Arte zeigt heute “Dies ist kein Film“: eine Dokumentation des von Haftstrafe und Berufsverbot bedrohten iranischen Regisseurs Jafar Panahi.

Ginge es nach dem Regime im Iran, würde es diesen Film gar nicht geben. Und seine Hauptperson, der RegisseurJafar Panahi, wäre - weggesperrt, inirgendeinem Teheraner Verlies seinem Schicksal überlassen - von der Weltöffentlichkeit für immer vergessen. Doch Präsident Ahmadinedschad und seine Handlanger haben sich verrechnet, das zeigt auch die heutige Ausstrahlung der Dokumentation "Dies ist kein Film" auf Arte: Panahi ist keineswegs in Vergessenheit geraten und die Solidarität mit ihm ungebrochen.

Zu sechs Jahren Haft und 20 Jahren Berufsverbot wurde der heute51-Jährige im Dezember 2010 verurteilt, nachdem er zuvor mit Frau und Tochter sowie weiteren Dissidenten verhaftet worden war. Die später erhobene Anklage lautete auf "Verbrechen gegen die nationale Sicherheit und Propaganda gegen die Islamische Republik Iran". Tatsächlich hatte Jafar Panahi sich 2009 auf die Seite der Oppositionsbewegung gestellt und war in einemregimekritischen Dokumentarfilm aufgetreten - für die iranische Regierung Grund genug, ihn ins Gefängnis zustecken.

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"Dies ist kein Film" zeigt nun einen Tag im Leben Panahis, der in seiner Wohnung auf den Ausgang der Berufungsverhandlung wartet und auf die Idee kommt, mithilfe des befreundeten Regisseurs Mojtaba Mirtahmasb ein von der Zensur abgelehntes Drehbuch szenisch zu lesen und damit das Verbot, selbst Regie zu führen, zu unterlaufen. Also ordnet Panahi im Wohnzimmer Stühle neu an, markiert mit Klebeband den Grundriss eines Zimmers, in dem die Handlung spielt, wird aber immer wieder von aktuellen Ereignissen unterbrochen. Mal telefoniert er mit seiner Anwältin, die ihm keine Hoffnung auf einen Freispruch machen kann; dann hört er ein Feuerwerk, möglicherweise eine Protestäußerung der Opposition, und sorgt sich um einen Mitarbeiter, der im Gewühl der Straße von Sicherheitskräften angehalten wird.

Panahi schaut sich auf dem Flachbildschirm zentrale Szenen aus seinen älteren Filmen an, erklärt, welch besondere Qualität Laiendarsteller mitbringen, oder wie allein die Wahl einer passenden Location Stimmungen schafft. Er surft auf staatlich zensierten Websites, füttert sein Haustier, einen grünen Leguan, und liest dann wieder aus seinem Drehbuch, in dem die Geschichte eines Mädchens erzählt wird, das die Eltern in seinem Zimmer eingesperrt haben, damit es sich nicht zum Universitätsstudium anmelden kann. Und das deshalb an Suizid denkt. Kaum verwunderlich, dass dieser Stoff, der sich als Allegorie auf die Verhältnisse im Iran lesen lässt, bei den Behörden durchfiel.

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Die internationale Solidarität mit Jafar Panahi war in den vergangenen Jahren überwältigend: Bei den Filmfestspielen in Berlin und Cannes wurde er in die Jury berufen; da er nicht ausreisen durfte, blieb sein Stuhl leer. Stattdessen liefen viele seiner Filme, auch "Dies ist kein Film", den Vertraute per USB-Stick ins Ausland geschmuggelt hatten - versteckt in einemKuchen. Regisseure wie Francis Ford Coppola, Martin Scorsese und Steven Spielberg forderten in einer Petition Panahis Freilassung, Amnesty International schaltete sich ein, ebenso Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP), und initiiert von der Cine Foundation International wurden per Internet individuelle Videobotschaften verschickt, die sich mit dem Verfolgten solidarisierten. Panahis iranische Kollegen mussten indes weitgehend stumm bleiben, wollten sie nicht selbst ins Visier der Zensoren und Sittenwächter geraten.

Doch all die Aktionen, so öffentlichkeitswirksam sie auch waren, blieben bislang ohne Erfolg. Im Berufungsverfahren wurde das Urteil gegen Jafar Panahi bestätigt, nicht einmal zu der mit vorsichtigem Optimismus erhofften Reduzierung der Gefängnisstrafe kam es. Aktuell befindet sich der Regisseur unter Hausarrest und hofft darauf, seinen Fall vor den Obersten Gerichtshof des Iran bringen zu können. Ausgang leider nicht sonderlich ungewiss.

Das Leben im Iran kann er nur vom Fenster seiner Wohnung aus verfolgen, schon ein kurzer Gang vor die Haustür birgt ein zu hohes Risiko. Bezeichnend auch, dass im Abspann von "Dies ist kein Film" zwar Freunden und Kollegen gedankt wird, sich statt konkreter Namen aber nur Sternchen als Platzhalter finden, um die Gemeinten vor Repressionen zu schützen. Den internationalen Druck auf das iranische Regime aufrechtzuerhalten, darin liegt Pahanis einzige vage Chance. Auch die heutige Arte-Ausstrahlung dieses Films trägt dazu bei.

"Dies ist kein Film" heute 23.10, Arte