Die Zahl der Singlehaushalte steigt, allein bleiben wollen aber nur die Wenigsten. Viele vertrauen bei der Partnersuche auf das Internet.

Wohin das Auge heute fällt: Herzen werden in jedem Fall irgendwo zu sehen sein. Valentinstag, der Tag der Liebenden, ist auch für viele Paare der Metropolregion Pflichtprogramm: Frauen bekommen heute Blumen, die Männer zum Dank dafür einen Kuss. Und Singles schauen in die Röhre.

Dabei ist es gar nicht so leicht, heute alle Ansprüche an ein erfülltes Leben unter einen Hut zu bekommen. Neben den Moralvorstellungen haben sich die in der Arbeitswelt herrschen Bedingungen in den vergangenen Jahrzehnten radikal verändert. Wer im Beruf erfolgreich sein möchte, muss häufig flexibel und mobil sein. Wohl auch deshalb ist die Zahl der Singles in Deutschland kontinuierlich gestiegen. 1970 wurden 25,1 Prozent aller Haushalte zwischen Flensburg und dem Bodensee von Einzelpersonen geführt, im Jahr 2009 waren es 39,8 Prozent.

Wer nicht in festen Händen ist, wird von seinen Mitmenschen im Allgemeinen bedauert. Denn mittlerweile haben verschiedene wissenschaftliche Untersuchungen bewiesen: Einsamkeit macht nicht nur traurig, sondern auch krank. Menschen, die in Beziehungen leben, sind weniger anfällig für Depressionen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Anders als Singles achten sie mehr auf einen gesunden Lebensstil und leben sie im Schnitt drei Jahre länger.

Warum Menschen Beziehungen brauchen, weiß Heike Pätzold. "Stabile Beziehungen und der Wunsch nach Nähe und Gemeinschaft sind ein menschliches Grundbedürfnis. Bei einem Partner kann man sich geborgen fühlen und seinen Anker haben in dieser Zeit, die viele verschiedene Anforderungen an die Menschen stellt", sagt die katholische Leiterin der Ökumenischen Ehe- und Lebensberatung Lüneburg. "Eine stabile Beziehung hilft dabei glücklich zu sein."

Die meisten Menschen, die heute jemanden kennenlernen wollen, melden sich nicht im Sportklub an oder gehen tanzen. Sie schalten einfach den Computer ein. Im Internet versprechen Chatportale und Partnerbörsen, dass jeder seinen Traumpartner findet, der es möchte. "So ein Profil ist schnell eingerichtet", sagt eine junge Lüneburgerin, die "den Richtigen" noch nicht getroffen hat. "Man kann gemütlich auf der Couch sitzen und gezielt suchen. Man gibt ein, was einem wichtig ist und welche Eigenschaften derjenige mitbringen soll, den man sich als Partner wünscht." Die rothaarige Frau möchte ihren Namen nicht in der Zeitung lesen.

Wie die Online-Partnerbörsen aus einsamen Frauen und Männern Paare bilden, hat wenig mit Magie, aber sehr viel mit Mathematik zu tun. Ein Computerprogramm gleicht die Vorlieben der Suchenden ab. Also zum Beispiel, ob jemand gern im Grünen oder lieber mitten in der City wohnt, Sport oder Kultur mag, gern grillt oder eine Schildkröte hält. Je höher die Zahl der Übereinstimmungen, desto besser bewerten die Portale die Aussichten auf eine Beziehung.

+++ Wo kommt Liebe her? Philosoph Precht mit einer Erklärung +++

Wer nicht an die Liebesformel der Partnerbörsen glaubt, kann sich auch online coachen lassen. Für Schüchterne gibt es Mutmach-Sprüche, gegen selbst diagnostizierte kleine Schwächen sollen Tipps Abhilfe schaffen. Wenn es mit dem Flirten nicht klappen will, weil zum Beispiel die eigene Stimme zu monoton klingt, helfen ein Aufnahmegerät, ein Spiegel und ein bisschen Übung, prophezeit eine Internetseite. Mithilfe der Geschichte "Leopolds pfeifende Nase" kann man den "großartigen Geschichtenerzähler entdecken, der in jedem steckt". Eine andere Internetseite verspricht, dass ein Coach "Flirthilfe durch gewisse Anmachsprüche gibt, die beim Traumpartner garantiert gut ankommen".

