Viele Grundstücke in Bergstedt grenzen an Weiden und sogar der Hamburg-Cup für Spring- und für Dressurreiter findet hier alljährlich statt.

So ganz genau lässt es sich nicht mehr sagen, wann der Misthaufen von Bauer Griem an der Bundesstraße 434 verschwand. Fest steht jedoch: Lange Zeit war er fast so etwas wie der Leuchtturm im Stadtteil. "Wer ihn passierte, wusste, er ist im Zentrum Bergstedts angekommen", sagt Susanne Wischhöfer. Sie ist gebürtige Bergstedterin und leitet in dritter Generation das Kaufhaus Hillmer, das einst 1929 von ihrer Großmutter Anna Hillmer gegründet worden war.

Wer keine Lust hat auf lästige Parkplatzsuche und quirliges Treiben im nahe gelegenen Alstertal-Einkaufszentrum, der macht hier seine Erledigungen. Noch heute werben auf der roten Backsteinfassade große Lettern für "Hausstandssachen" und "Fettwaren".

Zwar gibt es den Misthaufen von Bauer Griem nicht mehr, dafür sieht man aber auf der Höhe der Kreuzung, von der man Richtung Westen in den Ortskern gelangt, links und rechts noch schöne alte reetgedeckte Häuser. Und der Bereich rund um den Bergstedter Markt ist immer noch ganz so gestaltet, wie es sich für ein Rundlingsdorf gehört. Hier reihen sich die Höfe und Häuser rund um den Dorf- bzw. Feuerlöschteich. Hier steht auch das alte Spritzenhaus, in dessen Turm früher die Hanfschläuche zum Trocknen ausgehängt wurden.

Hip-Hop tanzen auf dem Bauernhof

Auch der denkmalgeschützte Ortskern mit seiner teilweise kopfsteingepflasterten Straße macht zunächst den Eindruck, als wäre die Zeit in Bergstedt ein klein wenig stehen geblieben. Doch der Eindruck täuscht: Hinter den alten, liebevoll sanierten Fassaden herrscht zum Teil reges Treiben. Da gibt es den Siemers'schen Hof, der - 1878 von Caspar Friedrich Siemers erbaut - 2006 zu einer Art Gewerbehof umgestaltet wurde.

Hier haben sich Betriebe, Praxen und eine Tanzschule, in der Jugendliche auch den Hip-Hop erlernen können, angesiedelt. Zudem gibt es das Galerie-Cafe mit dem im Winter stets brennenden Kaminofen und der gemütlichen Sofa-Ecke davor und der geschützten Holzterrasse mit Ausblick auf den Garten. Den Namen Galerie führt das Café nicht grundlos: Mitunter wird es von Künstlern genutzt, um sich einer breiteren Öffentlichkeit vorzustellen.

Für regelmäßigen Zustrom von außerhalb sorgt die schöne alte Backsteinkirche aus dem 13. Jahrhundert mit ihrer gut erhaltenen Holzbalkendecke von 1685. Jährlich finden hier zwischen 75 und 100 Hochzeiten statt. Und wer sich an diesem Ort taufen lässt, dem kommt ein Engel geflogen: Aus Platzgründen wurde das Taufbecken in Gestalt eines himmlischen Wesens aus dem Jahr 1766 an die Decke verlegt und kann nach Bedarf heruntergelassen werden.

Kanus liegen bereit

Wer anschließend feiern gehen will, findet sich fast immer in Wassernähe wieder. Denn sowohl das Gasthaus Quellenhof als auch das Restaurant Alte Mühle liegen an Seen und Teichen. Mit ihren Biergärten sind sie im Frühjahr und Sommer beliebte Treffpunkte für Erholungssuchende, die mit dem Fahrrad oder zu Fuß die angrenzenden Naturschutzgebiete Hainesch/Iland und das Rodenbeker Quellental erkunden. Letzteres lädt nicht nur zu idyllischen Spaziergängen oder Radtouren auf dem Alsterwanderweg ein, sondern auch zu Paddeltouren mit dem Kanu auf der Alster. Die sieht man daher auf vielen Grundstücken griffbereit liegen. Ohnehin ist der Stadtteil von Wasser geprägt, denn auch die Rodenbek, Bredenbek und Saselbek (Bek ist die norddt. Bezeichnung für kleiner Bach) prägen den Stadtteil.

