ein wenig so wie mit dem Frühling. Man ersehnt ihn lange, doch irgendwann ist er dann plötzlich da, meint Agnieszka Korejba. Seit gestern steht die polnische Künstlerin mit ihrer Staffelei im Außenbereich des Mahnmals St. Nikolai, der für sie und ihren deutschen Kollegen Ludger Trautmann noch bis zum 31. Mai als "Atelier unter freiem Himmel" dient.

Eine Malerin und ein Holzbildhauer, eine Polin und ein Deutscher, schaffen acht Tage lang in einer gemeinsamen Kunstaktion Werke zum Thema Völkerverständigung. Am Donnerstag nächster Woche sollen diese dann zugunsten des Mahnmals versteigert werden. Während sich Trautmann mit seinem Werkzeug unter einem Zeltdach in der Nähe des Turms eingerichtet hat, sucht sich Korejba mit ihrer Staffelei immer wieder neue Standorte. Das entspricht ihrer Art zu arbeiten. Sie malt mit kräftigem Duktus auf die noch leere Leinwand, doch verändert sie die Formen und Motive immer wieder, legt Schicht auf Schicht, lässt sich von Archivfotos und Zeichnungen beeinflussen und auch von Gesprächen mit den Menschen, die sie in den nächsten Tagen bei der Arbeit beobachten werden.

"Meine Arbeit ist intuitiv, aber auch prozesshaft, ich schaffe immer mehrere Kompositionen, die miteinander in Beziehung stehen", sagt die Künstlerin, die die einzelnen Phasen ihrer Arbeit jeweils fotografisch dokumentiert. "Auf diese Weise kann derjenige, der meine Bilder am Schluss ersteigert, die dahinterliegenden Prozesse und somit die Entstehung des Endergebnisses genau nachvollziehen", sagt Agnieszka Korejba, die in den nächsten Tagen insgesamt drei Bilder malen will. Vor dem Ort, der Ruine einer im 19. Jahrhundert von einem britischen Architekten erbaute und im Zweiten Weltkrieg von britischen Bomben zerstörten neogotischen Kirche, die nun als Mahnmal für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft dient, hat sie großen Respekt. "Es bewegt mich sehr, dass ich hier arbeiten und mit einem deutschen Kollegen in einen Dialog treten kann", sagt die Malerin, für die auch Versöhnung ein Thema ist, das sich nicht mit einem Schritt, sondern nur in immer neuen Prozessen versuchen und erreichen lässt.

Inzwischen hat Ludger Trautmann begonnen, einen Lindenholzblock mit der Kettensäge zu bearbeiten. Nach und nach werden zwei mannshohe Holzfiguren entstehen, die stelenhaft wirken und in ihrer Form stark reduziert sind. Ihm geht es nicht um Individuen, sondern um Archetypen, gemeinsam werden sie einen Bootsrumpf auf den Schultern tragen. "Das Boot begleitet sie, es ist aber auch eine Metapher, die in allen Religionen eine Rolle spielt", sagt Trautmann, der besonders an die alttestamentliche Geschichte von Jona denkt, dem Propheten, der über Bord geworfen und nach Gottes Willen von einem Walfisch gerettet wurde. "Das Boot ist aber auch ein Symbol der Zuflucht, und es bietet Menschen die Möglichkeit, miteinander in Kontakt zu treten. Hier verbindet es zwei Menschen in ganz direkter Weise."

Ludger Trautmann ist mit sakraler Kunst vertraut, hat viele Werke für Kirchen geschaffen, in Hamburg zum Beispiel für St. Gertrud und für die Johannisgemeinde in Harvestehude. Auch für ihn ist die Ruine der ehemaligen Hauptkirche St. Nikolai ein Ort von besonderer Ausstrahlung, nicht nur aufgrund ihres besonderen Schicksals. Beim Anblick des neogotischen Turms fühlt sich der gebürtige Kölner, der seit 2001 als freischaffender Künstler in Hamburg lebt, an die Domtürme in seiner Heimatstadt erinnert.

Auch Trautmann ist gespannt auf den Dialog mit jenen Menschen, die ihm in den nächsten Tagen bei seiner Arbeit über die Schultern schauen werden. Und auf die Gespräche mit seiner polnischen Kollegin.

"Wir halten diese gemeinsame Kunstaktion für ein wichtiges Symbol und sind dankbar dafür, dass das ECE Projektmanagement und das polnische Generalkonsulat uns hierbei unterstützt", sagt Klaus Francke, der Vorsitzende des Förderkreises Mahnmal St. Nikolai, der nun auf einen großen Erfolg der Kunstauktion hofft.

Atelier unter freiem Himmel: Mahnmal St. Nikolai, Willy-Brandt-Straße 60, bis 31.5., tgl. 10.00-18.00, Auktion am 31.5., 18.00