Die Premiere der Rallye-Cross-Weltmeisterschaft lockte am Wochenende so viele Zuschauer auf den Buxtehuder Estering wie seit 15 Jahren nicht mehr.

Buxtehude. Es war wohl das kurioseste Jubelszenario in der 42-jährigen Geschichte des Esterings: Der Schwede Mattias Ekström raste nach der Rallye-Cross-WM-Premiere in Buxtehude eine halbe Ehrenrunde, die Siegerfaust aus dem Fenster gestreckt, und nahm ein Fotografenbad, während plötzlich Petter Solberg aus Norwegen zu einem Feuerwerk auf der Zielgeraden wilde Kringel drehte in seinem Citroën. Die Zuschauer seufzten ein kollektives: „Hä, wer hat den nun gewonnen?“ Stadionsprecher Martin Kummerow schließlich rief den Rallyeweltmeister von 2003, Petter Solberg, zum Gewinner aus – nach einem Bilderbuch-Wimpernschlagfinale der „Super Cars“, winzigste Fünftausendstelsekunden vor dem zweifachen DTM-Champion Ekström im Audi S1.

„In meinem ganzen Leben habe ich noch nie so knapp gewonnen. Ich war schockiert“, kokettierte Solberg lächelnd. In der zur WM-Serie aufgewerteten Rallye-Cross-Meisterschaft, bis dato nur eine EM, baute der 39-Jährige nach neun von zwölf Stationen seine Gesamtführung auf nun 49 Punkte aus.

Dieses Fotofinish zwischen den beiden Promis des Feldes, die am Donnerstag schon mit einer Showvorführung vor dem Modekaufhaus Stackmann die Werbetrommel für das Spektakel gerührt hatten, war der perfekte Abschluss des ersten WM-Partywochenendes in der 40.000-Einwohner-Stadt im Landkreis Stade, die unter dem fulminanten Slogan „Die Welt zu Gast in Buxtehude“ einlud und deren Hotelbetten in diesen Tagen allesamt ausgebucht waren. Es strömten mehr als 15.000 Zuschauer über beide Tage ins Estetal-Idyll zwischen den Ortschaften Eilendorf und Pippensen, so viele Fans wie seit 15 Jahren nicht, damals waren es noch andere Motorsportzeiten.

„Der Estering mit seiner Stadionatmosphäre ist die Rallye-Cross-Kultstrecke Europas. Sie ist das, was Monaco für die Formel 1 ist oder Wimbledon für Tennis“, sagt der Vorsitzende des Automobil-Clubs Niederelbe (ACN), Andreas Steffen. Er selbst war nicht nur als Veranstalter rundum happy, sondern auch mit seinem Fahrerjob in der Super-1600-EM-Konkurrenz. Obwohl sein Skoda nach dem vierten Vorlauf nur noch drei Räder zählte und im Halbfinale und Finale ohne Hinterradbremse starten musste, wurde der Teufelskerl Andreas Steffen Fünfter.

Ein weiterer Lokalmatador vom ACN Buxtehude, Jörg Jockel, raste in der Königsdisziplin Super Cars mit, in der die Boliden bis zu 600 PS unter der Haube haben und bis zu 400.000 Euro kosten. Der 51 Jahre alte Veteran, im Hauptjob Maurermeister, kam im Ford Focus zwar nicht über die vier Vorläufe hinaus, war aber „einfach nur stolz, dass ich bei der ersten WM in Buxtehude dabei war“. Was er am Rallye-Cross liebe? „Das Besondere sind die verschiedenen Fahrbahnbeläge: 60 Prozent Asphalt und 40 Prozent Schotter – das macht den Reiz aus.“ Jockel hofft, dass bald Sohn Erik, 18, in seine Fußstapfen tritt.

Überhaupt ist Rallye-Cross ein Familienbusiness. So fuhr in Buxtehude Petter Solbergs älterer Bruder Henning mit, und dieser wiederum ist der Stiefvater des schwedischen Nachwuchsfahrers Pontus Tidemand, der im Finale einen starken vierten Platz einfuhr. Und Ekström, 36, brachte bei der Pressekonferenz kurzerhand seinen kleinen Sohn Mats mit aufs Podium.

Ekström, der ein bisschen herunterspielte, dass er sich zu früh gefreut hatte, haderte etwas mit „diesen 0,005 Sekunden – das sind vielleicht zehn Zentimeter“. Und das auf sechs Runden à 952 Meter bei einem Tempo von rund 160 km/h. „Aber ich kann mit dem zweiten Platz auch gut leben.“

In der WM-Wertung ist er derzeit Zehnter. Als Dritter saß der junge Schwede Robin Larsson bei der Pressekonferenz. Sein Audi A1 hatte im Finale eigentlich den größten Speed, aber in Führung liegend touchierte Larsson brutal die Bande und geriet ins Schlingern. „Ich wurde etwas nervös. Wenn du einen Petter Solberg hinter dir hast, ist es nicht leicht, ruhig zu bleiben“, erklärte Larsson seinen Fahrfehler.

Solberg musste sich anschließend vor den Reportern aus aller Welt noch dagegen wehren, dass der Titelkampf ja nun entschieden sei. „No, no, no“, mahnte der Norweger. Noch stehen drei WM-Rennen an: in Italien (27./28. September), der Türkei (11./12. Oktober) und Argentinien (28./29. November).

Der ACN und die ganze Hansestadt Buxtehude freuen sich schon jetzt auf die Neuauflage 2015, wenn dieser Spektakel-Sport zu Heavy-Metal-Klängen und mit „Monster-Mädels“ des Sponsors in Lack-BHs wieder Einzug hält und zum Tourismusfaktor werden soll. Man ist stolz, dass man das einzige deutsche WM-Rennen ausrichten darf. Und das ist mindestens für die kommenden drei Jahre schon gesichert, wie die Organisatoren stolz berichten.

Einen Platz in den Geschichtsbüchern dieser Sportart hat sich der Estering jedenfalls schon gesichert. Die Norwegerin Camilla Antonsen feierte mit ihrem Ford Fiesta in der TouringK-Klasse den ersten Sieg einer Frau in einem EM-Lauf überhaupt.