Keine Angst vor der Zukunft: Im Hamburger CCH berät ab heute der Deutsche Bibliothekartag mit rund 4500 Teilnehmern aus aller Welt.

Hamburg. Etwa 4500 Bibliothekare und andere Mitarbeiter, die in Dokumentationen und Archiven tätig sind, diskutieren von heute bis zum Freitag auf dem 101. Deutschen Bibliothekartag über die Herausforderungen, die die traditionsreiche Bildungsinstitution Bibliothek in der modernen Informationsgesellschaft zu bestehen hat. Organisiert wird dieser wichtigste europäische Fachkongress vom Verein Deutscher Bibliothekare (VDB) und dem Berufsverband Information Bibliothek (BIB). Partnerbibliotheken sind die Bücherhallen Hamburg und die Hamburger Staats- und Universitätsbibliothek.

"Bibliotheken - Tore zur Welt des Wissens" heißt das Motto der Veranstaltung im Congress Center Hamburg (CCH), auf der es neben 400 Fachvorträgen und Präsentationen auch Ausstellungen, Exkursionen und Workshops geben wird. Etwa 500 Themenvorschläge aus zahlreichen Ländern waren bei den beiden für die Organisation zuständigen Verbänden eingegangen. "Der Schwerpunkt liegt auf Themen, die mit Digitalisierung, Vernetzung, mit Internet und Datenbanken zu tun haben. Ein wichtiger Bereich, vor allem für wissenschaftliche Bibliotheken, ist dieses Jahr auch das Urheberrecht", sagt die BIB-Bundesvorsitzende Kirsten Marschall dem Abendblatt.

Eine der Hauptfragen, das kam in zahlreichen Themenvorschlägen zum Ausdruck, sei der Veränderungsprozess, dem Bibliotheken derzeit unterworfen sind. Die Bibliothek ist nicht mehr nur ein Ort, an dem Bücher gesammelt und dem Publikum zur Verfügung gestellt werden, sondern sie bietet auch EDV-gestützte und über das Internet zugängliche Datenbanken an. Dabei muss es künftig auch darum gehen, die wertvollen Daten bei sich ändernden Betriebssystemen und technischen Standards langfristig zu sichern. Vor allem für Bibliotheken mit Archiv-Auftrag wie die Deutsche Nationalbibliothek ist das eine enorme Herausforderung. Kaum vorstellbar, dass es in 20 Jahren noch Bibliotheken geben wird, die so aussehen, wie wir es gewohnt sind. "Selbstverständlich werden sich Bibliotheken auch in Zukunft sehr stark verändern. Aber ganz sicher wird es sie auch weiterhin als Ort geben, den man besuchen, in dem man sich treffen und Menschen begegnen kann", meint die BIB-Vorsitzende. Auf die Frage, wie dieser Bibliotheksraum in Zukunft aussehen könnte, sagt Kirsten Marschall: "Es wird weniger Bücher geben, die man sieht, dafür aber viele Arbeitsplätze. Die Bibliothek wird Räume eröffnen für Kooperationen und ihre Räume werden sich noch sehr viel stärker den Bedürfnissen der Kunden anpassen."

Und damit ändert sich auch die Rolle des Bibliothekars, der früher Gralshüter des Wissens war und sich nun immer mehr zum modernen Dienstleister entwickelt hat. Das heißt konkret, dass der Bibliothekar zum Wissens-Scout wird. "Es hilft mir ja nichts, wenn ich bei Google ein Stichwort eingebe und fünf Millionen Treffer bekomme, ohne ermessen zu können, welcher davon für mich und mein Referat oder meine Bewerbungsvorbereitung gerade richtig ist. Deshalb ist der Bibliothekar in seiner Rolle als Wissens-Wegweiser so wichtig", sagt Kisten Marschall. Das kann ganz praktisch sein: Da schon heute öffentliche Bibliotheken viele elektronische Medien mit der Möglichkeit eines Downloads anbieten, muss der Bibliothekar seinen Kunden die Technik auch erklären können.

Die sozialen Netzwerke sind auf dem Kongress ebenso wichtige Themen, werden aber nicht als Konkurrenz für die eigene Arbeit gesehen, sondern vielmehr als zeitgemäße Unterstützung, die die Kommunikation auch mit den Kunden erleichtern kann.

Wie alle Kulturinstitutionen bemühen sich die Bibliotheken immer mehr darum, sich Migranten zu öffnen. Während des Kongresses soll das nicht nur Thema von Referaten im CCH sein. So wird die Sektion "Interkulturelle Bibliotheksarbeit" des Deutschen Bibliotheksverbandes (dbv) in der Bücherhalle Barmbek konkrete Projekte vorstellen, in denen gezeigt wird, wie man mit Kunden umgeht, die Migrationshintergrund haben, was deren Bedürfnisse sind und was man auch von ihnen lernen kann.

Anders als in früheren Jahren sind Sparzwänge nicht mehr das beherrschende Thema des Kongresses. "Trotzdem spielen finanzielle Probleme auch diesmal eine Rolle. Dabei geht es aber vor allem darum, wie man Drittmittel einwerben kann. Sponsoring ist ein wichtiger Punkt, der auch für öffentliche Bibliotheken immer größere Bedeutung erlangen wird. Aber mit Kürzungen und Einsparungen wird heute pragmatischer umgegangen, es ist nicht mehr das Angstthema, wie wir es noch vor einiger Zeit erlebt haben", sagt die BIB-Vorsitzende.