Für die Liebe ist es nie zu spät: Gudi und Hardy Murawski haben sich gefunden – über eine Online-Partnervermittlung. Sie ist 67, er 72 Jahre alt.

Hamburg. Wenn man den Klang dieses Lachens nur aufschreiben könnte. So laut und gelöst, wahrscheinlich hört man es bis auf die Straße. Frau Murawski lacht. Herr Murawski lacht. Der Fotograf sagt: "Das gibt es doch gar nicht." Und dann geht das Lachen von vorne los. Es ist die Geschichte ihres Kennenlernens, die die beiden gerade erzählen. Begonnen hat sie im Internet, was an sich schon mal erstaunlich ist: Die Murawskis gehören nicht zu der Generation, die sich wie selbstverständlich im Internet bewegt: Sie ist 67, er 72. Doch es war der Weg, den beide als den besten beschreiben, bis heute. "Weil er so ehrlich ist. Man kann sofort sagen, was man möchte und was nicht", erzählt Gudi Murawski. "Ich zum Beispiel habe jedem gleich vorweg geschrieben: Ich suche Nähe. Aber ich möchte nicht mehr verletzt werden."

Verletzungen trugen beide in sich. Sie waren verheiratet, als sie 20 waren und geschieden, als sie 30 waren. Danach lebten sie in einer langen Partnerschaft. Hardy verlor seine Partnerin an Krebs, Gudi ihren Partner an eine Jüngere. Nach einer Zeit der Trauer und Einsamkeit meldeten sie sich bei der Online-Paarbörse Parship an.

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Damit sind sie beispielhaft für eine Entwicklung, die die Betreiber von Online-Partnerbörsen mit Interesse beobachten: Die Generation 60+ findet ins Netz. Auf der Hamburger Plattform Elitepartner wachse der Anteil der über 55-Jährigen "sehr stark", das Kieler Portal Forum für Senioren zählt inzwischen 120 000 Mitglieder - Tendenz steigend. "Ja, wo sonst soll man als älterer Mensch auch einen Partner finden?", sagt Hardy Murawski, und seine Frau nickt. Dass es nicht sofort beim ersten Menschen gekribbelt hat, den sie jeweils getroffen haben, fanden beide nicht schlimm. "Man braucht schon ein bisschen Geduld", sagt Gudi Murawski.

Als sie vor fünf Jahren die erste E-Mail von Hardy bekam, wollte sie erst gar nicht antworten. Ein Witwer, dachte sie, wie schade. Zu groß war ihre Angst, mit einer verstorbenen Liebe verglichen zu werden. Und doch schrieb sie zurück. Fünf Wochen später trafen sie sich zum ersten Mal - in den Dammer Bergen, Westfalen. Hier verbrachte Hardy Murawski seine Wochenenden, die Woche über arbeitete er in Hamburg, wo er eine kleine Wohnung hat. "Und wo in Niendorf?", fragte sie bei Kaffee und Kuchen in Kalkriese. Er sagte: "Ich weiß nicht, ob Sie die Straße kennen", und nannte den Namen. Natürlich kannte sie den, da wohnte sie ja selbst. "Und welche Nummer?" Er sagte die Nummer. Sie schaute ihn an. Sie schaute sehr fragend. Denn es war ihre.

"Können Sie das glauben?", ruft Gudi Murawski und bricht in dieses Lachen aus, das einen so umwirft. Und tatsächlich: Gudi und Hardy Murawski haben über Jahre im selben Haus gelebt, ohne einander zu begegnen.

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Das nächste Mal trafen sich die beiden in Hamburg, in ihrer Wohnung, die vier Stockwerke über seiner lag. Sechs Wochen später hielt er um ihre Hand an. Fünf Jahre ist das jetzt her, und noch immer wirken die beiden wie verliebte Teenager: Sie kichern die ganze Zeit. Und können die Augen nicht voneinander lassen. "Er ist das Sahnehäubchen meines Lebens", sagt Gudi Murawski. "Seitdem ich ihn gefunden habe, habe ich das Gefühl, ich kann in Ruhe alt werden." Sieben Kinder und inzwischen vier Enkel haben die beiden aus ihren vorherigen Beziehungen, und fast scheut man sich, das Ganze "Patchwork" zu nennen - weil es irgendwie viel mehr ist als das: zwei ganze Leben.

In denen es kaum gemeinsame Erinnerungen gibt. "Wenn man sich in diesem Alter kennenlernt, dann hat man natürlich schon vieles erlebt", sagt Hardy Murawski. Aber eben getrennt. Deshalb haben sie gleich ganz viel miteinander unternommen, waren in Rom und in den USA. Beide haben ein Leben lang gearbeitet, sie als ärztliche Qualitätsmanagerin, er als Diplom-Ingenieur. Jetzt sind sie 24 Stunden am Tag zusammen. "Aber selbst wenn wir ins Bett gehen, um zwölf, halb eins, hören wir nicht auf zu reden. Als wenn wir uns den ganzen Tag nichts erzählt hätten."

Es gibt viele Gründe, warum Menschen im Alter allein sind. Aber meistens ist man eben doch verlassen worden - oder verwitwet. Beide Situationen kosten Jahre, um sie zu verarbeiten. Und manchmal ist am Ende wenig Mut übrig, um es noch einmal zu probieren. Und den braucht es, natürlich. Bei den Murawskis hat Offenheit geholfen. Und die ganz ernst gemeinte Bereitschaft, das alte Leben hinter sich zu lassen. Hardy und Gudi Murawski haben beschlossen, noch einmal die ganz große Nähe zu wagen - sie ziehen bald zusammen. Gemeinsam werden sie nach Bad Segeberg gehen, wo eines der Kinder lebt, und nun müssen sie aussortieren. Sie haben ja fast alles doppelt: Möbel und Lampen, Besteck und den Fußabtreter. Zwei Leben eben, die von nun an zusammengehören.