Gibt es solche Sprüche überhaupt? Hendrik Zukowski lacht und verneint. "Das ist ein Mythos. Es gibt nicht den einen universellen Spruch." Aber es gebe Worte, die die Wahrscheinlichkeit erhöhen, sein Gegenüber zumindest in ein erstes Gespräch zu verwickeln, sagt der Lüneburger Date-Coach. Außerdem werde immer wieder unterschätzt, wie viel die Körpersprache ausmache. "Nur 30 Prozent der Aufmerksamkeit des Betrachters liegen darauf, was gesagt wird. 70 Prozent dagegen darauf, wie es rüberkommt", sagt der 31-Jährige, der aktuell 14 Lüneburgern im Alter von 30 bis 77 Jahren bei der Suche nach der großen Liebe hilft. Dazu veranstaltet er Dinnerpartys, auf denen Männer und Frauen sich in lockerer Atmosphäre kennenlernen können, aber er bietet auch Einzel-Coaching an. Im Unterschied zu Partnervermittlungen gibt der gelernte Mediendesigner, der sich in speziellen Kursen in Kommunikationslehre und Verhaltensforschung fortgebildet hat, seinen Klienten keine Telefonnummern, sondern in Gesprächen lediglich Tipps, um sich selbst überzeugend zu präsentieren.

Dafür, dass er trotz der enormen Nutzerzahlen der Internet-Partnerbörsen regen Zulauf hat, hat der Date-Coach eine Erklärung parat, die zunächst paradox klingt: Heute seien Menschen kaum mehr gezwungen, sich mit Fremden zu unterhalten. An die Stelle eines Gesprächs trete heute eher ein indirekter Austausch wie ein Chat oder das Schreiben von Kurznachrichten. "Bist du bei facebook?", lautet nach Einschätzung Zukowskis einer der fatalsten Anmachsprüche, die er bislang gehört hat. "Das signalisiert doch, dass man den Moment der Begegnung gar nicht so wertschätzt, sondern anscheinend möglichst schnell wieder die Distanz der virtuellen Welt zwischen sich und sein Gegenüber legen will", sagt Hendrik Zukowski. Dabei seien doch die Wenigsten auf der Suche nach einer Brieffreundschaft.

Dass die Partnersuche im Internet auch Schwachpunkte hat, gesteht auch die junge Dame mit den roten Haaren. "Man weiß zwar viele private Details, aber dass der Funke überspringt, kann man vor dem Bildschirm nicht so erleben wie bei einer tatsächlichen Begegnung." Bisher war ihr Traummann noch nicht dabei.

Auch Bärbel Lippkes Kunden sind oft von Online-Partnerbörsen enttäuscht. "Eine Kundin hat mir erzählt, sie sei in einem Portal nicht mehr zugelassen worden, als sie ein bestimmtes Alter überschritten hatte", sagt die 54-Jährige, die in Lüneburg eine Partnervermittlung betreibt. Die Diplompädagogin nutzt eine Marktlücke. Ihr Angebot richtet sich ausschließlich an Frauen und Männer ab 50 Jahre und ist regional begrenzt. In Lüneburg, der Nordheide, Uelzen und Lüchow-Dannenberg sucht Bärbel Lippke ein passendes Pendant für ihre Klienten.

Generell seien die Menschen heute offener als noch vor 20 Jahren und würden eher einen zweiten Versuch in Sachen Liebe wagen, auch im reiferen Alter. Manche Paare stellten fest, dass sie sich auseinander gelebt haben, wenn die Kinder aus dem Haus sind, andere wollten nach dem Tod des Partners nicht allein bleiben. Vor allem für ältere Singles fehle es an Gelegenheiten, einander zu treffen. "Früher gab es in jeder Stadt Lokale, die nachmittags Tanztees veranstalteten. Da konnte man ohne Umstand ins Gespräch kommen. Heute müssen viele weit fahren", sagt Henrik Zukowski. Ähnlich schätzt Bärbel Lippke die Lage ein. Die Inhaberin der "Lüne-Begegnungen" bietet ihren Kunden Treffen an, bei denen sich Frauen und Männer kennenlernen können. In den vergangenen zwei Jahren hat es mit ihrer Hilfe bei drei Paaren gefunkt.

Wer den richtigen Partner gefunden hat, kann sich glücklich schätzen. Von ganz allein bleibt eine Partnerschaft auf Dauer aber nicht harmonisch und erfüllt. Das haben die Mitarbeiter der ökumenischen Ehe- und Lebensberatung in Lüneburg immer wieder festgestellt. Seit 60 Jahren beraten sie Frauen und Männer. Ein Patentrezept für die Liebe kennt Heike Pätzold nicht. Es sei wichtig, dass die Partner sich ihre Zuneigung für einander immer wieder bewusst machen. "Paare müssen sich Zeit für sich nehmen. Das gilt vor allem für berufstätige Eltern, auch wenn es oft schwer zu organisieren ist", sagt die katholische Leiterin der Beratungsstelle. Vor allem die vermeintlich kleinen Dinge seien die, die zählen: Sich bewusst voneinander verabschieden, über Erlebnisse sprechen und sich immer wieder auf den anderen einlassen. Dann hat die Liebe gute Chancen.