Wie wichtig sind Väter für Kinder? Mit dieser Frage setzt sich Dr. Jörg Maywald, Deutsche Liga für das Kind, intensiv auseinander.

Endlich schwanger! Ein Kind kündigt sich an. Fast alles im Leben der werdenden Mutter verändert sich. Von der körperlichen Befindlichkeit und dem Hormonhaushalt bis zur Wohnungseinrichtung und der Karriereplanung. Und der Vater? Alles wie gehabt?

Die Zeiten, in denen Säuglinge und Kleinkinder allein Frauensache waren, sind endgültig vorbei. Weil die Väter es anders wollen und die Mütter Druck machen. Weil sich Familie und Gesellschaft so sehr wandeln, dass es zur aktiven Vaterschaft kaum mehr eine Alternative gibt. Und vor allem: Weil die Kinder mehr denn je ihren Vater brauchen. Bereits heute nehmen viele Väter an Geburtsvorbereitungskursen und der Entbindung teil. Rund jeder fünfte Vater geht zumindest einige Monate in Elternzeit. Die Mehrheit sieht sich nicht mehr allein in der Rolle des Ernährers, sondern übernimmt - mehr oder weniger selbstverständlich - pflegerische und erzieherische Aufgaben im Alltag. Immerhin drei von zehn Vätern halten den Begriff "Rabenvater" für angemessen, wenn ein Vater die Kinderbetreuung allein der Mutter überlässt.

Nicht alle Väter haben die "neue Väterlichkeit" für sich entdeckt. Ein immer noch beträchtlicher Anteil bleibt alten Rollenmustern verhaftet oder fällt - wenn die Kinder erst einmal da sind - trotz zuvor gegenteiliger Absichten in sie zurück. Zahlreiche Männer sind verunsichert und verschieben ihren eigentlich vorhandenen Kinderwunsch. Immerhin rund jeder vierte Mann verzichtet sogar ganz auf das Abenteuer Kinderkriegen.

Dabei ist es eben nicht die Natur, die viele Männer ihren Kindern entfremdet und sie damit einer ihrer aufregendsten Erfahrungen beraubt. Väter - übrigens im Gegensatz zu kinderlosen Männern - besitzen eine den Müttern ebenbürtige Kompetenz im Umgang mit Babys und Kleinkindern. Allerdings ist diese Kompetenz davon abhängig, ob sie von Anfang an Betreuungsaufgaben und tatsächliche Verantwortung für ihr Kind übernehmen.

Väter haben eine eigene Art, auf Kinder zuzugehen. Die Kinder spüren dies und schätzen den Unterschied. Dabei geht es nicht allein um Aussehen, Stimme und Geruch. Auch das Verhalten von Müttern und Vätern setzt unterschiedliche Schwerpunkte. Während Mütter sich im Durchschnitt mehr pflegerisch mit dem Baby beschäftigen, machen Väter häufiger Imitationsspiele, stimulieren die Kleinen mit Geräuschen oder optischen Reizen. Und es sind vor allem die Väter, die für Bewegung sorgen, ob beim gemeinsamen Laufen, Fußball spielen, Fahrrad fahren oder Schwimmen.

Die große Mehrheit der Eltern will heutzutage Kindererziehung, Partnerschaft und Berufstätigkeit miteinander verbinden. Dies gilt für Mütter und Väter gleichermaßen und spiegelt auch die Auffassung fast aller jungen Menschen wider, bevor sie eine Familie gründen. Weder die berufstätige kinderlose Frau noch die Hausfrau und Mutter ohne Beruf entspricht dem Ideal einer Mehrheit. Und auch das Bild des Wochenend-Papas ist nicht mehr zeitgemäß. Frauen haben genauso Freude an Berufstätigkeit wie Männer und wollen ebenso wie diese finanziell auf eigenen Beinen stehen. Männer möchten nicht auf die Rolle des Ernährers der Familie reduziert werden, sondern am Leben ihrer Kinder teilhaben und auch im Alltag Erziehungsverantwortung übernehmen. Frauen und Männer wissen, dass eine Partnerschaft oder Ehe nicht immer ein ganzes Leben lang anhält und sie daher Vorsorge treffen müssen, notfalls für sich selbst sorgen zu können.