Bezahlbares Wohnen für Familien

Zwar heißt es, das Leben sei kein Ponyhof: In Bergstedt scheint es aber so. Denn viele Grundstücke grenzen an Weiden, auf denen Ponys friedlich grasen. In ihrer Nähe finden sich Reiterhöfe, die auch von Pferdeliebhabern aus den umliegenden Nachbarstadtteilen Lemsahl-Mellingstedt und Volksdorf aufgesucht werden. Sogar der Hamburg-Cup für Spring- und für Dressurreiter, der unter der Schirmherrschaft des Ersten Bürgermeisters steht, findet hier alljährlich auf dem Hof Bohnhoff statt.

Angesichts dieser Idylle verwundert es nicht, dass immer mehr Familien nach Bergstedt ziehen. Zum Leidwesen einiger alteingesessener Bewohner, die um den dörflichen Charakter des Stadtteils fürchten. Doch Bauland ist hier noch relativ günstig zu haben. Und so sind viele neue Quartiere entstanden - oft von Baugenossenschaften, immer öfter aber auch von Baufirmen, die preiswerte Doppelhaushälften und Reihenhäuser anbieten. Solche Projekte finden in der Regel schnell Abnehmer, weil Familien sämtliche Schul- und Betreuungsformen für ihre Kinder vor Ort haben. Sogar eine Waldorfschule - in zudem außergewöhnlicher Architektur - gibt es. Direkt daneben befindet sich die Begegnungsstätte Bergstedt mit einem Stadtteilkulturzentrum und einem Jugendtreff.

Bunte Meile rund um die Kirche

Natürlich kommt der Sport in einem so dörflich geprägten Stadtteil nicht zu kurz: der SV Bergstedt von 1948 bietet von Badminton über Tennis bis hin zum Fußball, Handball und Hockey eigentlich alle beliebten Sparten.

Zwei Veranstaltungen führen darüber hinaus die Bergstedter einmal im Jahr zusammen: der Weihnachtsmarkt, der alljährlich zum 3. Advent im Siemers'schen Hof stattfindet. Und die Bunte Meile, die jeweils am ersten Sonntag im Mai rund um die Kirche veranstaltet wird. Es ist so etwas wie ein Volksfest mit großem Flohmarkt, um den herum sich die Bergstedter Initiativen, Vereine und Einrichtungen gern vorstellen.

Veranstalter ist unter anderem die Interessengemeinschaft (IG) Bergstedt, die mit über 100 Firmen und mehr als 40 Handwerksbetrieben eine beachtliche Branchenvielfalt darstellt. "Selbst mir war das nicht klar, als wir uns im November 2005 das erste Mal zusammensetzten", sagt Susanne Wischhöfer, Vorsitzende der IG. Eingebettet in viele Grünflächen sei die Geschäftswelt von Bergstedt nicht auf einen Kern beschränkt, sondern erstrecke sich über das gesamte Dorf und ermögliche so ein ruhiges Einkaufen und Arbeiten.

Die Ökologie kommt dabei nicht zu kurz: Auf dem Gärtnerhof am Stüffel, der sich selbst gern als "grüne Insel in der Großstadt" bezeichnet, werden Gemüse und Kräuter nach biologisch-dynamischen Grundsätzen angebaut und über einen Hofladen direkt vor Ort verkauft. Zudem dient der Betrieb als Ausbildungs- und Arbeitsplatz für junge Menschen mit Förderbedarf. Denn auch dies ist eine Facette des Stadtteils: Der 1988 gegründete gemeinnützige Trägerverein ZusammenLeben, inzwischen zur GmbH umgewandelt, ist in Bergstedt mit vier Standorten bzw. Wohngruppen für Menschen mit Betreuungsbedarf vertreten.

In der nächsten Folge am 21.11.: Tatenberg