Wenn Eltern sich trennen, wird auch Alleinerziehung in Kauf genommen, die zwar hohe Anforderungen an die Bewältigung des Alltags stellt, aber nicht mehr so stigmatisiert ist wie früher. Weiterhin spielt eine Rolle, dass die finanzielle Belastung durch Kinder trotz Kindergeld und steuerlicher Entlastungen so groß ist, dass bei einem Durchschnittsverdienst mindestens eineinhalb Einkommen vorhanden sein müssen, um einigermaßen über die Runden zu kommen. Nicht zuletzt begünstigt die steigende Lebenserwartung den Wunsch nach einer Verbindung von Berufstätigkeit und Familie, haben doch die Eltern dann, wenn die Kinder einmal aus dem Haus sind, noch eine lange Nachkinderphase vor sich, die mit sinnvoller beruflicher Einbindung gefüllt werden will.

Auch in rechtlicher Hinsicht soll die Verantwortung der Väter gestärkt werden. Dies gilt besonders für die wachsende Zahl der nicht miteinander verheirateten Eltern. Nach der noch bestehenden Gesetzeslage können ledige Väter nämlich nur dann das Sorgerecht erhalten, wenn die Mutter des Kindes dem zustimmt und beide Eltern eine sogenannte gemeinsame Sorgeerklärung abgeben. Das Bundesverfassungsgericht hat nun auf die Klage eines Vaters hin am 3. August 2010 entschieden, dass die mangelnde Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung, ob die gemeinsame Sorge der Eltern dem Kindeswohl im Einzelfall tatsächlich entspricht, verfassungswidrig ist. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger kündigte an, dass nun der Gesetzgeber tätig werden muss, um das Elternrecht des ledigen Vaters mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben in Einklang zu bringen.

Mindestens ebenso wichtig ist ein Umdenken in Wirtschaft und (Familien-)Politik. Über die bereits bestehenden "Vätermonate" in der Elternzeit hinaus sollten gerade Männer die Möglichkeit erhalten, bei Bedarf vom Arbeitsplatz fernbleiben zu können, wenn die Geburt eines Kindes bevorsteht oder ein Kind erkrankt.

Auch für die Politik besteht Handlungsbedarf. Elemente einer vätersensiblen Familienpolitik könnten sein: Ausbau der "Vätermonate", Einführung von Optionszeiten und Arbeitszeitkonten, Orientierung betrieblicher und öffentlicher Zeiten an Familienzeiten, Erleichterung des Wechsels zwischen Voll- und Teilzeit sowie Wiedereinstiegshilfen nach Familienzeiten. Nicht zuletzt könnte die Politik dem Trend der immer älteren Väter entgegentreten. Der Altersdurchschnitt der Männer, die zum ersten Mal Vater werden, liegt inzwischen deutlich über dreißig Jahre.

Warum also nicht die Rahmenbedingungen dafür verbessern, dass nicht nur Beruf und Familie, sondern auch Ausbildung bzw. Studium und Vaterschaft simultan möglich werden?

Der Väterforscher Prof. Wassilios E. Fthenakis fasst den positiven Einfluss des Vaters auf die Entwicklung des Kindes zusammen: "Der Einsatz des Vaters im Alltag erweitert die Erfahrungs- und Lernchancen für das Kind, ermöglicht komplexere Interaktionen im Familiensystem und kann mögliche Defizite in anderen Bereichen des familiären Lebens kompensieren. Darüber hinaus ist der Vater wichtig für die Entwicklung der Identität von Mädchen und Jungen und kann die kognitive Entwicklung seiner Kinder stimulieren, die Empathie fördern und die schulischen Leistungen steigern."

Und Prof. Dieter Thomä, Autor des Buches "Väter. Eine moderne Heldengeschichte" spricht vom Vater als Türöffner der Welt, der eine besondere Farbe ins Spiel des Lebens bringt, "die für die Neugier, mit der man die Welt entdeckt, steht, aber auch für den unbedingten Schutz und Rückhalt, den man bei dieser Entdeckungsreise benötigt."